Wenden/Rothemühle. Unternehmer Bernd Hesse attackiert Wendens Bürgermeister Bernd Clemens und fordert dessen Rücktritt: „Sie sollten sich beurlauben lassen.“
„Sie haben den Laden nicht im Griff und sollten sich beurlauben lassen, bevor noch die ganze Glaubwürdigkeit die Bigge ‘runter geht“. Unter anderem mit diesen heftigen Attacken ist ein Brief gespickt, den der Wendener Unternehmer Bernd Hesse (73) am Mittwoch Morgen an Bürgermeister Bernd Clemens gemailt hat. Hesse ist zwar für seine markigen Worte bekannt, doch jetzt lädt er verbal noch einmal eine „Schippe“ drauf. Grund: Was sich rund um das Vergabeverfahren für das ehemalige Balcke-Dürr-Firmengelände in Rothemühle abspiele, spotte jeder Beschreibung, so der 73-Jährige. Dass erneut vertrauliche Informationen rund um die Zukunft des Firmengeländes an die Öffentlichkeit durchgesteckt worden seien, zeige eines ganz deutlich: „Das Rathaus und der Gemeinderat sind löchrig wie ein Sieb.“ Nicht öffentliche Dinge würden immer wieder in die Zeitungsredaktionen gelangen.
Grundlage entzogen
Nachdem bekannt geworden sei, dass die Bietergemeinschaft Pyramis GmbH/Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden ihre ursprünglichen Pläne nicht wie geplant realisieren könnten, sei die Grundlage, auf der der Gemeinderat sich für Pyramis/Sparkasse entschieden habe, hinfällig. Hesse im Brief an Bernd Clemens: „Mitteilen möchte ich noch, dass ich meinen Anwalt aufgefordert habe, gegen das Verfahren bei Balcke-Dürr eine einstweilige Verfügung zu erwirken, weil sich die Grundlage, die dem Gemeinderat zur Verfügung stand, in wesentlichen Teilen geändert hat.“
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Zur Erinnerung: Hesse gehörte zu den Investoren, die sich ebenfalls am Bieterverfahren für Balcke-Dürr beteiligten, ein Kaufangebot abgegeben hatten, aber nicht zum Zuge kam. Das Duo Pyramis/Sparkasse habe in seiner Präsentation mit dem Titel „Zukunftsquartier Rothemühle großspurige Versprechen gemacht, die jetzt offensichtlich nicht eingehalten werden könnten, „wie ich heute in der Zeitung lesen darf“, ereifert sich Hesse. Gemeint ist u. a. die Gründer- und Kreativ-Werkstatt mit Räumlichkeiten für Coworking und Start-Up-Unternehmen. Hesse: „Angeblich ist das wegen mangelnder Nachfrage ad acta gelegt worden. Da bleibt nichts Innovatives übrig. Ich werde einen Anwalt beauftragen, das Projekt mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung zu stoppen.“ Hesses Ziel: „Das Bieterverfahren muss aufgerollt werden, noch einmal von vorne beginnen.“
Was er selbst für die Zukunft von Balcke-Dürr verspreche, halte er auch: „Ich werde am Montag 74 Jahre alt, bin 50 Jahre selbstständig. Am Stück wohlgemerkt. Ohne Insolvenzen oder Rote Zahlen. Die Eigenkapitalquote meines Unternehmens beträgt 70 Prozent. Nennen Sie mir irgendjemand, demgegenüber ich mein Wort nicht gehalten habe.“
125 neue Arbeitsplätze schaffen
Er wolle die alte rote Ziegelstein-Fassade erhalten und bis zu 125 neue Arbeitsplätze schaffen: „Wir wollten ein Designerbüro einrichten, ein Entwicklungszentrum mit Marketingabteilung.“ Zudem solle eine neue Offsetdruckmaschine modernsten Fotodruck für die SIBO-Verpackungen ermöglichen.
Auf den Freiflächen könnten sich kleinere Unternehmen ansiedeln, verspricht Hesse weiter. Seine grundsätzliche Marschrichtung: „Alles erhalten, nichts abreißen.“
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Der 73-Jährige weist in diesem Zusammenhang noch auf etwas anderes hin, das für den künftigen Balcke-Dürr-Besitzer wichtig werden könnte: „Da ich vor vielen Jahren das alte Landwirtschafts- und Mühlengelände in Rothemühle gekauft habe, besitze ich Wasserrechte an der Bigge.“ Und die würden auch für den Bereich des Bachlaufes gelten, der über das Balcke-Dürr-Gelände verlaufe. Die neuen Besitzer könnten nicht machen, was sie wollten. Hesse: „Diese Wasserrechte sind seit 1932 eingetragen.“
Er wolle den Biggezufluss auf seinem rund 6500 Quadratmeter großen Grundstück nutzen, um dort ein Wasserrad wieder ans Laufen zu kriegen und Strom zu produzieren. Damit könne die dortige Paletten-Produktion betrieben werden.
Auf diese Wasserrechte müsse jeder Besitzer des Balcke-Dürr-Geländes Rücksicht nehmen.
Clemens zeigt sich gelassen
Wendens Bürgermeister Bernd Clemens erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, er sehe die Drohung Hesses, gegen das Vergabeverfahren vorzugehen, sehr gelassen: „Es ist sein gutes Recht, dagegen zu klagen, als Beteiligter und Betroffener.“ Die Gemeinde Wenden werde von einem absoluten Fachmann, einem Anwalt fürs Vergaberecht vertreten. Clemens: „Dr. Heide, unser Fachanwalt, hat uns bestätigt und wird das auch heute Abend im Gemeinderat vortragen, dass dieses Vergabeverfahren rechtmäßig ist und jeder Überprüfung standhält.“
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Zu den Vorwürfen, dass vertrauliche Informationen aus dem Rat erneut an die Öffentlichkeit gelangten, sagte Clemens: „Ich bedaure es sehr, dass Ratsvertreter oder andere ständig gegen diese Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Das ärgert mich selbst maßlos. Ich kann es aber nicht ändern. Die Wut von Herr Hesse ist zwar nachvollziehbar, diese Verstöße kann man mir aber nicht in die Schuhe schieben.“
Ob und inwieweit es ein Wasserrecht Hesses gebe und ob es Einfluss auf das Projekt Balcke-Dürr habe, sei zu prüfen.