Kreis Olpe. Laut KVWL gibt es im Kreis Olpe mehr Psychotherapeuten als nötig. Die Folge: Zulassungsstopp. Doch Ärzte sprechen von „Drehtür-Patienten“.
Laut Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) gibt es zu viele Psychotherapeuten im Kreis Olpe. „Der Kreis Olpe hat einen Versorgungsgrad von über 140 Prozent, was eigentlich ein absoluter Zulassungsstopp bedeutet“, so Ansgar von der Osten, Geschäftsbereichsleiter Sicherstellungspolitik und -beratung der KVWL, der am Mittwochabend in der kommunalen Gesundheitskonferenz im Kreishaus referierte. Die Realität der niedergelassenen Ärzte und Therapeuten im Kreis Olpe sieht jedoch anders aus: lange Wartezeiten, Aufnahmestopp und Hilflosigkeit bei den Patienten.
4168 Einwohner kommen auf einen Psychotherapeuten im Kreis Olpe
Grundlage dieses Ergebnisses der KVWL sind Zahlen, die sich aus der Bedarfsplanung ergeben. Sie wird in der Bedarfsplanungs-Richtlinie festgelegt, die Grundsätze sind bundesweit gültig. Damit soll geregelt werden, wie viele Ärzte es in einer Region geben darf und wie diese geografisch verteilt sein müssen. Für den Kreis Olpe bedeutet das: 5843 Einwohner können auf einen Psychotherapeuten kommen. Damit wäre nach Ansicht des Bundes eine ausreichende Versorgung sichergestellt. Tatsächlich kommen im Kreis Olpe aber nur 4168 Einwohner auf einen Psychotherapeuten – eine Überversorgung.
„Wann ist eine psychotherapeutische Versorgung genug? Diese Frage lässt sich kaum beantworten“, meint Ansgar von der Osten. Es gebe Fälle von Kommunen, in denen der Versorgungsgrad bei 600 Prozent liege – und die Psychotherapeuten dennoch einen höheren Bedarf in der Bevölkerung spiegeln. Allerdings: Im Bereich der Langzeittherapie sieht von der Osten in der Tat einen Engpass im Kreis Olpe. „Lange Wartezeiten wären ein klassisches Argument, um eine Sonderbedarfsprüfung durchzuführen. Das hat in der Vergangenheit immer mal wieder zu einer Steigerung der Zulassungen geführt.“ Das sei allerdings Aufgabe des Bundes, nicht der KVWL.
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„Den Engpass bekommen wir nicht wegdiskutiert. Aber wie kommen wir an eine Lösung?“, sucht Christoph Becker, Mitglied der Gesundheitskonferenz und Geschäftsführer der Caritas im Kreis Olpe, nach einem praktischen Ansatz. Eine kurzfristige Möglichkeit wäre laut von der Osten, „Spitzen“ an anderweitigen Beratungsstellen abzufangen. Das sei allerdings nur bedingt umzusetzen, meint Petra Lütticke, Behindertenbeauftragte im Kreis Olpe. „Eine Beratung ersetzt keine psychologische Behandlung. Wir beobachten in der psychiatrischen Klinik, dass es viele Drehtür-Patienten gibt.“ Heißt: Patienten kommen, wenn es ihnen akut schlecht geht, und gehen, wenn sie stabilisiert worden sind. Oft fehle es dann aber an entsprechender Nachsorge. „Ein Kollege sagte mir kürzlich, dass er drei bis vier Therapieplatz-Anfragen bekommt. Dabei hat er vielleicht grade mal Kapazitäten für drei bis vier neue Therapieplätze pro Monat“, so Lütticke. 16 bis 18 Monate müsse man im Durchschnitt auf einen Therapieplatz waren.
Manche Psychotherapiepraxen setzen nicht mal mehr Patienten auf die Warteliste. Die Praxisgemeinschaft für Psychotherapie Olpe schreibt beispielsweise auf ihrer Homepage: „Wir sind in unserer Praxis bemüht, die Wartezeiten bis zu einem Erstgespräch möglichst gering zu halten. Leider ist die Liste derjenigen, die auf einen Therapieplatz warten, in den letzten Monaten so erheblich angewachsen, dass wir dies nicht mehr gewährleisten können. Deshalb haben wir uns entschlossen, unsere Warteliste für gesetzlich und privat versicherte Patienten bis auf Weiteres zu schließen.“
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Dass die Realität der KVWL so sehr von der Realität der Psychotherapeuten und deren Patienten im Kreis Olpe abweicht, überrascht Ombudsfrau Sibille Niklas. „In meiner Tätigkeit erlebe ich immer wieder, wie sehr die Menschen enttäuscht sind, weil sie keine Weiterbehandlung nach ihrem stationären Aufenthalt erfahren.“ Für Dr. Martin Junker, Allgemeinmediziner aus Olpe und Leiter der KVWL-Bezirksstelle Lüdenscheid, müsse der Druck auf den Bund erhöht werden. „Wenn wir als Hausärzte diese Defizite nicht auffangen würden, wäre die Situation noch viel schlimmer. Die Bedarfszahlen müssen anders gesetzt werden.“