Olpe. Die Praxis wurde am 1. April 1922 in Olpe gegründet. Dr. Sebastian Brüser hätte Nachfolger. Dafür müsste die Stadt Olpe allerdings aktiv werden.

In dem Zimmer wurden schon viele Patienten beraten, getröstet und behandelt. Es hat Bombenangriffen Stand gehalten, Entwicklungen erlebt und Generationen aufwachsen sehen. In dem Sprechzimmer von Dr. Sebastian Brüser hängen zwei gerahmte Bilder an der Wand, die zwei Männer zeigen, die maßgeblich für diesen Erfolg verantwortlich sind. Adolf und Dolf Brüser – Großvater und Vater von Sebastian Brüser. Die Hausarztpraxis in der Bahnhofstraße 5 in Olpe wird mittlerweile in dritter Generation geführt. Am 1. April feiert die Praxis ihr 100-jähriges Bestehen. „Das ist einzigartig in Olpe und womöglich auch in ganz NRW, insbesondere im gleichen Haus und im gleichen Sprechzimmer“, meint Dr. Sebastian Brüser. Zu diesem Anlass hat der 58-Jährige viel recherchiert, historische Fotos herausgesucht und seine Ergebnisse in ein kleines Büchlein zusammengetragen.

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Der Anfang: 1884

Richard Brüser – Ur-Großvater von Sebastian Brüser – errichtete im Garten des Hauses seines Schwiegervaters, Franz Jenne, in der Bahnhofstraße 7 (heute Sonnenapotheke) das Haus Bahnhofstraße 5. Dort betrieb er später als gelernter Sattler und Polsterer einen Möbelhandel. Mit seiner Frau Maria (geborene Jenne) bekam Richard Brüser 13 Kinder. Tragischerweise verstarben acht Kinder noch im Wochenbett oder im Kindesalter, zwei weitere Söhne – Willy und Paul – fielen als Soldaten im Ersten Weltkrieg. Der einzige überlebende Sohn, Adolf Brüser, studierte Medizin und legte damit den Grundstein der Hausarzttätigkeit in der Bahnhofstraße in Olpe.

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1922 bis 1953

Adolf Brüser studierte Medizin in Münster, Tübingen, Würzburg, Bonn und Berlin. 1918 heiratete er Maria Matha, geborene Kemper, aus dem Haus der Kornbrennerei Kemper. Fünf Kinder entstanden aus dieser Ehe. Nachdem sich Adolf Brüser zunächst in der Nähe von Oldenburg als praktischer Arzt niedergelassen hatte, kehrte er 1922 wieder nach Olpe zurück. Im Laufe der Jahre baute er die Praxis in der Bahnhofstraße 5 immer weiter aus. 1944 erlitt er eine Infektion im Bein, das ihm schließlich amputiert werden musste. Sein Sohn Dolf musste ihn deswegen schon im Alter von 16 Jahren als Chauffeur unterstützen, um weiterhin die zahlreichen Patienten auf den Dörfern besuchen zu können. 1953 verstarb Adolf Brüser im Alter von 66 Jahren.

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1954 bis 1960

Weil sich Dolf Brüser noch im Medizinstudium befand, mussten zunächst die drei älteren Geschwister – Rita, Paul und Willy, die allesamt Medizin studiert hatten – die Praxis weiterführen. Am 1. Juli 1960 konnte schließlich Dolf Brüser die Praxis seines Vaters übernehmen.

1960 bis 2004

Noch während seines Studiums in Tübingen, Marburg, Karlsruhe und Bonn lernte Dolf Brüser auf dem Schützenfest – der „Olper Hochzeitsbörse“ – am Ümmerich seine spätere Frau Brünhild kennen und lieben. Zusammen bekamen sie drei Kinder: Susann, Sebastian und Kathrin. Über 25 Jahre war Dolf Brüser Vorsitzender des Olper Ärztevereins, fast 16 Jahre lang mischte er als Leutnant im Schützenvorstand mit. „Er liebte es, Anekdoten aus seinem Leben zu erzählen“, erinnert sich Sebastian Brüser an seinen Vater. In einer Polizeikontrolle wurde er einmal von einem Beamten barsch aufgefordert, seinen Namen zu nennen und Ausweis und Führerschein herauszugeben. Pflichtbewusst kam er der Aufforderung nach, wunderte sich aber über den Vorfall. Schließlich besuchte er den Polizisten und dessen Familie seit 15 Jahren als Hausarzt. Und er war sich sicher, dass über eine Sehschwäche nichts in der Patientenakte stand. 1999 musste Dolf Brüser im Alter von 70 Jahren seine kassenärztliche Tätigkeit aufgeben. Bereits ein Jahr zuvor stieg sein Sohn Sebastian in die Hausarztpraxis ein. Im März 2006 verstarb Dolf Brüser an schwerer Krankheit.

1998 bis Heute

Eigentlich hätte Sebastian Brüser im Jugendalter gerne mit dem Fußballspielen Geld verdient und hätte auch die Möglichkeit dazu gehabt. „Mein Vater riet mir jedoch dazu, keine ‘Fisimatenten’ zu veranstalten und erst mal das Abitur zu machen“, sagt Sebastian Brüser und lacht. Er folgte dem Rat seines Vaters. Zum Glück.

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Und wie schon sein Vater lernte auch Sebastian Brüser seine spätere Frau Angelika auf dem Schützenfest am Ümmerich kennen. 1991 wird ihre gemeinsame Tochter Rebecca, zwei Jahre später Sohn Tobias geboren. Beide schlagen den Weg zum Humanmediziner ein. Die Tradition der Brüsers geht also weiter.

Rund um die Uhr für Patienten da sein – ein Credo, das Sebastian Brüser von seinem Vater und Großvater übernommen hat. Und wie auch schon seine Vorfahren, wohnt er mit seiner Familie bis heute über der Praxis.

Die Zukunft

An den Ruhestand denkt Sebastian Brüser noch nicht; durchaus aber an die Nachfolge. Sowohl Tochter Rebecca als auch ihr Ehemann Moritz, die beide aktuell praktizierende Ärzte in Köln sind, könnten sich prinzipiell vorstellen, die Hausarztpraxis in der Bahnhofstraße 5 zu übernehmen. Doch dafür müssten auch die Rahmenbedingungen stimmen. „Das Haus ist natürlich alt und verwinkelt. Viel problematischer ist allerdings, dass es keinen Aufzug und keine Parkmöglichkeiten gibt“, meint Sebastian Brüser. Schon vor 10 Jahren habe sich die Familie Brüser für ein Grundstück in der neuen Olper Mitte beworben. Bisher ist jedoch bekanntlich nichts passiert. „Einerseits werden Ärzte auf dem Land gesucht, andererseits wird dafür nicht genügend getan“, so Brüser. Hier baue er auf eine verstärkte Unterstützung der Stadt Olpe.

>>> BERUF WIRD ALS PRIVILEG VERSTANDEN

  • Mit der Chronik möchte sich Dr. Sebastian Brüser bei seinen Vorfahren, vor allem aber auch bei seinen Angestellten und Patienten bedanken. „Ich empfinde es als Privileg, dass ich den Beruf des Hausarztes so erfahren durfte, wie er von seinem Ursprung her war und ihn bis heute so ausüben kann.“
  • Die Praxis ist am 1. April wie gewohnt geöffnet. Brüser: „Wer mit uns anstoßen möchte, ist herzlich – unter den aktuell geltenden Infektionsregeln – in der Mittagszeit willkommen.