Olpe. Die Tat schlug emotional hohe Wellen. Die Staatsanwältin hatte für das Töten der Mauersegler in Olpe eine Bewährungsstrafe gefordert.
Es war eine Tat, die für Bestürzung und Fassungslosigkeit gesorgt hatte. Ein 36-Jähriger soll in der Nacht zum 16. Juli 2020 ein massives Vorhängeschloss aufgebrochen und so in eine Hohlkammer unter der Talbrücke Ronnewinkel eingedrungen sein. Dann soll er das Licht eingeschaltet und 15 aufgeschreckte Mauersegler mit einer Dachlatte erschlagen und auf sie eingetreten haben, als sie am Boden lagen. Zudem soll er dort einen Werkzeugkoffer mit einem Chip-Lesegerät, einer Stirnlampe und einer Präzisionswaage entwendet haben. Dem polizeibekannten Mann aus Olpe wirft die Staatsanwaltschaft einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und Diebstahl in einem besonders schweren Fall vor.
++++ Lesen sie auch: Ferienpark in Attendorn: Ärger um Zufahrtsstraße ++++
Bei den Brutstätten in der Brücke handelte sich um ein Forschungsprojekt der Uni Siegen. Ziel war es, das Verhalten und die Lebensgewohnheiten der unter Artenschutz stehenden Mauersegler zu beobachten. Beim Verhandlungstermin am 20. Dezember 2021 im Olper Amtsgericht schwieg der 36-Jährige zu den Vorwürfen. Außerdem soll er im Dezember 2021 mit einem nicht versicherten Mofa in Olpe unterwegs gewesen sein und zum Tatzeitpunkt keine Fahrerlaubnis besessen sowie Drogen konsumiert haben. Bei einer Polizeikontrolle wurden bei ihm Ende April 2021 drei Gramm Marihuana und ein Gramm Amphetamin sichergestellt.
Bis zu drei Jahren
Nach Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis drei Jahre bestraft, wer „ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet“.
Beim Einbruch in den Olper Bahnhof handelt es sich um einen versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall. Hierfür sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu siebeneinhalb Jahren vor.
Mittlerweile gibt es noch eine weitere Anklage: Im April 2021 soll der Mann mit einem Beil eine Gleisscheibe am alten Bahnhof in Olpe eingeschlagen haben. Beute machte er in dem leeren Gebäude nicht.
Polizei führt Zeugen vor
Durch einen 27-Jährigen war die Polizei dem Angeklagten auf die Spur gekommen. Er habe bei Facebook von der Tat gelesen und Kontakt zu in Olpe wohnenden Freunden aufgenommen, hatte der Mann gesagt. Einer habe berichtet, dass der Angeklagte von seiner Tat erzählt habe. Richter Richard Sondermann hatte die Verhandlung im Dezember 2021 ausgesetzt, um an einem neuen Termin diesen entscheidenden Zeugen zu hören. Am Dienstag wurde der Prozess jetzt neu aufgerollt.
Der Angeklagte schwieg erneut zu den Vorwürfen. Da der 29-jährige Zeuge nicht erschienen war, ließ ihn Richter Richard Sondermann von der Polizei vorführen. Der Olper bestätigte, dass ihm der Angeklagte gesagt habe, dass er in eine Brücke bei der Bigge einsteigen wolle und einen Bolzenschneider versteckt habe. Ein DNA-Gutachten hatte später ergeben, dass eindeutige Spuren des Angeklagten an der Dachlatte waren.
„Wir untersuchen die Mauersegler-Kolonie schon seit Jahren“, sagte die für das Forschungsprojekt der Uni Siegen zuständige Prof. Dr. Klaudia Witte. Es habe viele positive Reaktionen auf dieses Langzeitprojekt gegeben, „weil Mauersegler sehr schöne Vögel sind. Sie fliegen bei Sonnenuntergang in die Brücke rein und übernachten da.“ An jenem 16. Juli 2020 fiel die Professorin bei der grausamen Entdeckung dann aus allen Wolken: „Das war ein Massaker.“ Ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter, der über das Projekt promoviert, war im Gerichtssaal den Tränen nahe: „Ich war komplett fertig. Das hat massive Auswirkungen auf die Brut-Kolonie.“ Wegen der Tat muss er seine Promotion um zwei Jahre verlängern.
Erheblicher Rückschlag
Nach der umfassenden Beweisaufnahme hätten sich die Vorwürfe aus der Anklage bestätigt, so die Staatsanwältin: „Es war ein massiv hoher Schaden. Die Arbeit muss um zwei Jahre verlängert werden. Es war ein extrem brutales Vorgehen und eine große Rücksichtslosigkeit.“ Die Staatsanwältin plädierte für 14 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung und 1500 Euro Geldbuße. Die Verteidigerin bat um eine milde Strafe.
+++ Lesen Sie auch: Corona-Lockerungen: Die Regelungen im Überblick +++
Richter Richard Sondermann griff durch. Er verurteilte den 36-Jährigen zu 14 Monaten Freiheitsstrafe, aber ohne Bewährung. „Besonders strafverschärfend ist zu berücksichtigen, dass es sich hier um ein Artenschutzprojekt handelt und dass das Forschungsprojekt der Uni Siegen einen erheblichen Rückschlag erlitten hat“, sagte der Richter. Die Tat habe auch Folgen für den Doktoranden gehabt. Besondere Umstände für den Angeklagten gebe es nicht: „Er ist bereits in vielfältiger Weise in Erscheinung getreten. Die Strafe ist zu verbüßen.“