Gerlingen/Olpe. Das Team aus dem Kreis Olpe kommt mit ihren Lkws nur bis ins Grenzgebiet. Auf der Fahrt erfahren sie, dass sie keinen Militärschutz bekommen.
„Es ist als Hilfsaktion gestartet – und entwickelt sich allmählich zum Abenteuer meines Lebens.“ Als der Krieg in der Ukraine ausbricht, zögert Christoph Weingarten nicht lange. Er möchte helfen, aktiv werden. Innerhalb weniger Tage organisiert der Polizeibeamte aus Gerlingen eine große Spendenaktion. Nahrung, Kleidung, Decken, Schlafsäcke, medizinische Hilfsmittel – die Menschen im Kreis Olpe spenden tonnenweise überlebenswichtiger Güter. Am Samstag ist Weingarten zusammen mit einem Hilfskonvoi – bestehend aus einem Lkw und fünf Sattelzügen – von Olpe in Richtung Osten aufgebrochen. Ihr Ziel: Czernowitz im Südwesten der Ukraine. Doch die Stadt, die in einem humanitären Korridor gelegen ist, bleibt für den Konvoi unerreichbar.
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Fehlender Militärschutz – Konvoi macht in Zentralpolen Halt
„Auf der Fahrt ist zu uns durchgesickert, dass wir wohl keinen Militärschutz bekommen werden“, so Weingarten. Zumindest ab der polnisch-ukrainischen Grenze sollten bewaffnete Militärtruppen den Hilfskonvoi aus Olpe begleiten, um dem Team Schutz zu gewährleisten. „Als klar war, dass das nicht passieren wird, muss man einfach den Kopf einschalten. Wir können nicht in ein Kriegsgebiet fahren ohne jeglichen Schutz“, betont Weingarten. Also: Planänderung. Statt die dringend notwendigen Hilfsmittel direkt nach Czernowitz zu bringen, bleibt der Hilfskonvoi vorerst in Pabianice, eine knapp 70.000-Einwohner-Stadt in Zentralpolen. Dort sind Weingarten und sein Team im Laufe des Sonntags angekommen.
In Pabianice machte sich zunächst Enttäuschung breit. „Als wir an der Halle ankamen, wo wir die Spenden verladen sollten, standen gerade mal fünf Leute parat, um mit anzupacken. Wie soll man mit so wenigen Leuten mehrere Tonnen verladen?“ Doch Grzegorz Mackiewicz, der Bürgermeister von Pabianice, konnte die Truppe aus Olpe beruhigen. „Er meinte zu uns, dass wir uns keine Gedanken machen sollten, in zehn Minuten sähe das schon ganz anders aus“, sagt Weingarten. Und tatsächlich: Ein paar Minuten später standen 75 Helfer parat, um die Spenden von den Lkws in die Halle zu bringen. Von dort aus sollen sie schließlich an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht werden.
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„Wir wissen nicht, wie lange unsere Reise dauert. Ob noch ein Tag oder noch eine Woche“, erzählt Weingarten, der zum Zeitpunkt des Gesprächs in einem Hotel in Pabianice untergekommen ist. Am Montag wolle man zur Grenze aufbrechen, wahrscheinlich in Richtung Chelm. Denn vor allem die medizinischen Hilfsmittel werden dringend gebraucht. „Ich bin mir sicher, dass die Ukrainer für uns Dasselbe tun würden, wenn bei uns Krieg ausbrechen würde. Davon bin ich fest überzeugt“, meint Weingarten. Es ist diese menschliche Verbundenheit, der Optimismus und der unerschütterliche Glaube an das Positive, was Christoph Weingarten und sein Team antreibt.
Familie telefoniert jeden Tag per Video
Fährt die Angst mit? „Natürlich. Aber wir können die Menschen nicht sich selbst überlassen“, meint Weingarten. Im Grunde sei seine Frau Initiatorin der ganzen Aktion gewesen. „Und auch, wenn es ihr wahrscheinlich lieber wäre, dass ich erst gar nicht fahre, weiß sie gleichzeitig, wie wichtig das ist. Außerdem: Als Frau eines Polizisten ist sie gewissen Kummer gewohnt“, sagt Weingarten und lacht. Mindestens ein Mal am Tag telefonieren sie miteinander. Wenn es die Verbindung zulässt, nutzen sie Videotelefonie. „Vor allem ist es wichtig, dass ich meine Kinder sehe und sie mich. Die wollen schließlich auch, dass Papa wieder heile nach Hause kommt.“ Der vierfache Vater ist froh und dankbar für sein familiäres „Backup“. „Jeder von uns, auch meine Kleinsten, wissen, wie wichtig Hilfsbereitschaft in dieser Situation ist.“ Auch seine jüngsten Töchter haben am Freitagnachmittag beim Verladen in Olpe geholfen.
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Die meisten Freunde und Bekannte hält Weingarten aktuell per WhatsApp-Status auf dem Laufenden. „Das habe ich mir mittlerweile so angewöhnt. Weil ich anfangs mit Nachrichten und Anrufen bombardiert wurde.“ Zeitweise habe er über 130 Anrufe pro Tag erhalten, weil jeder wissen wollte, wo er grade ist und wie es ihm geht. „Wenn ich das jetzt ein Mal in meinem WhatsApp-Status teile, weiß jeder sofort Bescheid. Das entlastet enorm.“ Damit kann sich Christoph Weingarten besser auf das konzentrieren, wofür sein Herz schlägt: den Menschen in Not und Verzweiflung zu helfen.