Kirchhundem. Der Gemeinderat Kirchhundem hat neue Windvorrangzonen beschlossen. Die größten Flächen liegen bei Heinsberg. Die Bürger sind nicht begeistert.
Der Gemeinderat Kirchhundem hat am Donnerstag Fakten geschaffen: In drei Vorrangzonen, südlich und südöstlich von Heinsberg, an der Gemeindegrenze zu Olpe bei Kruberg und - als Reservefläche - nördlich von Rahrbach, will die Gemeinde Windräder zulassen. Mit den Stimmen der CDU und drei Stimmen der SPD segnete der Gemeinderat diese drei Vorrangzonen für Windkraft mit insgesamt 650 Hektar Fläche ab, die nun in einem Teilflächennutzungsplan festgezurrt werden sollen. UK- und Grünen-Fraktion sowie Martin Schädler (SPD), insgesamt sieben Ratsmitglieder, stimmten dagegen.
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In zwei Sitzungen des Fachausschusses für Bauen, Umwelt und Gemeindeentwicklung (ABuG) waren die Beschlüsse detailliert vorbesprochen worden. Doch eine Ergänzungsvorlage der Verwaltung, die die Gemeindevertreter- und innen erst am Mittwoch erreicht hatte, befeuerte die Diskussion erneut. Vor allem Christoph Henrichs (UK) witterte ein abgekartetes Spiel. Denn die Karte mit den künftigen Windkraftzonen wurde gegenüber der Karte, die in der letzten ABuG-Sitzung beschlossen wurde, verändert. In der neuen Karte seien die Windkraftflächen südlich und südöstlich von Heinsberg um einige Hektar erweitert worden. Dies sei „glatte Überrumpelung und nicht rechtskonform“. Henrichs forderte deshalb die Absetzung des Tagesordnungpunkts, sein Antrag wurde aber abgelehnt.
Hitzige Debatte
In der folgenden Debatte wurde der Heinsberg noch deutlicher: „Hier sind Projektierer zusammen mit Waldbesitzern unterwegs, die sich in Personalunion in der Jagdgenossenschaft, in der Forstbetriebsgemeinschaft und im Rezessverein-Wegeinteressengemeinschaft in den Vorstände befinden und dies dazu nutzen, ihren eigenen finanziellen Nutzen daraus zu ziehen - woanders nennt man das sizilianische Verhältnisse“, sagte Henrichs sichtlich erregt. Mit der Mehrheitsfraktion im Rücken erwarteten jetzt diese Waldbesitzer mit den finanzkräftigen Windradfirmen, „dass wir vom Rat ihre Flächen ausweisen, weil sie ja dafür schon soviel Geld ausgegeben hätten“, sagte der Heinsberger und nannte in dem Zusammenhang die Rothaarwind GmbH, die südlich von Heinsberg zehn neue Windräder bauen will. Das Pikante dabei: Durch die neue Karte rutschen einige bereits benannte Windrad-Standorte nachträglich in die Vorrangzone. Dr. Joachim Roloff (UK): „Das wirft Fragen auf, das ist nicht in Ordnung.“
Später nahm Henrichs die „sizilianischen Verhältnisse“ zurück, entschuldigte sich für die emotionalen Äußerungen. Er appellierte dennoch an seine Ratskollegen, nicht einfach die Hand für 250 Meter hohe „Windmonster“ in der Gemeinde zu heben. Die Zuhörer, die meisten aus dem Raum Heinsberg, applaudierten.
Schutzgut Mensch
CDU-Fraktionschef Michael Färber sagte, er sei betroffen, solche Äußerungen vergifteten die Atmosphäre im Rat. Für die CDU stehe das Schutzgut Mensch, also der größtmögliche Abstand zu Wohnsiedlungen und Dörfern, im Vordergrund. „Wir sind hier nicht auf einem Basar, sondern müssen uns nach den Kriterien richten“.
Bürgermeister Björn Jarosz versuchte zu erklären, wie es zu der neuen Karte gekommen sei. Die neue Windkarte sei im AbuG genau so besprochen worden. Kirchhundems langjähriger Windkraftberater Alexander von Frantzius habe dies hinreichend erklärt, dass die Karte im Bereich Heinsberg zu grob dargestellt und modifiziert werden musste. Außerdem sei die Fläche noch weiter entfernt von der Ortschaft Heinsberg als andere in der Vorrangzone. Die UK blieb bei ihrem Verdacht. Nur Fachplaner von Frantzius selbst hätte die Sachlage in der Sitzung aufklären können. Der Aachener war aber in der Sitzung im Gegensatz zum AbuG nicht zugeschaltet. Die UK will nun die Kommunalaufsicht beim Kreis Olpe einschalten, ob es rechtens ist, dem Rat einen abgeänderten Beschlussvorschlag aus dem AbuG vorzulegen.
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Die Debatte bildete einen Querschnitt der öffentlichen Meinung zur Windkraft ab. Einige verteufeln sie, anderen sehen sie in der Klimawende als unverzichtbar. Anne Szymczak (Grüne) forderte einen Stopp der Planung, weil es keine gesetzliche Grundlage gebe und einige der Tabukriterien haltlos seien. Sie beantragte einen Bürgerwindpark als Ziel zu verfolgen. Der Antrag scheiterte später. Die Vorrangflächen seien zudem viel zu klein. Christoph Tröster (SPD) erntete Buh-Rufe aus dem Publikum: „Warum sehen wir Windräder so kritisch, wir müssen jetzt handeln, die Zeit drängt“, sagte er. Die UK beantragte eine geheime Abstimmung, konnte sich mit dem Antrag aber nicht durchsetzen. Somit hat die Gemeinde nun grünes Licht, den Teilflächennutzungsplan voranzutreiben.