Wenden/Burbach. 80 Katzen lebten bei den Haltern in Burbach. Viola Zimmermann aus Heid organisierte die Vermittlung – und übt scharfe Kritik am Veterinäramt.

„Ich bin ein Mensch, der nur schwer soziale Ungerechtigkeit aushalten kann. Ich kann nicht weggucken“, meint Viola Zimmermann. Die Wendenerin engagiert sich seit Jahren im Tierschutz. Vor allem das Wohl der Katzen liegt ihr am Herzen. In ihrem Haus in Heid hat sie eine Pflegestelle für wilde Katzen eingerichtet, die sie kastrieren lässt und schließlich weitervermittelt. Ihr Engagement ist emotional belastend und tut manchmal weh. So wie ihr Einsatz vergangene Woche, als sie rund 65 Katzen aus einem „Animal Hoarding“-Haus in Burbach befreite.

Viola Zimmermann aus Wenden arbeitet als Opernsängerin und engagiert sich ehrenamtlich im Tierschutz. 
Viola Zimmermann aus Wenden arbeitet als Opernsängerin und engagiert sich ehrenamtlich im Tierschutz.  © Privat

80 Katzen innerhalb von vier Jahren

Anfang Januar stieß Zimmermann auf einen Post in einer Facebook-Gruppe für Katzenvermittlungen in NRW. Es war ein Hilferuf seitens der Halter. Über 60 Katzen befanden sich zu diesem Zeitpunkt in dem Haus in Burbach. Viele waren befallen von Würmern und Flöhen, unterernährt, einige hatten blutige Bisswunden. Die Halter hatten sich vor vier Jahren einen Kater geholt, diesen aber nicht kastrieren lassen. Er hatte sich mit einer Streunerkatze gepaart, die Kitten wurden am Haus in Burbach zurückgelassen. Es kam zu immer weiteren Paarungen und Inzucht. Bis zum Schluss 80 Katzen in dem Haus lebten. Allesamt unkastriert.

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Das Veterinäramt des Kreises Siegen-Wittgenstein wurde im vergangenen Herbst auf den Fall aufmerksam und schritt ein – indem es 15 Tiere aus dem Haus holte und sie an andere, private Halter vermittelte. „Das Veterinäramt war zum ersten Mal im September 2021 vor Ort. Zu dem Zeitpunkt lebten 45 Katzen in dem Haus, sodass wir den Bestand um ein Drittel reduziert haben“, erklärt Manuel Freudenstein von der Pressestelle des Kreises Siegen-Wittgenstein. Dass es nach dem ersten Besuch zu weiteren, unkontrollierten Deckungen gekommen sei, sodass sich die Population zwischenzeitlich auf 80 Katzen erhöhte, sei jedoch theoretisch möglich gewesen.

Viola Zimmermann kann die Vorgehensweise des Veterinäramtes nicht nachvollziehen. „Man hat den Menschen, die Hilfe nötig hatten und sie auch eingefordert haben, nicht geholfen. Ihnen wurde lediglich gesagt, dass sie die Katzen ‚reduzieren‘ müssen.“ Der Amtsveterinär habe ihnen in diesem Zusammenhang geraten, die gesunden Katzen auf einer Online-Plattform zum Verkauf anzubieten. Für Viola Zimmermann eine untragbare Aussage: „Nicht nur, weil die Katzen offensichtlich krank waren und es verboten ist, kranke Tiere zu verkaufen. Sondern auch, weil nicht erkannt wurde, dass es sich um psychisch kranke Menschen handelt, die nicht in der Lage sind, so eine Situation allein zu regeln.“ Die Besitzerin sei beispielsweise wegen ihrer schweren Depression arbeitsunfähig.

Veterinäramt: „Es hat kein Straftatbestand vorgelegen“

Laut Freudenstein habe das Veterinäramt jedoch keine rechtliche Handhabe gehabt, alle Tiere aus dem Haus zu nehmen. „Es hat kein Straftatbestand gemäß Tierschutzgesetz vorgelegen.“ Erst, wenn ein totes Tier aufgefunden oder beobachtet worden wäre, wie ein Tier erhebliche Schmerzen erleidet, hätte die Behörde einschreiten dürfen. Die oberflächlichen Verletzungen in Form von Bisswunden seien durch typische Rangkämpfe zu erklären. Wurm- oder Flohbefall konnte nicht festgestellt werden, weil die Tiere nicht untersucht wurden. Auch dazu fehlte dem Veterinäramt die rechtliche Basis.

Einige Kater haben durch Rangkämpfe Bisswunden erlitten.
Einige Kater haben durch Rangkämpfe Bisswunden erlitten. © Privat

Viola Zimmermann wirft der Behörde vor, dass sie die Halter zusätzlich unter Druck gesetzt hat. „Ihnen wurde eine Frist bis zum 31. Dezember 2021 gesetzt. Für jede weitere Katze, die darüber hinaus in dem Haus gelebt hätte, wäre eine Strafe von 300 Euro fällig geworden. Das heißt, die Halter hätten über 18.000 Euro Strafe zahlen müssen. Das hätte sie in die Privatinsolvenz getrieben“, so Zimmermann. Das Veterinäramt bestreitet das. „Wir hätten die Anordnung durchaus mit einem Zwangsgeld belegen können. In diesem Fall hielten wir das allerdings nicht für das geeignete Mittel“, so Freudenstein. Man hätte lediglich eine „Ersatzvornahme“ durchsetzen können.

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In ihrer Verzweiflung wendeten sich die Besitzer an die Facebook-Gruppe „Katzenvermittlung Nordrhein-Westfalen“, die Notfälle aus dem Tierschutz vermittelt. Als Viola Zimmermann diesen Aufruf sah, reagierte sie sofort. Sie koordinierte Hilfe, fuhr selbst mit einer Freundin in der vergangenen Woche nach Burbach, um sich ein Bild vor Ort zu machen. „So etwas hatte ich noch nie erlebt. Es gab kaum noch Möbel und die waren in einem sehr schlechten Zustand. Am schlimmsten war der Gestank. Der beißende Geruch von Katzenurin“, beschreibt Zimmermann. „Seitdem konnte ich nicht mehr schlafen.“

Tierheime aus ganz Deutschland

Viola Zimmermann startete einen Facebook-Aufruf, in dem sie fragte, welche Vereine bzw. Pflegestellen die verbliebenen Katzen und Kater aufnehmen könnten. „Die Resonanz war riesig. Es haben sich so viele Tierheime und Tierschutzorganisationen aus ganz Deutschland bei mir gemeldet. Ich hatte zwischenzeitlich 400 Nachrichtenanfragen im Postfach.“ Vergangenen Samstag hätte Zimmermann eigentlich einen Auftritt als Opernsängerin im Landestheater Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) gehabt. Aufgrund der hohen Inzidenzzahlen wurde die Aufführung jedoch abgesagt. Stattdessen kümmerte sich Zimmermann nun um das „Animal Hoarding“-Haus. „Vielleicht war es auch eine glückliche Fügung“, sagt sie.

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Seit dem vergangenen Wochenende ist das „Animal Hoarding“-Haus wieder ein ganz gewöhnliches Haus. Die Tierheime in Oldenburg, Troisdorf und Aurich hatten viele Katzen aufgenommen. Vier Tiere blieben in der Obhut der Halter. Der Tierschutzverein hatte die Kosten für die Kastrationen übernommen. Viola Zimmermann ist es wichtig, nicht zu bewerten, den Haltern keine Vorwürfe à la „wie konnte es nur so weit kommen?“ zu machen. Es sei eine Krankheit (siehe Infobox), die als solche erkannt werden müsse. Auch – oder vielleicht gerade – vom Veterinäramt.

>>> SYMPTOM EINER PSYCHISCHEN ERKRANKUNG

  • Die Bundespsychotherapeutenkammer beschreibt „Animal Hoarding“ als ein Symptom einer psychischen Erkrankung. Betroffene halten Tiere in einer großen Anzahl, können sie aber nicht mehr angemessen versorgen. Es fehlt an Futter, Wasser, Hygiene, Pflege und Versorgung. Die Halter erkennen jedoch nicht, dass es den Tieren in ihrer Obhut schlecht geht.
  • Tierhorter leiden oft auch an Selbstvernachlässigung – ein Symptom für Depression.