Milstenau. Josef Belke (69), Landwirt aus Attendorn, erinnert sich an Kyrill zurück. Der Sturm fegte vor 15 Jahren auch über den Kreis Olpe hinweg.
Eigentlich hat Josef Belke an diesem Samstag gar keine Zeit. Der 69-Jährige aus Milstenau, der sich als „aktiver Unruheständler“ beschreibt, ist auf der Baustelle seines Sohnes Wilhelm im Einsatz. Der Älteste hat den Hof Belke zusammen mit Ehefrau Claudia übernommen und dort unter anderem eine Außenwohngruppe des Josefshauses Olpe (GFO) eingerichtet, in der zurzeit acht Kinder leben und am Hofalltag teilnehmen.
Aber auf seine Familie kann sich der staatlich geprüfte Landwirt verlassen. Und so springt während des Pressetermins der jüngste Sohn Johannes, der gleich nebenan eine Tischlerei betreibt, für den Vater ein. Schnell sind wir beim Thema. Fast jeden Tag ist der Milstenauer, der schon als kleiner Junge den Vater in den Familienwald begleitet hat und mit zwölf Jahren sein erstes Beil geschenkt bekam, im Forst unterwegs. Natürlich dreht sich beim Gespräch vieles um den Jahrhundert-Orkan Kyrill, der vor 15 Jahren auch die Baumbestände der Belkes durchgeschüttelt hat.
Halbwegs gut verkraftet
„Kyrill haben wir noch einigermaßen verkraftet“, berichtet Josef Belke. Zu seinem Hof gehören 20 Hektar Forst und 12 Hektar landwirtschaftliche Fläche. „Wir sind ein kleiner Betrieb“, sagt der 69-Jährige, der bis zur Rente im Vertrieb eines Futtermittelunternehmens gearbeitet hat. Was den ehemaligen Stadtverordneten, der für die CDU als sachkundiger Bürger im Forstausschuss sitzt, aber umtreibt und große Sorgen bereitet, sind die Folgen des Klimawandels für die zukünftigen Generationen.
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Zurück zu Sturm Kyrill, der vom 18. bis 19. Januar 2007 auch über die kleine Ortschaft Milstenau bei Attendorn hinwegfegte. Es gibt einen Moment, an den Josef Belke „fast täglich denken muss“. Große Sorgen hatte sich Belke, der an diesem Tag geschäftlich in Ostwestfalen unterwegs war, trotz der Warnungen nicht gemacht. „Solange die Radfahrer fahren, kann ich auch mit dem Auto unterwegs sein“, dachte er sich. Aber nach einem Anruf seiner Frau machte sich Josef Belke doch auf den Weg nach Hause. Dort ging alles ganz schnell.
Hof im Nebenerwerb
Der Hof ist ein im Nebenerwerb bewirtschafteter landwirtschaftlicher Betrieb und bietet laut Homepage „ein umfangreiches umwelt- und naturpädagogisches Programm an.“Weiter heißt es: „Neben den verschiedenen Tierarten wie Schweine, Schafe, Pferde, Hühner, Gänse, Esel, Hunde, Katzen, Honigbienen gehören Ackerbauflächen für den Getreideanbau, Wiesen, Wald und ein Gemüse- und Kartoffelfeld zum Hof.“ Bei den Belkes wird auch unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften geschlachtet.
Als der gelernte Landwirt am Abend draußen nach dem Rechten sehen wollte und die Hoftür aufmachte, sah er, wie nur 70 Meter entfernt die ersten Fichtenstämme „wie Streichhölzer umknickten“. Die Fichten hatte die Familie vor 45 Jahren gepflanzt. In der Nacht war an Schlaf nicht zu denken, zu groß waren die Sorgen um den Baumbestand – das „Sparbuch“ für die nächste Generation. Erst nach einigen Tagen konnten sich Josef Belke und sein Sohn Wilhelm eine Übersicht über die Schäden machen. „Wir sind stundenlang durch den Wald geklettert“, erinnert sich der Milstenauer. Besser gesagt: durch das, was vom Wald noch übriggeblieben war.
Bauholz damals wie heute begehrt
Die meisten Wege waren unpassierbar, die Stämme lagen wie Mikadostäbchen über- und nebeneinander. „Es gab keinen Bestand, der nicht betroffen war“, standen die Belkes buchstäblich vor einem forstwirtschaftlichen Trümmerfeld. Kein Wunder, dass der „Forstwirt aus Leidenschaft“ Tränen in den Augen hatte. Denn neben dem materiellen Schaden gab es ja noch einen ideellen. Bei der Wiederaufforstung hat Josef Belke versucht, „aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, auch von mir selber“. Die Familie hat Douglasien, Buchen, Ahorn und Eichen neu angepflanzt, aber auch Fichten. „Ich bin nach wie vor ein Freund der Fichte“, betont der 69-Jährige. Aber nicht mehr an jedem Standort.
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Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, vor vielen Jahrzehnten im großen Maße auf die Fichte zu setzen, den Brotbaum der Wald- und Forstwirte. Das weiß Belke natürlich. Der Milstenauer wehrt sich allerdings entschieden gegen pauschale Vorwürfe mit dem heutigen Wissen. Auch sein Vater hat sehr viele Fichten angepflanzt. Damals wie heute war Bauholz heiß begehrt. „Es gibt kein Evangelium für irgendeine Baumart. Es kann keiner eine Garantie geben“, weiß Josef Belke, der sich im Forstausschuss intensiv mit dem Thema Aufforstung beschäftigt. „Der Stadtwald ist platt“, macht sich der Christdemokrat angesichts der riesigen Kahlflächen rund um Attendorn nichts vor.
Auf den 20 Hektar der Belkes sieht es nicht ganz so dramatisch aus. Auch wenn sich am Wegrand die vom Borkenkäfer zerstörten Baumstämme stapeln. Als Hackschnitzel findet das Holz auf dem Hof noch eine sinnvolle Verwendung. Wie es im Wald seiner Enkel und deren Kinder einmal aussehen wird, weiß auch Josef Belke nicht. Auch Laubwälder leiden unter den Folgen des Klimawandels. „Im Hochsauerlandkreis wurden ganze Eichenwälder plattgemacht, sind Buchen umgefallen“, hat Belke beobachten müssen. Und vor drei Jahren hat er beim Spaziergang durch einen Laubwald „zum ersten Mal den Himmel gesehen“, so geschädigt war das Blätterwerk.