Olpe. Eine Frau hatte eine Vergewaltigung in Olpe angezeigt. Danach kamen Zweifel auf. Gegen die Frau wurde ermittelt. Nun der Freispruch.
„Es bleiben Zweifel“, betonte Richter Richard Sondermann nach der mehr als dreieinhalbstündigen Beweisaufnahme. Aber dann sprach der Richter am Amtsgericht Olpe die 38-jährige Angeklagte vom schwerwiegenden Vorwurf frei, eine Vergewaltigung vorgetäuscht zu haben. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Siegen hatte zuvor eine sechsmonatige Freiheitsstraße zur Bewährung und eine Geldbuße in Höhe von 3.500 Euro gefordert. Rechtsanwalt Martin Kretschmer plädierte für seine Mandantin auf Freispruch.„
Es bleibt ein fader Beigeschmack. Aber was ich nicht sagen kann, ist, dass sie die Vergewaltigung vorgetäuscht haben“, wandte sich Richter Richard Sondermann in seiner Urteilsbegründung an die Angeklagte. Polizei und Staatsanwaltschaft hätten zwar „zahlreiche Indizien“ gesammelt, aber es gibt nach Ansicht von Sondermann „keine unmittelbaren Beweismittel“, die für eine Vortäuschung der Vergewaltigung sprechen würden.
Mann mit slawischem Akzent
Die Tat am 25. Januar 2021 in einem Bürogebäude In der Trift in Olpe hatte für Aufsehen gesorgt. Die Frau wurde gefesselt und benommen auf dem Boden eines Besprechungsraumes gefunden. Wie die Frau später bei der Polizei angab, sei sie etwa eine Stunde zuvor von einem vermummten Mann mit slawischem Akzent erst mit Kabelbindern gefesselt und dann vergewaltigt worden. „Kein Wort, sonst tot“, schilderte sie in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Olpe die Bedrohungslage.
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Nach einer gynäkologischen Untersuchung im Krankenhaus wurde die 38-Jährige von der Polizei vernommen. Den ermittelnden Beamten kamen aufgrund der Aussagen der Frau, der Spurenlage und auch der Art der Fesselung Zweifel an einer Vergewaltigung auf. Ihr Verdacht wurde erhärtet, als sie auf dem Handy der späteren Angeklagten Hinweise fanden, dass sie zwei Tage vor der Tat unter den Stichworten „Vergewaltigungsnachweis“ und „gynäkologische Untersuchung nach einer Vergewaltigung“ gegoogelt habe.
Die Suchanfragen im Internet bezeichnete auch Richter Sondermann als „merkwürdig“. „Meine Frau hat sich immer wieder mit dem Thema Missbrauch beschäftigt“, sagte der als Zeuge geladene Ehemann. Zuvor hatte die nach eigenen Angaben unter Depressionen leidende Angeklagte von einem „Missbrauch in der Jugendzeit“ gesprochen und das als Motiv für ihre Internetsuche angegeben.
Selbstversuche von Polizeibeamtinnen
Die Suche der Polizei nach dem untersetzten Unbekannten, der die Tat mit Arbeitshandschuhen begangen haben soll, blieb ohne Erfolg. Dafür geriet das Opfer immer mehr unter Verdacht. Polizeibeamtinnen unternahmen sogar Selbstversuche, um zu beweisen, dass sich die Frau selbst mit den Kabelbindern festgebunden haben könnte. Verdächtigt wurde sie zudem, sich die oberflächlichen Schnittwunden im Gesicht und am Gesäß selbst beigebracht zu haben.
Bei Durchsuchungen am Arbeitsplatz und der Wohnung wurden handelsübliche Kabelbinder und ein Messer gefunden. Aber auch das waren für Richter Richard Sondermann keine stichhaltigen Beweise, zumal der Mann, der die Frau morgens im Bürogebäude gefunden hatte, dafür eine plausible Erklärung liefern konnte.
Kurzum: Trotz offensichtlicher juristischer Bauchschmerzen sprach Richter Richard Sondermann die 38-Jährige nach dem Motto „im Zweifel für die Angeklagte“ vom Vorwurf der Vortäuschung einer Straftat frei. Rechtsanwalt Martin Kretschmer war sich seiner Sache vorher sicher gewesen, als er fragte: „Woher wissen wir eigentlich, dass die Vergewaltigung so nicht stattgefunden hat?“