Kreis Olpe. Bei der Sauerland-Klassik steckt hinter jedem Auto eine Geschichte. Eines verlangt dem Fahrer alles ab, ein anderes gehörte mal Günther Jauch.

Das beste Auto bei einer Oldtimer-Rallye gibt es nicht, alle Modelle, Marken und Ausführungen sind mindestens 26 Jahre, einige deutlich älter und damit seltener, viele Fahrzeuge haben eine besondere Geschichte und ein im wahrsten Sinne bewegtes Leben. Trotzdem gibt es im Starterfeld der diesjährigen Sauerland-Klassik Modelle und Typen, die ein bisschen herausragen zwischen den zahlreichen historischen und zum Teil toll restaurierten Porsche, BMW oder Mercedes-Benz.

Einer von ihnen ist der „American La France“ aus dem Jahr 1918, der gleichzeitig das älteste Auto im Feld ist. Der schnelle Blick auf Fahrer, Beifahrer und Fahrzeug irritiert, scheinen die Proportionen hier nicht zu stimmen. Tatsächlich sind viele American La France umgebaute Feuerwehrwagen und damit entsprechend groß. Das Modell Type 12 der Sauerland-Klassik trägt als spät genanntes Team zwar die Startnummer 107, wird jedoch als zweites Fahrzeug hinter der Nummer 1 auf die Strecke gehen.

Das älteste Fahrzeug im Feld. Der American La France aus dem Jahr 1918 erscheint auf dem ersten Blick wie aus einer anderen Welt. Knapp sechs Meter Länge, über 14000 ccm Hubraum und ohne jede Lenkunterstützung verlangen vom Fahrer eine ordentliche Kondition. Zur Sauerland Klassik reist das Team dennoch auf Achse.
Das älteste Fahrzeug im Feld. Der American La France aus dem Jahr 1918 erscheint auf dem ersten Blick wie aus einer anderen Welt. Knapp sechs Meter Länge, über 14000 ccm Hubraum und ohne jede Lenkunterstützung verlangen vom Fahrer eine ordentliche Kondition. Zur Sauerland Klassik reist das Team dennoch auf Achse. © WP | Privat

Mit stattlichen sechs Metern Länge und einem Hubraum von 14500 ccm spielt das Modell ohnehin in einer anderen Liga, Fahrer Richard Gebert hat aber nicht nur mit den puren Maßen zu kämpfen, ohne Servounterstützung und jeglichen Wetterschutz sind er und seine Beifahrerin auch jedem Wetter ausgesetzt. Dass die Anreise aus dem heimischen Frankenland dann noch auf Achse erledigt wird, toppt seinen Einsatz noch einmal. Einen Anhänger in dieser Größe gäbe es ohnehin nicht.

Spektakulär sind wie immer auch die Auftritte der „Bentley-Boys“. Mit Startnummer 1 geht ein Bentley 4,5 Liter Blower von 1931 auf die Reise durch das Land der 1000 Berge.

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Vier Fahrzeuge später rollt das zweitälteste Fahrzeug der Sauerland-Klassik durch den Startbogen am Rathaus von Attendorn, diesmal ein 4,5 Liter Le Mans mit ebenso freistehenden Reifen, einem gewaltigen Motor und einer für heutige Verhältnisse sensationell schönen Karosserie.

Tolle Formen, viel Chrom und noch mehr Platz für Fahrer und Beifahrer. Der Cadillac Club Coupé aus dem Jahre 1942 gehörte auch damals zu den Hinguckern auf den Straßen Amerikas. Heute gibt es davon nicht mehr sehr viele, vor allen Dingen keine so gut erhaltenen Exemplare wie das von Michael und Jana Heinrich aus Zeuthen bei Berlin.
Tolle Formen, viel Chrom und noch mehr Platz für Fahrer und Beifahrer. Der Cadillac Club Coupé aus dem Jahre 1942 gehörte auch damals zu den Hinguckern auf den Straßen Amerikas. Heute gibt es davon nicht mehr sehr viele, vor allen Dingen keine so gut erhaltenen Exemplare wie das von Michael und Jana Heinrich aus Zeuthen bei Berlin. © WP | Privat

Zu den optischen Highlights gehört unter anderem auch ein Cadillac Club Coupé aus dem Jahre 1942. Autos wie dieses, ganz in schwarz, wuchtig und mit viel Chrom, sieht man hierzulande so gut wie gar nicht. Besitzer Michael Heinrich aus der Nähe von Berlin hat das Fahrzeug vor mehr als zehn Jahren ersteigert und dann für Events restauriert und aufbereitet.

Deutlich moderner und schon fast vergessen ist der Opel Kadett Aero, den Opel Classic aus dem Museum in Rüsselsheim mit zur Sauerland-Klassik bringt. Die im Frühjahr 1976 auf dem Genfer Salon vorgestellte Cabrio-Limousine mit Targadach und Kunststoffheckscheibe wurde vom renommierten Karosserieschneider Baur in Stuttgart gefertigt. Opel warb seinerzeit damit, viele Bedürfnisse in einem Wagen vereint zu haben, ein einfach zu verstauendes Cabrio-Dach in einem geräumigen Urlaubs- und Familienauto, das auch problemlos im Stadt- und Berufsverkehr genutzt werden kann.

Insgesamt wurden vom Aero gerade einmal 1242 Fahrzeuge produziert, entsprechend selten ist er heute noch auf der Straße anzutreffen. Ein Grund war damals schon mit Sicherheit sein Preis, gegenüber der Limousine kostete der Aero 5000 DM mehr.

Vom Opel Kadett Aero wurden 1976 nur 1242 Exemplare gebaut, einer davon fährt dieses Jahr bei der Sauerland-Klassik mit.
Vom Opel Kadett Aero wurden 1976 nur 1242 Exemplare gebaut, einer davon fährt dieses Jahr bei der Sauerland-Klassik mit. © WP | Privat

Seltenheitswert hat der Ford Taunus 17M P3 von Reinhard Schade eigentlich nicht, denn mit dem über 650.000-mal gebauten Typ erreichte man fast die Zulassungszahlen von Konkurrent Opel. Der Taunus mit der Startnummer 27 ist aber doch etwas Besonderes. Denn Schade, der für die Lebenshilfe Gießen seit vielen Jahren Oldtimer verlost (ein Los kostet nur 5 Euro) und den Erlös stets Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben zugutekommen lässt, hat auch diesen Wagen gespendet bekommen. Sein vorheriger Besitzer: kein geringerer als TV-Moderator Günther Jauch.

Dieser P3 aus dem Jahre 1962 (5. Preis) kann in diesem Jahr bei der Oldtimer-Spendenaktion gewonnen werden, der neue Eigentümer hat dann einen prominenten Vorbesitzer in den Papieren seines Autos stehen.

Und weil in diesem Jahr gleich zehn verschiedene Oldtimer bei der Spendenaktion der Lebenshilfe Gießen auf einen neuen Besitzer warten, hat Schade zu Werbezwecken gleich zwei weitere Fahrzeuge mit nach Attendorn gebracht, die es ebenfalls zu gewinnen gibt. So startet der Attendorner Bäcker Ralf „Nelli“ König erstmal mit einem Mercedes-Benz 280 SL von 1982 (3. Preis) und der Startnummer 30 bei der Sauerland-Klassik. Drei Autos später geht dann noch das Damenteam Vanessa Stüdemann und Lea Moreen Mader in einem kleinen aber feinen Fiat 850 Limousine (9. Preis) aus dem Jahr 1966 auf die Reise.

Oldtimer aus dem Motorsport am Start

Zur exklusiven Oberklasse gehörte die Flavia (Startnummer 39), die Lancia zwischen 1960 und 1970 auf die Straßen gebracht hat. Der erste italienische Seriensportwagen mit Frontantrieb und Scheibenbremsen an allen vier Rädern. Für Lancia war dieses Modell der Wendepunkt in der Firmengeschichte, denn man konzentrierte sich fortan nicht nur auf Frontantrieb, sondern vertraute ab sofort auf den V-förmig angeordneten Boxermotor.

Für den Motorsport konstruierte Lancia dann unter anderem das Modell Sport, dessen Kleid vom italienischen Design- und Entwicklungsbüro Zagato stammt. Die sportliche Variante „Lancia Zagato Sport“ mit vollständiger Alu-Karosse ist unter Sammlern extrem begehrt, die markante Form und das außergewöhnliche Heck sind sehenswert.

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Mittlerweile sehr selten und damit ebenfalls sehenswert ist ein Rover P6 3500 aus dem Jahr 1969. „P“ stand bei Rover als Kürzel für Nachkriegsmodelle, der P6 ist damit das sechste und letzte Modell, das Rover nach dem Krieg auf den Markt gebracht hat. Der letzte Rover P6 lief im März 1977 vom Band, intern bezeichnete man den Wagen als „The last of line“. Den P6 gab es in den drei Varianten 2000, 2200 und 3500, damit ist das Modell bei der Sauerland-Klassik (Startnummer 52) der hubraumstärkste Motor mit rund 140 PS. Für seine zahlreichen Sicherheitsausstattungen erhielt der Wagen übrigens einige Industriepreise, so zum Beispiel für Sicherheitsgurte an den hinteren Sitzen sowie eine sich abknickende Sicherheits-Lenksäule im Falle eines Unfalls.

Spannend ist auch die Geschichte des Intermeccanica Indra, der zwischen 1971 und 1975 das Licht der Welt erblickte. Das Auto mit europäischer Sportwagenkarosse und US-amerikanischer Großserientechnik beim Antrieb gab es in nur extrem geringer Stückzahl, hergestellt wurden Cabriolets, zweisitzige Coupés sowie ein Fließheck-Coupé. Der Intermeccanica Indra, der bei der diesjährigen Sauerland-Klassik unterwegs ist, wurde in dieser Form nur 40 Mal produziert, je nach Motorenausstattung leistete der Sportler mit der langen und flachen Schnauze bis zu 230 PS.

Der Rallye-Keil aus Italien. Mit dem Stratos HF war Lancia in der Rallye-Weltmeisterschaft lange Zeit das Maß der Dinge. Der kompromisslose Rallye-Bolide leistete in seiner letzten Ausbaustufe knapp 350 PS, der Sound des verbauten Ferrari-Motors ist unverkennbar. Auch Walter Röhrl startete 1978 in einem Stratos Gruppe 4 in der Deutschen Rallyemeisterschaft.
Der Rallye-Keil aus Italien. Mit dem Stratos HF war Lancia in der Rallye-Weltmeisterschaft lange Zeit das Maß der Dinge. Der kompromisslose Rallye-Bolide leistete in seiner letzten Ausbaustufe knapp 350 PS, der Sound des verbauten Ferrari-Motors ist unverkennbar. Auch Walter Röhrl startete 1978 in einem Stratos Gruppe 4 in der Deutschen Rallyemeisterschaft. © WP | Privat

Noch sportlicher und mit vielen Rallye-Genen versehen, ist der Lancia Stratos, mit dem Christian Faber das Land der 1000 Berge erkunden will. Der flache Keil aus Italien wurde ausschließlich für den harten Rallye-Einsatz konzipiert, zwischen 1974 und 1976 gewann der Stratos HF fast nach Belieben und er gilt heute als einer der erfolgreichsten Rallye-Wagen der Geschichte. Mit ihm verbunden sind Namen wie der italienische Rallye-Star Sandro Munari und auch der zweifache Weltmeister Walter Röhrl, der mit einem Stratos Gruppe 4 im Jahr 1978 in der Deutschen Rallyemeisterschaft für Furore und vier Siege sorgte. Maximal 495 Fahrzeuge des Stratos wurden überhaupt nur konstruiert, mittlerweile sind gute Exemplare mit einer sportlichen Geschichte kaum noch zu bekommen und noch schwerer zu bezahlen.

30 unterschiedliche Automarken

Das gilt auch für den Ford RS200, der wenige Minuten später auf die Reise geschickt wird. Das Modell gehörte zur letzten und wildesten Ausbaustufe der sogenannten Gruppe B, die stärksten Modelle in der Rallye-WM der Jahre 1984 bis 1986 leisteten bis zu 550 PS bei gerade einmal 1000 Kilogramm. Das Modell, das bei der Sauerland-Klassik zu sehen ist, gehört zu den berühmten Exemplaren. Mit genau diesem Ford RS200 in Gruppe B-Ausführung startete der schwedische Rallye-Weltmeister Stig Blomqvist 1985 bei der Schweden-Rallye mit der Startnummer 1.

Auch wenn nicht alle Teilnehmer und ihre Fahrzeuge ähnliche Geschichten zu erzählen haben, selten sind mittlerweile alle Autos, die bei der Sauerland Klassik an den Start gehen. Porsche ist – wie bei fast allen Oldtimer-Events – die am häufigsten vertretene Marke, auch weil man mit dem Auto noch heute problemlos an- und abreisen kann plus Teilnahme an einer Rallye zwischendurch. Fast alle bekannten Modelle sind auch im Sauerland dabei, vom historischen Porsche 356, 912, 911, 964, 924, 944 und dem selteneren 914/6 bis hin zum einmaligen Wimmelporsche.

Zählt man die seltenen und stets blank polierten Karossen der teilnehmenden Alfa Romeo, Audi, Citroën, Datsun, Ferrari, Mini, Riley, Renault, Škoda, Volvo und andere Modelle hinzu, gehen bei der diesjährigen Sauerland Klassik exakt 30 unterschiedliche Automarken an den Start.