Attendorn. Attendorn steuert auf eine Versorgungslücke zu. Um Ärzte zu einer Niederlassung zu motivieren, sollen sie unter anderem 10.000 Euro erhalten.

Über 90 Prozent der niedergelassenen Hausärzte in Attendorn sind über 50 Jahre alt. Das geht aus den Ergebnissen hervor, die das Amt für Stadtteilmanagement und Demografie der Stadt Attendorn erarbeitet hat. Heißt: Mittelfristig steuert die Stadt auf eine medizinische Versorgungslücke zu. Mit einem Maßnahmenpaket zur nachhaltigen Sicherstellung der ärztlichen Versorgung möchte die Stadt Attendorn dagegen steuern. Der Rat wird darüber in der kommenden Woche abstimmen.

Attendorn: So ist die aktuelle Situation

Trotz der bisher ergriffenen Maßnahmen – dazu zählt die Gründung des „Zukunftsforum Gesundheit“, die Etablierung des Niederlassungszuschusses, die „MedNight“ sowie der Aufbau der Internetseite „www.gesund-in-attendorn.de“ – bleibt das Grundproblem weiter bestehen. Immer weniger Ärzte und Ärztinnen entscheiden sich für eine Niederlassung im ländlichen Raum. Und nicht nur bei den Hausärzten droht sich die Situation in den nächsten Jahren zu verschärfen. Auch der Großteil der Fachärzte im Kreis Olpe ist bereits über 50 Jahre alt. Ein weiteres Problem, das junge Nachwuchskräfte abschreckt: die fehlende Work-Life-Balance. „Vor allem Medizinstudentinnen können sich heute nicht mehr vorstellen, 40 Jahre lang zwölf Stunden pro Tag in ihrer Praxis zu arbeiten und die komplette wirtschaftliche Verantwortung zu tragen. Da sind andere Modelle gefragt und das würden wir gerne unterstützen“, betont Attendorns Bürgermeister Christian Pospischil.

Dementsprechend sollen potenzielle (Nachwuchs-)Fachkräfte – Schüler und Schülerinnen, Studierende, Assistenzärzte und -ärztinnen sowie niedergelassene Ärzte – gezielt angesprochen werden. Das Maßnahmenpaket mit folgenden Punkten wurde in Zusammenarbeit mit der vor Ort ansässigen Ärzteschaft erarbeitet.

1. Niederlassungszuschuss

Statt bislang 5000 Euro sollen Ärztinnen und Ärzte bei einer Niederlassung im Attendorner Stadtgebiet nun 10.000 Euro erhalten. Dabei handelt es sich um einen einmaligen Zuschuss, der gewährt wird, wenn der Arzt / die Ärztin eine Praxis gründet oder übernimmt. Auch der Zuschuss für die Anstellung eines Arztes / einer Ärztin in einer bereits bestehenden Praxis soll verdoppelt werden, von 3500 auf 7000 Euro. Gleichzeitig soll der Praxisinhaber 3000 Euro statt bislang 1500 Euro bekommen. Mit der Verdopplung der Zuschusssätze, die ab dem 1. Januar 2022 in Kraft treten könnte, soll ein zusätzlicher Anreiz für Ärztinnen und Ärzte geschaffen werden, sich in Attendorn niederzulassen. „Wir wissen, dass Geld allein nicht entscheidend ist. Es ist aber eine Anerkennung dafür, dass sich jemand hier niederlässt“, so Pospischil.

Gleichzeitig erhofft sich die Verwaltung davon, dass die bestehende Ärzteschaft dazu motiviert wird, potenzielle neue Kolleginnen und Kollegen anzusprechen. In Gesprächen mit Fachleuten aus dem Gesundheitsbereich habe sich nämlich herauskristallisiert, dass persönliche Ansprachen und Kontakte wirksame Wege seien, um Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen.

2. Vergabe von Stipendien

Es soll ein Stipendien-System aufgebaut werden. Dafür sollen zeitnah „Richtlinien der Hansestadt Attendorn über die Gewährung eines Stipendiums für Studierende der Humanmedizin“ erarbeitet werden. Diese sollen der Stadtverordnetenversammlung gesondert zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Im Austausch mit der Ärzteschaft habe sich gezeigt, dass ein hohes Potenzial an Medizinstudierenden bestehe, einige davon aber nicht den in Deutschland erforderlichen Numerus clausus erreichen. Für ein Auslandsstudium oder ein Studium an einer Privatuniversität fehle es oft an Geld. „In diesem Zusammenhang möchten wir auch mit potenziellen Mitakteuren aus der Wirtschaft sprechen, die sich daran beteiligen wollen“, erklärt Pospischil. Denkbar sei ein Stipendium in Höhe von 500 Euro pro Monat, ausgelegt auf die Regelstudienzeit.

3. Koordination von Angeboten für Schülerinnen und Schüler als potenzielle Nachwuchskräfte

Bereits bei der sogenannten „MedNight“ – ein Art „medizinischer“ Kinoabend – bekamen Schülerinnen und Schüler im vergangenen Jahr die Möglichkeit, mit Medizinern ins Gespräch zu kommen und erste Kontakte zu knüpfen. Daran anknüpfend sollen nun auch Praktikumsangebote für potenzielle ärztliche Nachwuchskräfte innerhalb der Schülerschaft durch die Stadt koordiniert werden.

Zielgruppe sind Oberstufenschülerinnen und -schüler der Attendorner Gymnasien, die nach dem Abitur ein Studium anstreben und sich vorstellen können, dieses im medizinischen, gesundheitsspezifischen und/oder sozialen Bereich zu absolvieren.

>>> WEITERE PUNKTE IM MAßNAHMENPAPIER

  • Neben den drei aufgeführten Punkten möchte die Verwaltung noch folgende Komponenten angehen: Digitalisierungsmaßnahmen, Unterstützung beim Aus- und Aufbau einer Praxis, Medizinisches Versorgungszentrum, Unterstützung der Fachkräfteakquise durch Lotsendienst, Etablierung von regelmäßigen Netzwerktreffen und Kommunikation mit dem Krankenhaus.
  • Der Rat tagt am Mittwoch, 22. September, ab 17 Uhr in der Stadthalle Attendorn.