Attendorn. . Ärzte, die in der Hansestadt eine Praxis eröffnen oder eine bestehende übernehmen, bekommen 5000 Euro. Grundsätzliche Zustimmung aus der Politik.
Die hausärztliche Versorgung im Kreis Olpe ist noch stabil. Das belegen aktuelle Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. In Attendorn standen zum 30. November vergangenen Jahres 14 Hausärzte in Lohn und Brot. Der Versorgungsgrad, ermittelt durch das Verhältnis der Einwohner pro Arzt, liegt somit bei knapp unter 100 Prozent. Weit weg von einer Unterversorgung, die bei 75 Prozent beginnt.
Für Olpe, Wenden und Drolshagen sowie Lennestadt, Kirchhundem und Finnentrop, die statistisch jeweils als eine Einheit gewertet werden, lassen die Zahlen ebenfalls ein ausreichendes Angebot vermuten. Die gefühlte Wahrheit sieht jedoch anders aus, gerade im ländlichen Raum droht eine ambulante Unterversorgung. In einigen Regionen ist sie auch längst existent. Die Hansestadt, beteuert die Verwaltung, steuert ebenso auf einen nicht gewollten Mangel in der ambulanten Versorgung zu.
Fast alle älter als 50 Jahre
Fast alle Hausärzte im Stadtgebiet sind älter als 50 Jahre und bei vielen ist nicht klar, ob es zu einer Nachfolge kommt. „Wir wollen deshalb aktiv sein und versuchen, die medizinische Versorgung bei uns zukunftssicher aufzustellen“, betont Attendorns Kämmerer Klaus Hesener und verweist auf ein ganz aktuelles Vorhaben: Die Stadt bezuschusst nämlich rückwirkend zum 1. Januar zugelassenen Ärzten einmalig 5000 Euro, wenn sie sich in Attendorn niederlassen und eine Praxis gründen oder eine bestehende übernehmen. Und auch, wenn ein bereits hier ansässiger Arzt einen neuen Kollegen einstellt, fließt Geld aus der Stadtkasse. 1500 Euro für den Praxisinhaber, 3500 Euro für den Neuankömmling. Ein Anreiz. Ein Akt der Wertschätzung, so Hesener. Erste Gespräche habe es bereits gegeben.
Kommentar: Können Ärzte nicht kaufen
Klaus Hesener hat völlig recht: Neue Ärzte kann die Verwaltung nicht kaufen, schon gar nicht mit einmalig 5000 Euro. Der Ansatz ist aber nicht verkehrt. Die Stadt kann ein wenig Anschub-Hilfe leisten und Neu-Ärzten in der Hansestadt das Gefühl vermitteln, dass sie hier in Attendorn gut aufgehoben sind. Die Entscheidung kann sie ihnen aber nicht nehmen.
Was die Stadt jedoch leisten kann, nein, leisten muss: die Rahmenbedingungen schaffen. Und zwar so, dass sie den neuen Medizinern in einer für sie völlig fremden Umgebung beispielsweise bei der Wohnraumsuche hilft und schaut, wo die Kinder zur Schulen gehen können.
Und dann ist es natürlich wichtig, dass die Neubürger in Attendorn schnell Anschluss finden – im Sportverein, bei den Schützen, im Chor oder wo auch immer. Da haben wir zweifellos eine Menge zu bieten. Genauso wie unsere Landschaft: mitten im Grünen, aber in unmittelbarer Nähe größerer Städte wie Siegen, Hagen oder Köln. Diese weichen Faktoren helfen sicherlich mehr als die 5000 Euro.
Flemming Krause
Doch natürlich ist der Spielraum der Verwaltung begrenzt. „Wir können uns keine Ärzte kaufen“, weiß der Kämmerer, „aber wir können die Rahmenbedingungen ebnen. Uns fehlen nicht nur die Ärzte, sondern auch die Apotheker oder Physiotherapeuten.“ Zu den Anstrengungen der Stadt gehört darüber hinaus, dass sie mit eigenen Projekten wie das „Zukunftsforum Gesundheit“ (Leader-Projekt, gestartet 2015) oder eine Kampagne zur Nachwuchsgewinnung im Gesundheitswesen dem drohenden Mangel entgegentritt.
Es braucht die weichen Faktoren
„Es ist wahrlich kein einfaches Unterfangen, dem Ärztemangel im ländlichen Raum wirkungsvoll zu begegnen“, betont Rolf Schöpf (CDU) und ergänzt: „Aber die Bezuschussung ist neben der Schaffung von weichen Faktoren eine Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten.“ Zu diesen weichen Faktoren gehören unter anderem Schul- und Kitaplätze für die Kinder und ein Arbeitsplatz für den Ehepartner.
„Eine überlastete städtische Infrastruktur, Luftverschmutzung und steigende Mietpreise lassen immer mehr Menschen ihren Rückzugsort auf dem Land suchen. Hier hat der ländliche Raum riesige Chancen. Wir benötigen eine hervorragende digitale Infrastruktur, kombiniert mit den klassischen Angeboten rund um Bildung, Kultur und Sport“, begrüßt Ralf Warias von der Fraktion FDP/Die Grünen die Bemühungen der Verwaltung.
30.000 Euro im Haushalt 2019 veranschlagt
Für die Verbesserung der medizinischen Versorgung in der Hansestadt sind im Haushalt 2019 zusätzlich 30.000 Euro veranschlagt worden.
Laut eigener Aussage unterstützt die Hansestadt mit den Projekten „UnternehmensWertArzt“ und „Land Praxis Plus“, die ebenfalls mit Leader-Fördergeldern bezuschusst werden, zwei kreisweite Projekte zur Reduzierung von Niederlassungshemmnissen und Sicherung von Praxisnachfolgen.
Mit einem kleinen Aber: „Ob allerdings die geringen Mittel Wirkung entfalten, sehen wir mit Skepsis und fordern auf jeden Fall eine regelmäßige Evaluierung dieser Förderung.“
Portion Skepsis
Eine Portion Skepsis überwiegt auch bei Winfried Richard, UWG. Er betont: „ Ob es wirkt, weiß ich nicht. Allerdings halte ich die Propaganda Mund zu Mund unter Ärzten für die erfolgversprechendste Methode, um Ärzte an Attendorn zu binden bzw. auf Attendorn aufmerksam zu machen.“ Das weiß auch die Verwaltung. Durch zahlreiche Gespräche habe sie den Eindruck bekommen, dass in vielen Fällen durch Kontakt bereits ansässiger Ärzte neue Niederlassungen zustande kommen.
Und Ulrich Bock von der SPD sagt: „Grundsätzlich befürworte ich die Bezuschussung. Das kann aber nur ein kleiner Teil dessen sein, was nötig ist, um den Arztstandort Attendorn attraktiv zu machen.“