Brün/Siegen. Der Prozess gegen eine Frau, die in Wenden auf ihren schlafenden Mann eingestochen haben soll, läuft. Die Tat wirft viele Fragezeichen auf.
Die 65-Jährige, die an diesem Donnerstag in den Schwurgerichtssaal des Landgerichts Siegen geführt wird, hat eine großmütterliche Art. Sie wirkt, als könne sie keiner Fliege etwas zuleide tun. Für Prozessbeobachter ist es kaum vorstellbar, dass sie am 17. Februar dieses Jahres in Brün im Wendener Land mit einem Küchenmesser dreimal auf ihren schlafenden Ehemann (67) eingestochen haben soll.
Die Anklage lautet auf versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. „Im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit hat sie versucht, einen Menschen heimtückisch zu töten“, so Staatsanwalt Rainer Hoppmann. Die Eheleute hätten am Abend Karten gespielt und Alkohol konsumiert. „Nach Angaben beider gab es keinen Streit. Er legte sich dann alleine schlafen.“ Gegen 22.45 Uhr habe die Angeklagte dann dreimal auf ihren schlafenden Mann eingestochen: im Bereich des Schlüsselbeins, der Achselhöhle und des rechten Brustkorbs.
Es habe zwar keine Lebensgefahr bestanden, doch der Mann habe sehr viel Blut verloren. „Der Stich in den rechten Brustkorb war so nah an der Leber, dass es nur Zufall war, dass die Leber nicht getroffen wurde. Dann wäre er verblutet“, so Staatsanwalt Hoppmann. Und: „Sie nahm billigend in Kauf, dass er stirbt.“
Vorwurf des versuchten Mordes: Frau will aussagen
„Sie wird sich einlassen zur Person und zur Sache, soweit sie das kann“, sagte Verteidiger Martin Kretschmer. Mit dieser Ankündigung des Verteidigers endete der erste Prozesstag im Siegener Schwurgericht. Auf Anfrage unserer Redaktion meinte Kretschmer: „Sie weiß nur, dass sie abends Karten mit ihrem Mann gespielt und Alkohol getrunken hat. Sie sagt, dass sie um 21.20 Uhr das letzte Mal auf die Uhr geschaut hat. Danach kann sie sich an nichts erinnern. Die nächste bewusste Szene war erst wieder im Polizeigewahrsam.“ Und: „Sie kann sich nicht erklären, was sie getan haben soll. Es gibt kein Motiv. Sie hat weiterhin ein Riesenfragezeichen im Gesicht.“
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Fakt ist, dass die Angeklagte reichlich Wodka getrunken hat. Eine Blutuntersuchung ergab bei ihr einen Wert von 2,23 Promille. Ein psychiatrischer Sachverständiger hat die Frau begutachtet und wegen des Alkoholkonsums eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit festgestellt. „Vielleicht war sie auch vollkommen schuldunfähig. Das muss in der Hauptverhandlung geklärt werden. Es war eine hochalkoholisierte und massiv verwirrte Frau, die zeitlich und örtlich nicht mehr orientiert war. Das haben auch die Polizeibeamten gesagt, die vor Ort waren“, so der Verteidiger im Gespräch mit unserer Redaktion. Zur Nachfrage, ob bei der Frau eine psychische Erkrankung vorliegen könne, meinte er: „Nein, überhaupt nicht.“
Klar sei, so Kretschmer weiter, dass es die Angeklagte gewesen sein müsse: „Es gibt keinen Dritten. Das weiß auch die Verteidigung. Aber die Frau ist so unbeholfen, die taktiert auch nicht.“ Dafür, dass die 65-Jährige bei der Festnahme ein blaues Auge hatte, gebe es ebenfalls keine Erklärung. Auch die Kinder der Frau seien fassungslos: „Sie sagen, dass sie so liebevoll ist. Das passe nicht zu ihrem Charakter. Sie gehe eher den unteren Weg.“ Es habe nie körperliche Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten gegeben: „Es gab nicht einmal ein Anschreien, nur Meinungsverschiedenheiten, wie sie in einer ganz normalen Ehe vorkommen.“
Eheleute hatten keinen Kontakt nach der Tat
Nach der Tat von Brün hat es bisher keinen Kontakt zwischen den Eheleuten gegeben. Der 67-Jährige hat seine Frau noch nicht in der Untersuchungshaft in Köln besucht. Der Ehemann tritt auch nicht als Nebenkläger im Prozess auf. „Er hat sich keinen Anwalt genommen und hat auch kein Schmerzensgeld gefordert. Es wirkt auf mich so, als wenn er kein großes Interesse an einer Bestrafung hat“, so Kretschmer. Auch zum Prozessauftakt erschien er nicht im Zuhörerraum.
Am nächsten Verhandlungstag soll der 67-Jährige als Zeuge gehört werden. Die Messerstiche hat er offenbar nicht mitbekommen. Nach Informationen unserer Redaktion hat er beim Ermittlungsrichter ausgesagt, dass er sich im Bett an die Brust gefasst habe und da plötzlich alles nass gewesen sei. Später habe er seine Frau mit dem Messer in der Küche gesehen. Auch er hat gesagt, dass es kein Motiv gebe.
Achtmal hat Verteidiger Kretschmer die 65-Jährige in der JVA Köln besucht: „Anfangs war sie sehr durch den Wind. Jetzt ist sie zwar auch noch tief erschüttert über das, was sie getan haben soll, aber den ersten Schock hat sie ein bisschen überwunden.“