Wenden. Eine 65-Jährige sitzt wegen versuchten Mordes in Haft. Sie soll auf ihren schlafenden Mann eingestochen haben, weiß aber angeblich von nichts.
Es war eine Tat, die für Entsetzen und Fassungslosigkeit sorgte. Am 17. Februar dieses Jahres um 3 Uhr morgens soll eine 65-Jährige ihrem schlafenden Ehemann drei Messerstiche in den Brustbereich versetzt haben. Der 67-Jährige hatte die Rettungsleitstelle gerufen. Die Polizei fand ihn stark blutend in der gemeinsamen Wohnung im beschaulichen Örtchen Brün. Es bestand keine akute Lebensgefahr, jedoch hätten die Stiche mit einem großen Messer aus der Küche durchaus auch tödlich enden können. Seine Frau wurde vorläufig festgenommen und sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft.
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Die Staatsanwaltschaft Siegen hatte die Leitung der Ermittlungen übernommen und eine Mordkommission aus Hagen zur Klärung der Hintergründe eingesetzt. Wie unsere Redaktion erfuhr, sind die Ermittler bei der Suche nach dem Motiv aber noch kein Stück weitergekommen. Sie stehen vor einem mysteriösen Fall. Das bestätigt auf Anfrage auch Martin Kretschmer, der Verteidiger der 65-Jährigen: „Keiner weiß, was passiert ist. Es gibt ein großes Rätselraten in dem Fall. Die Beschuldigte kann sich an nichts erinnern. Sie kann sich nicht erklären, wie es dazu gekommen ist. Das bleibt vollkommen nebulös.“
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Auch der schlafende Mann habe die Stiche wohl nicht unmittelbar mitbekommen, erst später seine Frau und das Messer in einem anderen Raum der Wohnung gesehen. Eine Erklärung dafür hat auch er nicht. Die Erinnerung der Frau setzt nach ihrer Aussage erst wieder ein, als sie bei der Polizei im Gewahrsam war. Fest steht nur, dass beide stark alkoholisiert waren.
Völlig unbescholten
Die 65-Jährige ist bislang völlig unbescholten. Sie habe eine ganz ruhige, großmütterliche Art, heißt es. Erst seit wenigen Monaten sind die beiden Russlanddeutschen verheiratet. Beide leben schon seit Jahrzehnten in Deutschland. Der 67-Jährige wohnt schon länger in Brün, die 65-Jährige zog vor Monaten bei ihm ein. Beide sprechen von einer glücklichen Beziehung. Den Abend vor der Tat verbrachte das Ehepaar gemeinsam. Man spielte Karten. „Keiner weiß, wie es dann weitergegangen ist“, sagt der Verteidiger.
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Martin Kretschmer gilt als erfahrener Strafverteidiger, als einer der besten in Deutschland. Er war bereits als Anwalt bei etlichen Kapitaldelikten tätig. Doch auch für ihn ist der Fall von Brün ungewöhnlich: „In den meisten Tötungsverfahren gibt es eine Beziehung zwischen Täter und Opfer. Sonst gibt es aber zumindest einseitige Demütigungen, dass sich dann ein Schalter umlegt. Das ungewöhnliche an diesem Fall ist, dass es bisher nicht bekannt ist, dass es zu irgendwelchen Spannungen und Streitigkeiten gekommen ist. Das ist vollkommen merkwürdig.“
Bei der Suche nach dem Motiv sollen jetzt Sachverständige helfen. Die Fragen: Was hat der Alkohol für eine Rolle gespielt? Wie sind der körperliche Zustand und die Psyche? Gibt es vielleicht hirnorganische Erkrankungen bei der Frau? Oder existiert doch irgendeine Vorgeschichte?
Haftbefehl wurde gegen die 65-Jährige wegen versuchten Mordes erlassen. Die Staatsanwaltschaft geht von heimtückischem Handeln aus. Die Frau sitzt in Untersuchungshaft in der JVA Köln. Dort hat Martin Kretschmer sie in der vergangenen Woche besucht. Zur Frage nach ihrem Zustand sagt er: „Sie ist vollkommen am Boden zerstört. Sie kann sich nicht vorstellen, dass sie das getan haben soll. Sie ist völlig ratlos, wirklich verzweifelt.“