Kreis Olpe/Oedingen. Lutz Schmelter, Geschäftsführer des Holz verarbeitenden Unternehmens Josef Schmelter (Oedingen), über die Situation des Holzmarktes.

Der regionale wie der internationale Holzmarkt ist in aller Munde. Über eine Preisexplosion wird ebenso geklagt, wie über einen Ausverkauf heimischen Holzes nach USA und China, während Architekten wie Bauherren über weiter steigende Baupreise jammern. Was ist dran an der überall laut vorgetragenen Misere? Welches sind die Ursachen? Wir hatten Gelegenheit, mit einem ausgewiesenen Experten in Sachen „Holz“ zu sprechen. Lutz Schmelter führt in dritter Generation das holzverarbeitende Familienunternehmen Josef Schmelter GmbH mit Sitz in Oedingen, früher Sägewerk in Saalhausen. Schmelter ist zudem Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Säge- und Holzindustrie.

Frage: Herr Schmelter, Momentan sehen Wanderer den Wald vor lauter gesägten Bäumen nicht. Wie kommt es dennoch zu einer Preisexplosion beim Bauholz?

Lutz Schmelter: Bei einer Betrachtung der Situation müssen wir den Markt von Rund- und Schnittholz trennen. Rundholz ist das Holz, das im Wald anfällt und das, wie Sie sagen, jeder Wanderer sieht. Rundholz sind also die gesägten Bäume, die durch den Borkenkäferbefall im Sauerland leider extrem stark vorhanden sind. Das Schnittholz ist das Produkt der Sägewerke, das nach dem ersten Verarbeitungsschritt entsteht.

Und das ist gerade extrem gefragt?

Ja, das ist es. Und deshalb ist diese Unterscheidung wichtig. Rundholz gibt es praktisch ohne Ende, so dass es aus der Region heraustransportiert werden muss, weil nicht genügend Sägewerke vorhanden sind, alles zu verarbeiten.

Seit wann ist das so?

Ich würde sagen, seit etwa drei Jahren, seit dem Beginn der Dürreperiode. Das ist ein regionales Problem. Der Rundholzpreis bildet sich regional hier vor Ort. Und weil das Angebot so groß ist, ist der Rundholzpreis hier niedrig.

Ist das in Süddeutschland anders?

2021 sind die Borkenkäferschäden in Süddeutschland und Österreich deutlich geringer als in unserer Region, deshalb ist der Rundholzpreis dort deutlich höher.

Aber dann könnte man doch Rundholz aus dem Sauerland dorthin transportieren?

Wird auch gemacht. Aber Rundholz ist ein nicht ganz so wirtschaftlich zu transportierendes Produkt, weil sie mit dem ganzen Stamm viel Masse transportieren, wovon am Ende relativ wenig einen ökonomischen Wert hat. Aus einem Rundholzstamm kann die Holzindustrie nur etwa 50 Prozent massives Fertigprodukt erzeugen.

Mit Fertigprodukt meinen Sie Schnittholz, also eine Dachlatte, eine Bohle, ein Kantholz und so weiter?

Ja. Wir sprechen von konstruktiv einzusetzenden Bauholzprodukten.

Warum aber zahlt der Dachdecker, der Zimmerer und letztlich der Bauherr so viel für Holzprodukte?

Jetzt kommen wir zum Schnittholz. Dem Produkt, das von den Sägewerken kommt und auch viel besser transportiert werden kann. Dieses Schnittholz wird national wie weltweit in großen Mengen gebraucht. Hier kommt auch unser Unternehmen ins Spiel. Wir kaufen Schnittholz bei den Sägewerken und produzieren daraus Produkte für den Holzbau. Andere Kunden der Sägewerke benötigen Schnittholz für andere Zwecke, z. B. für den Bereich Verpackung oder Schalungen im Hoch- und Tiefbau. Die Nachfrage nach jedem dieser Schnittholzprodukte ist aktuell extrem hoch.

Von welchen Preiskategorien sprechen wir da?

Das Schnittholz der Sägewerke ist derzeit etwa zwei- bis dreimal so teuer als in Normalzeiten. Weil auf der ganzen Welt Schnittholz extrem stark nachgefragt wird. Auch aus Deutschland ist die Nachfrage aufgrund der starken Bautätigkeit sehr hoch.

Was spielt da noch rein?

Zwei relevante Effekte. Der erste ist: Wir wollen in Deutschland CO2-neutraler bauen und setzen daher mehr Holz im Bauwesen ein. Die Holzbauquote steigt seit einigen Jahren deutlich.

In Hamburg entsteht derzeit sogar ein Hochhaus aus Holz?

Richtig, und in Berlin soll der ehemalige Flughafen Tegel zu einer reinen Holzbausiedlung umgebaut werden.

Ist das eine Momentaufnahme oder doch ein anhaltender Trend?

Ein anhaltender Trend. Wenn wir helfen wollen, die Klimakrise zu lösen, können wir nicht nur auf den Straßenverkehr, also unsere Autos schauen. Wir müssen auch signifikant auf unsere Gebäude schauen. Das heißt: CO2-neutral bauen und Zement, der ein sehr CO2-intensiver Baustoff ist, durch Holz ersetzen, der ein CO2-neutraler Baustoff ist.

Das heißt, wir werden über kurz oder lang eine Region der Holzhäuser werden?

Ja, das glaube ich.

Gut für Ihr Unternehmen.

Gut für die Menschen. Wenn wir in gesünderen Häusern wohnen, wenn wir Schulen und Kindergärten aus Holz bauen, in denen das Wohnklima erheblich besser ist, als in irgendwelchen Betonblocks. Weil das Baumaterial atmet, ist das für alle, die dort wohnen, arbeiten oder als Kinder betreut werden, von deutlichem Vorteil.

Die Zeit hässlicher Wolkenkratzer ist dann vorbei.

Design ist immer noch ein anderes Thema. Ob die Holzhäuser am Ende schön sind, liegt im Auge des Betrachters.

Kommen wir zurück zu den Gründen für die immense Schnittholznachfrage. Sie deuteten einen weiteren Grund an.

Durch die Corona-Pandemie sind sehr viele Menschen nicht in den Urlaub gefahren, sondern in den Baumarkt, um dort Holzprodukte zu kaufen. Die Baumärkte vermelden unglaubliche Wachstumszahlen, weil die Leute Corona-Projekte abgewickelt haben.

Corona-Projekte?

Ja, da wurde hier eine Terrasse verschönert, dort ein Gartenhaus errichtet und eine Loggia angebaut.

Kein Klischee?

Nein, das ist real passiert. Die Leute haben Cocooning betrieben.

Cocooning?

Das bedeutet, wenn es sich jemand zu Haus schöner gemacht hat. Im eigenen Cocon sozusagen. Die Leute konnten nicht raus, nicht in den Urlaub, Finanzmittel waren verfügbar. Da haben sie die Baumärkte geflutet. Das ist nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt passiert.

Was passierte vor dieser Phase?

Schnittholz fiel in großen Mengen an, wurde aber nicht so stark nachgefragt, was den Preis nach unten trieb. Soweit brauchen wir gar nicht zurückzugehen. Im Juni 2020 lag der Schnittholzpreis noch am Boden. Da war der Export sehr wichtig. Man muss also vorsichtig damit sein, den Export zu verteufeln. Da hat er uns geholfen. Das Holz aus unseren Wäldern wäre als Schnittholz regional gar nicht zu verkaufen gewesen.

Welche Nationen haben den größten Holzhunger?

Der größte Verbraucher seit jeher ist meines Wissens die USA.

Also auch in anderen Zeiten?

Ja. Von 450 Millionen Kubikmetern Schnittholz, die jährlich weltweit gehandelt werden, kaufen die USA etwa 90 Millionen Kubikmeter. Wir produzieren in Deutschland etwa 25 Millionen Kubikmeter. Unser Export in die USA ist in den vergangenen zwei Jahren wieder gestiegen. Mit ein Grund für die steigenden Holzpreise, nicht aber für die Knappheit des Schnittholzes. Die USA bezahlen derzeit einfach die höchsten Preise auf dem Schnittholz-Weltmarkt.

Mit Auswirkungen auf den heimischen Markt, vermute ich?

Wenn Sie mit einem Sägewerker verhandeln, wie wir das tun, weil wir Schnittholz einkaufen, dann exportiert der Säger vielleicht gar nicht in die USA. Er sagt aber, rein theoretisch könnte er es, und deshalb wolle er den Preis, den er auch in den USA erzielen könnte. Über diesen Mechanismus importieren wir quasi den Preisanstieg aus den USA nach Deutschland.

Exportieren Sie mit Ihrer Schmelter GmbH?

Nein. Wir sind ein regional orientiertes Unternehmen, verkaufen unsere Produkte in einem 250 km-Radius um unser Werk herum. Nur in Deutschland.

Stimmt es, dass die USA traditionell viel Holz von Kanada abnehmen, es im Verhältnis der beiden aber knirscht?

Das stimmt. Unter anderem sind die Einfuhrzölle für kanadisches Importholz durch die USA erhöht worden. Kanada leidet zudem schon viele Jahre unter einer vor etwa 20 Jahren über sie hereingebrochenen Käferkatastrophe. Daran sieht man übrigens auch, wie langfristig die Forstwirtschaft an solchen Dingen leidet. Das wird auch bei uns so sein.

Aber deshalb hat die USA nicht den deutschen Markt leergekauft?

Nein. Das ist ein häufig auftauchender falscher Eindruck. Auch wir haben mehr Markt gehabt. Unsere Sägeindustrie hat ihre Kapazitäten ausgeweitet und auch in Deutschland mehr Menge angeboten. Aber die explodierende Nachfrage hat das größere Angebot noch überholt. Ein weiterer Effekt hat die Preissituation noch verschärft. Denn wenn die Leute merken, dass die Preise steigen, kaufen sie noch größere Mengen, auch auf Vorrat. Handwerker beispielsweise füllen ihre Lager, um sich vor weiteren Preissteigerungen zu schützen. Dadurch wird die Preisschraube immer weiter gedreht.

Eine Holzknappheit hat es also im eigentlichen Sinn nicht gegeben?

Ja. Wir konnten unsere Kunden zu jeder Zeit mit den in dem Moment benötigten Mengen beliefern. Wenn ein Kunde aber plötzlich die doppelte oder dreifache Menge einkaufen wollte, haben wir ihm gesagt: Kauf’ die normale Menge, die Du für Deine Bauvorhaben brauchst, und wir sagen Dir zu, dass Du die anderen Mengen auch bekommst, wenn Du sie denn brauchst. Aber wir befriedigen nicht sofort die quasi künstliche doppelte oder dreifache Nachfrage.

Also kann man sagen, es hat auch in Ihrer Branche einen Toilettenpapier-Effekt gegeben?

Eindeutig ja. Wir haben aber versucht, dem nicht nachzugeben.

Wenn sich diese Situation wieder beruhigt, fallen die Preise wieder entsprechend?

Ich glaube, die Preise werden nicht wieder aufs Ausgangsniveau zurückfallen. Der Preis wird wieder fallen, auch das Schnittholz für den Verbraucher wird wieder günstiger. Dann wird es ein neues ,Normal’ geben, aber nicht auf dem Ausgangsniveau. Weil der Werkstoff Holz eine höhere Wertigkeit bekommen hat.

Wenn alles Borkenkäferholz mal weg ist, was passiert dann?

Dann werden sich die Holzströme ändern. Wir importieren jetzt bereits in Skandinavien, werden das dann ausweiten müssen. Deutschlandweit wird der Holzexport verringert werden.

Welche Rolle spielt China in diesem Kreislauf?

Die Chinesen haben auch hier in der Region große Mengen Rundholz gekauft. Das war notwendig, da wir viel mehr Rundholz hatten, als unsere Sägeindustrie hätte aufnehmen können. Wir haben es nicht geschafft, Lagerkapazität aufzubauen.

Nasslagerplätze meinen Sie?

Ja, unter anderem. Man hätte viel mehr Lagerplätze anlegen müssen, um hier in der Region dem Waldbauern zu helfen. Der hätte dann nicht sofort sein gesamtes Holz an den Markt bringen müssen, und für die Sägeindustrie gäbe es einen längerfristigen Holzvorrat.

Warum ist das nicht gemacht worden?

Das ist schwer zu sagen. Nach Kyrill wollte die Forstverwaltung eigentlich ein Handbuch für Krisen anlegen.

Und warum hat dieses Krisenmanagement nicht funktioniert?

Die Forstverwaltung hat das Problem zu Beginn der Käferkrise heruntergespielt, möglicherweise völlig unterschätzt. Die Industrie hat damals gewarnt: ,Da kommt etwas Größeres auf uns zu, wir müssen uns anders positionieren.’ Es wäre notwendig gewesen, schneller krassere Maßnahmen einzuleiten. Vielleicht gab es auch ein Kommunikationsproblem. Es wäre auf jeden Fall notwendig gewesen, das Käferholz schneller aus dem Wald und damit auch Brutstätten aus dem Wald zu bekommen.

Zurück zur Sägewerkskapazität, die jetzt benötigt wird. Auch im Sauerland haben viele Säger in den vergangenen Jahrzehnten aufgegeben bzw. umgestellt. Irgendwie paradox, oder?

In der jetzigen Phase wäre mehr Sägewerkskapazität natürlich gut. Das würden sich die Waldbauern wünschen. Auch wir haben unser Sägewerk 2016 geschlossen, und es gab Insolvenzen. Manche haben aufgegeben.

Was war der Hauptgrund?

Es gab viele Jahre, in denen Sägewerke wirtschaftlich nicht erfolgreich waren. Wir haben in den Jahren nach Kyrill genau das Gegenteil des Jetzt-Zustands erlebt. Wir hatten für unsere Region einen zu hohen Rundholzpreis und auf dem Weltmarkt einen zu niedrigen Schnittholzpreis. Säger mussten fürs Rundholz zu viel bezahlen und bekamen fürs Schnittholz zu wenig. Deshalb haben wir als Familie damals entschieden, uns zu verändern, weil wir kein Licht am Ende des Tunnels sahen.

Würden Sie in diesen Tagen noch mal gerne Sägewerker sein?

Ja.

Ja dann los.

So einfach ist das nicht. Es ist eine sehr investitionsintensive Branche. Und wir haben uns inzwischen erfolgreich auf die Weiterverarbeitung konzentriert.

Zumal der Bauboom Ihnen nach wie vor eine starke Nachfrage nach Bauholz beschert.

Ja. Wir wachsen. Und wir wollen weiter wachsen. Wichtig ist, das Märchen der Holzknappheit schnell aufzuklären. Es gibt keine Holzknappheit. Wir müssen dem Menschen klar machen: Die Holzprodukte sind da, und die Preissteigerung im Bauwesen kommt nicht primär vom Holz. Das möglicherweise verloren gegangene Vertrauen in den Baustoff Holz muss umgehend wieder hergestellt werden.

Zur Person

Lutz Schmelter ist 44 Jahre alt, in Saalhausen aufgewachsen, und studierte nach dem Abitur am Gymnasium der Stadt Lennestadt Betriebswirtschaft in Mosbach (Baden-Württemberg), Leipzig und Atlanta (USA).

Seit 2003 ist er Geschäftsführer der Josef Schmelter GmbH und leitet das Familienunternehmen in der 3. Generation.

Er ist Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Säge- und Holzindustrie.

Schmelter ist verheiratet und Vater zweier Kinder