Kreis Olpe. Während Einzelhändler wie Kerstin Pursian aus Attendorn für das Terminshopping öffnen dürfen, gucken die Gastronomen mal wieder in die Röhre:

Es scheint, als würde langsam etwas Normalität einkehren. Zumindest in kleinen Schritten. Denn ab kommenden Montag stehen weitere Lockerungen im Lockdown an. Doch nicht alle profitieren davon. Die Gastronomen müssen weiterhin warten. Aber wie reagieren der Einzelhandel und die Dienstleister, die jetzt kurzfristig wieder öffnen dürfen? Unsere Zeitung hat sich umgehört.

Gastronomie

„Es ist eine Katastrophe, dass wir nicht öffnen dürfen“, sagt Bernhard Schwermer, Gastronom und DEHOGA-Kreisvorsitzender aus Heinsberg. Er selbst betreibt das Restaurant im Rhein-Weser-Turm und verkauft seine Ware derzeit über einen Fensterverkauf am Wochenende. Er wünscht sich endlich eine Perspektive und kritisiert, dass die Gastronomie von der Politik nicht mehr gesehen würde. Entweder würde sie „weggeredet“ oder „totgeschwiegen“.

„Wir befinden uns jetzt im fünften Monat, in dem wir unseren Beruf nicht ausüben können“, so Schwermer. Diesen Zustand müsse man sich einmal in der Industrie vorstellen. Die von der Politik geschürten Corona-Rettungsschirme seien nicht ausreichend. Am meisten stört ihn aber die mangelnde Wertschätzung: „Wir sind vielleicht nicht systemrelevant, aber spaßrelevant.“

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Bernhard Schwermer fühlt sich wie viele andere Gastronomen in der Region ohnmächtig. Ihm ist bereits das Wintergeschäft weggebrochen, das Ostergeschäft steht noch bevor. Doch wer weiß, wie das aussehen wird? „An Wochenenden mit gutem Wetter machen wir normalerweise an einem Samstag um die 100 Essen, am Sonntag um die 200.“ Die Fensterverkäufe am Wochenende bringen lange nicht so viel ein. „Im Jahr 2020 hatten wir Gastronomen in der Region einen Umsatzrückgang von 35 Prozent“, so Schwermer. Doch die Wiedereröffnung der Gastronomie ist weiter nicht in Sicht. „Dabei sind wir eine Branche, die die Hygienekonzepte sehr gut umgesetzt hat.“

Körpernahe Dienstleistung

Die Freude ist da – aber auch ein wenig die Verwunderung. So geht es zumindest Maxi Wagner. Sie ist Kosmetikerin in Öhringhausen und darf ab Montag wieder öffnen. Eine Entscheidung, mit der sie nicht gerechnet hat. Immerhin seien körpernahe Dienstleistungen bislang so kritisch gesehen worden. Und jetzt bei noch recht hohen Infektionszahlen plötzlich wieder eine Arbeitserlaubnis?

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„Ich freue mich natürlich wirklich“, sagt Maxi Wagner. „Aber es kommt einfach überraschend.“ Ab Montag ist die Inhaberin des Kosmetikstudios „Maximale Schönheit“ erstmal auf einer Fortbildung in München. Das heißt, sie startet eine Woche später. Aber wie genau das ablaufen soll, weiß sie noch nicht. Denn für einige Dienstleistungen müssen die Kunden einen negativen, tagesaktuellen Schnelltest vorlegen. Das gilt immer dann, wenn die Schutzmaske abgenommen werden muss, beispielsweise beim Pigmentieren der Lippen oder einer Gesichtsbehandlung.

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Wer zahlt das? Wie soll das ablaufen? Können Kunden die Tests bei ihr vor der Tür machen? „Es fehlen einfach noch Informationen“, sagt Maxi Wagner. „Und dafür finde ich die Öffnung sehr spontan. Man will ja auch nichts falsch machen.“

Einzelhandel I.

Bis nachts um vier Uhr hat das telefonische Teamgespräch bei „Trag’s mit Fassung“ nach den Beschlüssen gedauert. Wie gehen wir am besten vor? Wie wird das personell geregelt? Schließlich ist das Attendorner Geschäft längst ein kompletter Online-Shop geworden. „Hier sieht es aus wie bei Amazon“, sagt Inhaberin Melanie Allebrod. „Kartons und Paletten stehen hier rum, das würden wir bis Montag gar nicht hinbekommen.“ Aber das ist nicht alles: Melanie Allebrod ist vor allem darauf angewiesen, dass der Online-Shop, der auch in der Corona-Zeit floriert, weiter läuft. Und dafür braucht sie Personal. Um das stemmen zu können, wird zunächst nur das Geschäft in Olpe geöffnet.

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Dort darf ein Kunde pro Stunde nach Terminvergabe dann shoppen. Wirtschaftlich ist das nicht, sagt Melanie Allebrod. Aber es gehe ihr um die Kunden. „Wir haben uns echt lange den Kopf zerbrochen, wie wir das regeln können“, sagt sie. „Wir freuen uns auch auf die Kunden, dass sie endlich wieder kommen können. Aber für uns ist das ein logistischer und finanzieller Aufwand. Wir müssen erstmal schauen, wie das in Olpe angenommen wird.“

Einzelhandel II.

Terminshopping lautet also das Zauberwort für den Einzelhandel. Kleinere Geschäfte wie zum Beispiel „Wunderbar“ von Kerstin Pursian in Attendorn dürfen ab Montag – sofern der Inzidenzwert unter der Marke von 100 bleibt – nach Terminvereinbarung wieder Kunden hineinlassen. Das Prinzip: Wer in Pursians Laden in der Niedersten Straße in der Attendorner Innenstadt ein bisschen stöbern möchte, muss sich vorher telefonisch, per Mail, Facebook oder Instagram einen Termin holen.

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Zwei bis maximal drei Kunden könne die Inhaberin in ihrem rund 140 Quadratmeter großen Geschäft parallel hineinlassen, ohne gegen die strengen Hygiene- und Abstandsregeln zu verstoßen. „Ehrlicherweise habe ich gar nicht damit gerechnet, dass wir nach Terminvereinbarung schon wieder Kunden begrüßen dürfen. Das hatte ich erst für Ende März gedacht. Es ist ein kleiner Schritt“, betont Pursian, die unter anderem Damen- und Herrenmode, Accessoires, Schmuck, Taschen, Schuhe und Geschenkartikel verkauft.

„Die Menschen sind untershoppt. Sie wollen wieder physisch einkaufen und freuen sich auf die Öffnungen.“ Bis Montag wolle die Verkäuferin, die zuletzt ihre Winterware reduziert an den Mann oder die Frau gebracht hat, den „Laden auf Vordermann bringen“. Um dann wieder durchzustarten.