Olpe. Uta Esapathi aus Olpe ist seit 27 Jahren Hebamme, hat unzählige Babys begleitet. Für sie ist es eine Berufung, obwohl die Arbeit erschwert wird.

Wie viele Wunder Uta Esapathi in ihren 27 Berufsjahren schon erlebt hat, kann sie nicht mehr zählen. Aber jedes sei einzigartig und immer wieder schön. Unzählige Geburtskarten hängen an der Pinnwand ihrer Praxis in Olpe. Babys, die mit ihrer Hilfe auf dem Weg ins Leben begleitet wurden. Hinter jeder Karte steht eine wundervolle Geschichte. „Hebamme ist ein toller Beruf“, sagt Esapathi. „Ich mache das aus Überzeugung und Leidenschaft.“

Wenn Esapathi über ihre Arbeit spricht, dann zeigt sie sich berührt. Von der Dankbarkeit der Frauen, die sie betreut hat, von bedeutungsvollen Verbindungen, die bis heute andauern. „Ich weiß zum Beispiel, dass mein erstes Hausgeburtskind gerade fertig mit dem Studium ist“, erzählt sie und lächelt dabei zufrieden. Sie darf ein Teil jeder einzelnen Geschichte sein.

Auch interessant

„Ich habe selbst tolle Schwangerschaftsmomente erleben dürfen und bin froh, diese Erfahrungen an die werdenden Mütter weitergeben zu können“, sagt Esapathi. Sie hat drei erwachsene Kinder (23, 25 und 27 Jahre alt), zwei davon hat sie Zuhause entbunden. Sie kennt also die Bandbreite der Emotionen: von Sorgen, Vorfreude und Schmerz bis hin zu bislang unbekannten Glücksgefühlen. Und bei jeder Phase ist Esapathi dabei.

Erschöpfung, Schmerz und Glück

Vor allem Frauen, die zum ersten Mal Mutter werden, können sich unsicher im Hinblick auf Schwangerschaft und Geburt fühlen. „Medien können dieses Gefühl noch verstärken, indem sie Bilder von makellosen Frauen zeigen, friedlich schlafenden Babys und lächelnden Familien. Das ist ein Teil der Realität, aber nicht die ganze“, weiß Esapathi. Erschöpfung, Schmerz und Überforderung gehören auch dazu. „Das erlebt jede junge Familie, darüber sollte man sich klar sein, wenn man sich mit anderen vergleicht, die vermeintlich perfekt sind.“ Aus ihrer jahrelangen Erfahrung weiß sie: Keiner ist es.

Auch interessant

Bei Geburten spiele auch immer die Generationenfrage eine große Rolle. „Mütter geben dahingehend nur selten Details an ihre Töchter weiter.“ Dementsprechend wisse keine Mutter, was genau auf sie zukomme. Das Körpergefühl und die jeweilige Schwangerschaft sei sowieso ganz individuell. Und auch die Wehen und der Geburtsschmerz seien einzigartig. „Eine Frau, die zum ersten Mal Mutter wird, hat noch keine Erfahrung mit dieser Art von Schmerz gemacht. Es ist ein ‘sinnvoller’ Schmerz, weil er mir etwas bringt. Er bringt mich näher zu meinem Kind.“ In der Endphase der Geburt erlebe die Mutter eine derart hohe Oxytocin- und Endorphin-Ausschüttung, die eine ähnliche Wirkung wie Doping habe. Auch das gehöre zum Wunder.

„Wichtig ist, dass man die Frauen mit viel Fingerspitzengefühl behandelt“, betont Esapathi. Generell habe eine Hebamme eine große Verantwortung. Nicht nur für Mutter und Kind, sondern für die ganze junge Familie. Die brauche nämlich vor allem Raum und Zeit, um ihren neuen Platz in der Welt zu finden.

Corona: Hebammen wurden nicht mit Schutzkleidung ausgestattet

Hinzuziehungspflicht

Das Hebammengesetz umfasst insgesamt neun Teile sowie 80 Paragraphen und ist am 1. Januar 1939 in Kraft getreten. Darin ist in Paragraph 4 festgehalten, dass Ärzte verpflichtet sind, „dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Geburt eine Hebamme zugezogen wird.“

Im September 2019 hat der Deutsche Bundestag einen Gesetzesentwurf zur Reform der Hebammenausbildung verabschiedet. Demnach werden angehende Hebammen künftig in einem dualen Studium ausgebildet. Praxiseinsätze finden sowohl im Krankenhaus als auch im ambulanten Bereich, zum Beispiel bei einer frei beruflichen Hebamme oder in einem Geburtshaus statt. Insgesamt soll das duale Studium mindestens sechs und höchstens acht Semester dauern und wird mit einem Bachelor und einer staatlichen Prüfung abgeschlossen.

Während der Deutsche Hebammenverband diesen Gesetzesentwurf befürwortet und ihn als eine Bestätigung für die Hebammenhilfe als wichtige Aufgabe versteht, sieht die Ärzteschaft die Änderung tendenziell kritisch. Das betrifft auch den Paragraphen, der die Hinzuziehungspflicht einer Hebamme regelt. Doch gerade diese ermöglicht es bis heute, dass jede Frau, unabhängig vom Geburtsort, von einer Hebamme – die Fachfrau für die normale, natürliche Geburt – begleitet wird.

Wie in allen Lebensbereichen hat Corona auch die Arbeit von Hebammen verändert. Lange Zeit war die Praxis von Esapathi geschlossen. Stattdessen beriet sie die Familien per Video-Telefonie. In den Fällen, in denen persönlicher Kontakt zwingend erforderlich war – wie bei der Geburt selbst oder auch bei Nachsorge-Untersuchungen – musste Esapathi von Anfang an mit Mundschutz arbeiten.

Das Problem: Hebammen wurden nicht mit der notwendigen Schutzkleidung ausgestattet. „Der Landesverband der Hebammen war total überfordert. Wir fühlten uns ziemlich alleingelassen“, erinnert sich Esapathi. Anfangs habe sie sich einen Bademantel übergezogen. „Es war eine verrückte Zeit.“ Es ärgert sie, dass Hebammen trotz ihrer Systemrelevanz offenbar übergangen wurden. „Wir haben leider keine Lobby.“

Trotz der fehlenden Wertschätzung seitens der Politik weiß Esapathi, dass sie als Hebamme ihre Berufung gefunden hat. „Ich erlebe ganz viel Sinn in meinem Tun, das motiviert mich jeden Tag aufs Neue. Selbst an einem zwölf-Stunden-Tag gibt mir die Arbeit so viel positive Energie zurück.“ Denn von den Familien erfahre sie ganz viel Anerkennung und Dankbarkeit. Davon zeugen nicht nur die vielen Geburtskarten an der Pinnwand.