Kreis Olpe. Hebamme Nicole Heßmann beklagt einen großen Mangel im Kreis Olpe. Täglich muss sie Frauen absagen, die eine Hebamme für das Wochenbett suchen.
Es ist jedes Mal etwas Besonderes, wenn ein Baby auf die Welt kommt. Der erste Schrei des Kindes, die Freude der Mutter, die Erleichterung beim Vater. Nicole Heßmann hat schon viele Schwangerschaften und Geburten begleitet. Die 45-Jährige ist leitende Hebamme im St.-Martinus-Hospital und Teil der Praxis „Klapperstorch“ in Olpe. Sie liebt ihren Job, betont jedoch, dass sich dringend etwas ändern müsse: „Es gibt viel zu wenige Hebammen“, sagt sie. „Ich muss täglich vier bis fünf Frauen absagen, die eine Hebamme für das Wochenbett suchen.“
Nicole Heßmann kommt aus Saalhausen. Zwölf Jahre lang hat sie im Ruhrgebiet gewohnt, lebt seit 2006 wieder im Sauerland und ist selbst Mutter von drei Kindern. Ursprünglich hat sie in Bochum Lehramt und Wirtschaftswissenschaften studiert. 1999 bekam sie ihre Tochter und hat gemerkt, „dass der Beruf der Hebamme doch viel schöner ist“. Also hat sie 2003 ihre Ausbildung an der Hebammenschule in Bochum gemacht. „Damals waren wir noch richtig viele“, erinnert sie sich. „Als wir mit dem Examen fertig waren, waren wir eigentlich alle arbeitslos, weil es keine Stellen gab.“ Der Schritt in die Selbstständigkeit war für sie damals eine Notlösung. Im Januar 2007 hat sie zusammen mit Sarah Becker die Hebammenpraxis „Klapperstorch“ in Olpe eröffnet.
Nicht unter zehn Stunden
Mittlerweile kann sich sie vor Anfragen kaum retten. Dementsprechend hoch ist die Arbeitsbelastung. Schwangerschaftsvorsorge, Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden, Geburtsvorbereitungskurse, Wochenbettbesuche, Rückbildungskurse – und Geburten im Kreißsaal gehören zu ihren Aufgaben. „Ich arbeite keinen Tag unter zehn bis zwölf Stunden“, sagt sie. Seit zwei Jahren hat sie die halbe Stelle als leitende Hebamme im Olper Krankenhaus inne. Das möchte sie nun zugunsten ihres Familienlebens reduzieren.
Doch woran liegt es, dass Hebammen fehlen? Zum einen hat sich die Haftpflichtprämie für freiberuflich in der Geburtshilfe tätige Hebammen deutlich erhöht. Es gibt zwar seitens der Krankenkassen eine Ausgleichszahlung in Form eines Sicherstellungszuschlags, diese mildert die finanzielle Belastung der Hebammen zwar ab, ist aus Sicht des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) aber nicht ausreichend. Der Verband hat lange für die Akademisierung des Berufes gekämpft. Erfolgreich. Ziel war es, den Stellenwert und die Verdienstmöglichkeiten von Hebammen zu erhöhen.
Stichtag warder 18. Januar
Eine EU-Richtlinie fordert für alle Mitgliedstaaten die Überführung der Hebammenausbildung an die Hochschulen bis zum 18. Januar 2020. Deutschland ist, gemeinsam mit drei kleinen anderen Ländern Europas, das Schlusslicht bei der Überführung der Ausbildung auf hochschulisches Niveau.
Im Oktober 2018 gab das Bundesgesundheitsministerium bekannt, künftig das duale Studium für Hebammen einzuführen.
Weitere Infos unter www.hebammenverband.de
Eine Reform, die für die Chancengleichheit auf dem innereuropäischen Arbeitsmarkt nötig war. Jedoch grenzt dies die potenziellen Berufsanwärter ein: „Alle ohne Abitur fallen raus“, sagt Nicole Heßmann. „Und da gibt es einige, die das auch könnten.“
Genaue Zahl ist unklar
Aber wie viele Hebammen praktizieren derzeit im Kreis Olpe? Beim Fachdienst Gesundheit und Verbraucherschutz des Kreises Olpe sind aktuell 51 Hebammen gelistet. Doch ob tatsächlich alle aktiv sind, ist unklar, da zwar eine Anmeldung Pflicht ist, eine Abmeldung aber nicht. Eine entsprechende Befragung läuft zurzeit, teilt Pressesprecher Hans-Werner Voß auf Anfrage mit. Nicole Heßmann betont jedenfalls, dass der Bedarf groß ist. „Egal, wo man hin will, jedes Krankenhaus sucht zurzeit“, sagt sie. „Wir würden auch sofort Hebammen anstellen, obwohl wir hier derzeit noch gut dastehen.“
Nicole Heßmann hat ihre Berufswahl nicht bereut. Auch wenn Frauen heute nicht zuletzt durch das Internet zunehmend verunsichert seien vor einer Geburt. Es seien die vielen kleine Momente, die die Hebamme regelmäßig für ihre Arbeit entschädigten. So erinnert sie sich an einen Notkaiserschnitt im Jahr 2009. Es war ein kleines Wunder, dass das Kind gesund zur Welt kam. „Der Opa war mal mit dem Kind hier“, erzählt sie. „Als er mich sah, sagte er zu dem Kind, schau mal, die Frau hat dir das Leben gerettet. Die Menschen begegnen mir mit sehr viel Dankbarkeit.“