Attendorn. Zufällig kommt Hartmut Hosenfeld in den Besitz eines jüdischen Grabsteins, auf dem der Name „Süskind Mayer“ verewigt ist. Gefunden in Rothemühle.

Wer hat schon einen fremden Grabstein im Garten? Dazu einen aus dem 19. Jahrhundert mit deutscher und hebräischer Schrift auf beiden Seiten. Bei Hartmut Hosenfeld stand der rund ein Meter hohe und 50 Zentimeter breite Grabstein, von dem dieser Bericht handelt, bis vor kurzem auf dem Rasen. Und es ist eine ganz besondere Geschichte, die der ehemalige Schulrektor erzählt.

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Nach „Jüdisch in Attendorn“ (2006) und „Gabriel, ein unbekannter Stern in Attendorn“ (2014) arbeitet Hartmut Hosenfeld an seinem dritten Buch über das jüdische Leben in seiner Wahlheimat. „Es gibt eine Menge Neues“, berichtet Hosenfeld. Nach dem ereignisreichen Veranstaltungsjahr „Shalom 2018“ aus Anlass des 80. Jahrestages des Novemberpogroms auch in der Hansestadt, mit der Einweihung der Gedenkstele auf dem jüdischen Friedhof als Höhepunkt, hat es der pensionierte Schulrektor etwas ruhiger angehen lassen. In seinem neuen Werk will er die Geschichte seines ersten Buches weitererzählen, hat neue Quellen entdeckt und viele Informationen gesammelt und blickt auf „Shalom 2018“ zurück.

Eines vorweg: Es ist kein Zufall, dass dieser Stein bei Hosenfeld gelandet ist, denn der pensionierte Pädagoge beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Geschichte des früher so vielfältigen jüdischen Lebens in Attendorn. „Hosenfeld und seine Steine“, schmunzelt der Mann, der viel über die jüdische Gemeinde in der Hansestadt zu erzählen weiß und darüber auch zwei Bücher geschrieben hat. „Erst die Stolpersteine, dann die Gedenkstele auf dem jüdischen Friedhof und jetzt dieser Grabstein“, zählt Hosenfeld auf.

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Den auf dem Kopf stehenden schweren Stein in seinem Garten hat er gründlich gereinigt und ist dabei auf den jüdischen Namen Süskind Mayer gestoßen, geboren am 14. Juli 1814 – gestorben am 29. März 1884 im hessischen Lang Göns (heute Langgöns), einer Gemeinde im mittelhessischen Landkreis Gießen.

Aber wie kommt der Grabstein in den Garten von Hartmut Hosenfeld? Alles begann vor einigen Wochen mit dem Anruf eines Händlers aus Rothemühle, der seinen Betrieb aufgeben wollte. Vor vielen Jahren hatte der Mann Bauschutt aus Hessen zum Verfüllen einer Grube gekauft. Erst jetzt entdeckte der Rothemühler darin einen Stein mit hebräischen Schriftzeichen.

Erste Preis vom Kreis Olpe

An den Anruf aus der Gemeinde Wenden kann sich Hartmut Hosenfeld noch genau erinnern. „Sind sie der Hosenfeld aus der Zeitung?“, meldete sich die Stimme am anderen Ende der Leitung.

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Der Rothemühler hatte von der Arbeit des im besten Sinne des Wortes Heimatforschers gelesen, der zusammen mit Mitstreiter Tom Kleine im letzten Jahr für die Initiative „Jüdisch in Attendorn“ den zum ersten Mal vergebenen Preis des Kreises Olpe „Kein Platz für Extremismus und Rassismus“ erhielt.

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Corona-bedingt kam erst einige Zeit später wieder Bewegung in die Angelegenheit. Inzwischen hatte der Sohn des Anrufers aus Rothemühle im Internet geforscht und die Stadt Attendorn informiert. Hartmut Hosenfeld setzte den Landesverband der jüdischen Gemeinden für Westfalen-Lippe in Kenntnis.

Den Stein mit einem Freund abgeholt

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Ende April fuhr der Attendorner nach Rothemühle, sah sich den Grabstein an und machte Fotos. Zusammen mit seinem Freund Günter Rotthoff holte Hosenfeld dann den schweren Stein ab. „Zuhause habe ich dann angefangen, den Grabstein zu reinigen“, berichtet Hosenfeld, „mit Wasser und Wurzelbürste“. Nach und nach gab der graue Stein sein Geheimnis preis.

Zuerst entdeckte der pensionierte Schulrektor die beiden Zahlenreihen mit den Geburts- und Sterbedaten, dann kamen zwei segnende Hände zum Vorschein und die Inschrift „Friede seiner Asche“. Den Namen entzifferte Hartmut Hosenfeld erst später: Süskind Mayer. Damit endete die Detektivarbeit von Hosenfeld aber noch nicht.

Er rief bei der Gemeinde Langgöns an und erreichte dort Gemeindearchivarin Marei Söhngen-Haffer. Die fand heraus, dass Süskind Mayer auf dem jüdischen Friedhof im Nachbarort Großlinden begraben worden ist, im Grab mit der Nummer 81. Das dokumentiert auch ein Foto von 1994, das Hartmut Hosenfeld im Internet entdeckt hat. Der Grabstein fehlte seit ein paar Jahren. Niemand ahnte, dass er längst in Rothemühle gelandet war.

Abenteuerliche Reise fast beende

„Der Stein ist hier auf Urlaub, ich passe auf ihn auf“, weiß Hosenfeld, dass die abenteuerliche Reise des Grabsteins nicht beendet ist. Zwar müssen sich die betroffenen Bürgermeister in Hessen noch absprechen. Aber der Grabstein des jüdischen Ellenwarenhändlers (Tuchhändler) Süskind Mayer aus Langgöns soll wieder in seiner Heimat aufgestellt werden. „Wir bekommen eine Einladung“, freut sich Hartmut Hosenfeld. Der Grabstein ist bis dahin an einem sicheren Ort.