Olpe. Der Preis des Kreises Olpe „Kein Platz für Extremismus und Rassismus“ geht an die Initiative „Jüdisch in Attendorn“. Großes Engagement gelobt.
Es war ein bedeutender Tag im Kreishaus: Erstmals wurde der vom Kreis Olpe ausgeschriebene Preis „Kein Platz für Extremismus und Rassismus“ verliehen. Landrat Frank Beckehoff übergab ihn nach Beschluss des Kreistages vom 1. Juli 2019 an die Initiative „Jüdisch in Attendorn“ in Person von Hartmut Hosenfeld und Tom Kleine. „Sie leisten einen unermesslich wichtigen Beitrag gegen Rassismus und Judenhass und für ein respektvolles Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft“, unterstrich der Landrat. „Sie sind die ersten Preisträger dieser Auszeichnung, die Maßstäbe gesetzt haben.“
Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sich Hartmut Hosenfeld, ehemaliger Schulleiter der Albert-Schweitzer-Schule, mit der Geschichte der früheren jüdischen Gemeinde Attendorn. 2006 erschien in der Schriftenreihe „Jüdisches Leben im Kreis Olpe“, die anlässlich der 50. Wiederkehr der Reichspogromnacht vom Kreistag initiiert wurde, seine Dokumentation „Jüdisch in Attendorn“, 2014 dann „Gabriel, ein unbekannter Stern in Attendorn.“
Verschiedene Projekte organisiert
Im vergangenen Jahr nahm Hartmut Hosenfeld zusammen mit Tom Kleine, der vor drei Jahren die Homepage „Jüdisch in Attendorn“ entwickelte, den 80. Jahrestag der Novemberpogrome zum Anlass, unter dem Namen „Shalom 2018“ verschiedene kulturelle, schulische, sportliche und religiöse Projekte zu organisieren, die auch internationale Aufmerksamkeit auslösten. So der „Julius Ursell Weg“ als der erste jüdische Themenwanderweg in Deutschland oder die Gedenkstele auf dem Jüdischen Friedhof in Attendorn, an deren Enthüllung 50 Angehörige der Familie Ursell aus aller Welt teilnahmen. Daniel Roger, Enkel von Johanna Ursell (1942 in Auschwitz ermordet), sagte während der Zeremonie: „Wir werden immer wissen, wer unsere Vorfahren waren. Wir sind in der ganzen Welt verstreut, doch das heute ist eine symbolische Rückkehr.“
Tom Kleine dankte jenen, die „Shalom 2018“ und die Initiative „Jüdisch in Attendorn“ unterstützen. „Wir stehen hier stellvertretend für alle.“ Der Preis sei von unglaublicher Bedeutung in Zeiten, in denen Worte wie Holocaust wieder Eingang in den normalen Sprachgebrauch gefunden hätten und in denen man nicht wisse „ob man eine Rede von Hitler oder Höcke hört“. Und es sei berührend, diese „wunderbare Auszeichnung“ erhalten zu haben. „Shalom 2018 ist Geschichte. Aber die jüdische Geschichte in Attendorn wird hoffentlich lange weiterleben“, sagte Hartmut Hosenfeld. „Wenn mir jemand 1985, als ich den Vertrag zur Archivnutzung unterschrieben habe – die Arbeit war ja durchaus mit Risiken verbunden –, gesagt hätte, dass wir 2019 diesen Preis erhalten, hätte ich ihm vor den Kopf gezeigt.“ An Tom Kleine gewandt, sagte er: „Ich weiß mein Lebenswerk in guten Händen.“ Dieser erwiderte: „Ich kann mir keinen besseren Lehrmeister vorstellen.“
Sechs Millionen Gründe
„Es gibt sechs Millionen Gründe, Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten. Sie sind eine Bedrohung für unsere demokratischen Werte und eine Gefahr für den Bestand unserer weltoffenen Zivilgesellschaft“, betonte Ruth Jacob-Prinz. Die ehemalige Geschäftsführerin des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe ist die Tochter von Werner Jacob, der 1945 als Überlebender von Auschwitz in seinen Geburtsort Lenhausen zurückgekehrt war. Seine Geschichte ist unter dem Titel „Werner Jacob – Ich trage die Nummer 104953“ Thema des ersten Bandes der Schriftenreihe „Jüdisches Leben im Kreis Olpe“ und erschien 1997. Es gehe nicht darum, sich für Verbrechen der vorangegangenen Generation schuldig zu fühlen, betonte Jacob-Prinz. Aber es sei wichtig, die Erinnerung wach zu halten und Verantwortung zu tragen für die Gegenwart und für die Zukunft. Es genüge nicht, gefährliche Entwicklungen nur zu beklagen. Man müsse öffentlich auftreten gegen jede Art von Menschenfeindlichkeit. „Das tut die Initiative Jüdisch in Attendorn mit deren Herzen, Hartmut Hosenfeld und Tom Kleine. Sie erheben ihre Stimmen für die grundgesetzlich garantierte Menschenwürde.“
Wolfgang Hesse, Vorsitzender des Ausschusses für Sport und Kultur, hatte die Preisverleihung eröffnet und das Toleranz-Paradoxon (1945) des Philosophen Karl Popper angeführt: gegen Intoleranz helfe nur Intoleranz, denn sonst werde die Toleranz abgeschafft. „Es ist wunderbar, dass Sie hier alle Intoleranz zeigen.“ Einer anfangs kontroversen Debatte des Kreistags sei ein wichtiger und richtiger Beschluss gefolgt. Dass die Jurymitglieder sich einig waren, dass das Engagement von Hartmut Hosenfeld und Tom Kleine der Intention des Preises ganz und gar entspricht, betonte Frank Beckehoff. „Durch die Aktivitäten wird jüdisches Leben wieder sichtbar. Und aus der lebhaften Erinnerung wird stete Mahnung, gerade auch für jüngere und nachkommende Generationen“, unterstrich der Landrat und schloss seine Ansprache mit einem Zitat von Kurt Stern, dem Bruder von Gabriel Stern. „Wir alle müssen uns verpflichtet fühlen, gegen Unrecht aufzutreten, das einer ethnischen oder religiösen Minderheit oder Gruppe droht ... Schließlich geht´s auch dich etwas an, wenn deines Nachbarn Haus brennt.“