Olpe. Derzeit sind 200 Medikamente nicht lieferbar. Der Mangel ist eine Folge der Corona-Pandemie und des Sparkurses der deutschen Gesundheitspolitik.

Die Lieferengpässe bei Medikamenten im Kreis Olpe gehen weiter. „Eine Entspannung ist weiterhin nicht in Sicht. Es hat sich auf weitere Produkte ausgeweitet. Wir empfehlen bei einer Dauermedikation stets eine Reserve von drei bis vier Wochen anzulegen“, sagt Ulf Ullenboom, Inhaber der Apotheke am Markt in Olpe, im Gespräch mit unserer Redaktion. Und: „Das ist unser dringender Tipp. Es funktioniert nicht, wenn die Leute Freitagnachmittag nach der letzten Tablette mit einem Rezept kommen. Das erleben wir immer wieder.“

Kanada, USA und England überbieten Arzneimittel-Preise

Auch interessant

Eine Frau mit einer Schutzmaske steht in einer Straßenbahn. Ab montag gilt auch im Kreis Olpe hier die Maskenpflicht.
Von Verena Hallermann Roland Vossel und Britta Prasse

Waren es im Oktober vergangenen Jahres noch etwa 150 Medikamente, die nicht lieferbar waren, so seien es jetzt 200, berichtet Ullenboom beim Blick in seinen Computer: „Wir können die Leute, die etwas brauchen, noch bedienen, sind aber nicht flüssig. Es wird immer schwieriger, an Arzneimittel heranzukommen.“ Dabei hätten die Engpässe nichts mit der Corona-Krise zu tun, es gehe um die Preise: „Es ist nicht so, dass der Chinese nicht produziert. Er beliefert aber den, der am meisten zahlt. Kanada, USA und England sind bereit, mehr zu bezahlen. Die deutsche Gesundheitspolitik ist nicht bereit, mehr Geld in die Hand zu nehmen.“

Engpässe gebe es bei Blutdruckmedikamenten und Schilddrüsentabletten. Monatelang gab es zum Beispiel das Kombipräparat Jodthyrox nicht. Schilddrüsen-Patienten mussten umstellen auf die beiden Mittel Euthyrox und Jodid. Am 30. Januar war Jodthyrox dann plötzlich wieder da: „Viele Patienten sind umgestellt worden. Eine erneute Umstellung wäre jetzt unsinnig.“ Diese müsse auch immer mit dem Arzt abgeklärt werden.

Auch interessant

Schlimme Engpässe gebe es derzeit beim Antidepressivum Doxepin. „Es ist fast gar nicht zu bekommen. Das ist schon kritisch für öffentliche Apotheken“, so Ulf Ullenboom. Zahlreiche Patienten seien aber darauf angewiesen.

Lieferprobleme gebe es aktuell zudem bei Cotrimoxazol, einem Antibiotikum gegen Blaseninfektion. Interessant sei, dass Calcium-Brausetabletten derzeit gar nicht lieferbar seien: „Sämtliche Produktion ist im ostasiatischen Raum. Das kriegst du nicht herbei, weil alles auswärts hergestellt wird. Wir haben uns in gewisser Weise abhängig gemacht.“

Logistikprobleme bei Großhändlern

Auch interessant

Aufgrund der Corona-Pandemie sei die Situation für die Apotheken angespannt, so Ullenboom: „Wir erledigen auch viele Serviceleistungen und holen zum Beispiel Rezepte in den Arztpraxen ab. Hinzu kommen die Logistikprobleme. Die Großhändler haben einen Wahnsinnswust an Nachlieferungen. Wir müssen immer wieder nachfragen.“

Nicht nachvollziehen kann Apotheker Ullenboom den Aufruf von Gesundheitsminister Jens Spahn, sich mit Pneumovax 23 gegen Lungenentzündung impfen zu lassen: „Er hat das mit der Impfung so dringlich gemacht, aber vorher nicht nachgefragt, wieviel noch da ist. Folge war, dass innerhalb kürzester Zeit der Bedarf von neun Monaten weg war. Jetzt gibt es nur noch sporadisch Ware aus Japan, die nicht abgerufen worden ist, aber so langsam bekommen wir nichts mehr.“

Desinfektionsartikel sind auch in der Apotheke von Ulf Ullenboom Mangelware. Es gibt fast nichts und wenn, dann nur gegen hohe Preise. Handschuhe hat sich der Olper Apotheker bisher mit Hilfe von Andreas Stenzel vom Friseurgeschäft gegenüber besorgt. „Ich habe mich über ihn bedient. Da die Friseure nicht arbeiten durften, hatten ihre Großhändler Kapazitäten frei. Doch das ist jetzt auch vorbei“, sagt Ulf Ullenboom.