Herdecke. Das entdecken, was sonst im Vorbeigehen übersehen wird: Auf einer Stadtführung lässt Willi Creutzenberg Lokalgeschichte lebendig werden.

Jeden Tag den gleichen Weg zur Arbeit, Schule oder bei einem Spaziergang gehen, ohne wirklich zu wissen, was hinter den Mauern und Fassaden steckt, an denen man immer wieder vorbeiläuft. So geht es auch einigen Einwohnern oder regelmäßigen Besuchern der Stadt, die gerne mehr über das erfahren wollten, was häufig im Vorbeigehen ignoriert wird. Diese Möglichkeit gab es am vergangenen Sonntag bei einer Stadtführung durch die Herdecker Innenstadt.

Mit dem Fokus auf die individuelle Architektur begann der 90-minütige Rundgang durch den Bereich rund um Rathaus, Fußgängerzone und Bachviertel. Geleitet von Willi Creutzenberg, der seit 30 Jahren Mitglied des Heimat- und Verkehrsvereins von Herdecke ist, liefen die zehn Teilnehmenden bei einem gemütlichen Spaziergang quer durch Herdecke und konnten dabei viel Neues lernen. Neben Orten wie dem Rathausvorplatz, der Robert-Bonnermann-Grundschule, dem Bachviertel oder mehrere Seitenstraßen der Wetterstraße ging es auch die Fußgängerzone entlang sowie zum Frederunabrunnen, dem „Brunnen, der die Gründungsgeschichte des Herdecker Stifts präsentieren soll“, so erklärte es Creutzenberg.

Wissen weitergeben

Der ehemalige Lehrer am Friedrich-Harkort-Gymnasium kommt zwar nicht gebürtig aus Herdecke, sein Wissen konnte die Teilnehmenden jedoch mit erarbeiteten Informationen der letzten Jahre oder von Bauakten und Erzählungen über die Entwicklung der Stadt sowie ihrer Architektur überzeugen. Als langjähriger Geschichtslehrer der FHS findet er es besonders interessant über Architektur oder Bauweisen etwas zu lernen und verfasst auch selbst Texte zu verschiedenen Themen.

Der Architekt des HGWG-Gebäudes (Hauptverwaltung) in der Hauptstraße ist Jochen Weinert aus Hagen, das Bild zeigt den Bau kurz nach der Fertigstellung. Später wurde die Fassade gedämmt und so das Gebäude optisch entwertet.
Der Architekt des HGWG-Gebäudes (Hauptverwaltung) in der Hauptstraße ist Jochen Weinert aus Hagen, das Bild zeigt den Bau kurz nach der Fertigstellung. Später wurde die Fassade gedämmt und so das Gebäude optisch entwertet. © WP | Willi Creutzenberg

Sein Wissen weiterzugeben, ist bei den Bürgerinnen und Bürgern aus Herdecke oder der näheren Umgebung erfolgreich angekommen. Eine Teilnehmerin meinte, man mache sonst oft bei fremden Stadtführungen mit, doch diesmal auch im eigenen Zuhause. Der Rundgang durch die Stadt bei lockerer Atmosphäre führte zu einigen Nachfragen und großem Interesse an Informationen.

Fachwerkhäuser als Markenzeichen

Während für viele z.B. die Fachwerkhäuser als eine Art Markenzeichen von Herdecke gelten, gibt es auch einige weitere Baustile, die an den Gebäuden der Stadt vertreten sind. Dazu gehört unter anderem in einzelnen Fällen der Jugendstil, der sogenannte Heimatstil und einige neogotische Gebäude. Dabei waren einige Architekten am Werk, von denen während der Stadtführung vieles berichtet wurde. Beispielsweise gehörten dazu Adolf Zamel, Jochen Weinert oder Peter Wiel, der im 19. Jahrhundert als „Hausarchitekt von Herdecke“ galt, wie der Leiter der Stadtführung beschrieb.

Das Wohn- und Geschäftshaus an der Wetterstraße wurde vom Hagener Architekten Adolf Zamel nach dem Abriss der früher dort vorhandenen Fachwerkhäuser Kartenberg und Jägerhof geplant. Adolf Zamel war der nach dem Urteil des verstorbenen Stadtbaumeisters Gerd Brune der „wichtigste Architekt“ im Zusammenhang mit der Innenstadtsanierung in Herdecke in 1970/80er Jahren.
Das Wohn- und Geschäftshaus an der Wetterstraße wurde vom Hagener Architekten Adolf Zamel nach dem Abriss der früher dort vorhandenen Fachwerkhäuser Kartenberg und Jägerhof geplant. Adolf Zamel war der nach dem Urteil des verstorbenen Stadtbaumeisters Gerd Brune der „wichtigste Architekt“ im Zusammenhang mit der Innenstadtsanierung in Herdecke in 1970/80er Jahren. © WP | Willi Creutzenberg

Was dabei jedoch vor allem betont wurde, war die individuelle äußere Erscheinung der Gebäude und wie Häuser in modernen und alten Designs sich direkt gegenüber stehen. Einer dieser direkten Unterschiede ist auch in der Fußgängerzone zu sehen, wo im oberen Bereich viele Häuser in eher älterem, klassischem Stil zu sehen sind. Jedoch dient das Hagenkötter Gebäude als eine Art „Übergangsbau“, nach dem unterhalb immer modernere Bauten folgen.

Während der Führung ging es außerdem um alternative Pläne, die es in den vergangenen Jahren für das Rathaus oder weitere Häuser gab. Die Teilnehmenden lernten etwas über die Zeit, in der die heutige Fußgängerzone entstanden ist, über die Entwicklung mehrerer Häuser und über Veränderungen der Gebäude, wie der Nutzung mancher Gebäude vom Gemüsehändler, über ein Café bis hin zu einem Tapetengeschäft oder einem heutigen Friseursalon.

Neues über Herdecke erfahren

Den Teilnehmenden gefiel an der Stadtführung vor allem, dass Willi Creutzenberg „mit Leidenschaft“ die Führung geleitet hat und, dass es bis jetzt von ihm bereits mehrere Stadtführungen zu unterschiedlichen Themen gab. Eine Tour durch und über Herdecke generell gab es dieses Wochenende zwar zum ersten mal, aber zuvor führte Creutzeberg viele Interessierte schon durch die Stadt, mit Themen wie dem jüdischen Einfluss oder künstlerische Besonderheiten. Das dritte Mal bei einer Stadtführung von Willi Creutzenberg dabei, war auch Stefan Cordes-Schasse. Er findet es besonders spannend etwas über die Fragen „was war, was ist jetzt und warum ist es heute so?“ zu erfahren, geschichtliche Einblicke zu bekommen und Kenntnisse „aus dem Alltag herauszuziehen“, also etwas Neues über Bekanntes erfahren zu können.

Zum Schluss endete die Stadtführung am Sparkassengebäude. In der vergangenen Zeit gab es einige Veränderungen in der Herdecker Innenstadt. Aus einem „Dorf“ mit hauptsächlichen Grünflächen wurde die heutige Stadt, die das Zuhause vieler Menschen ist. Für die Zukunft plant Willi Creuzenberg noch weitere Stadtführungen zu neuen Infos und hofft auf viele Teilnehmer sowie neue Mitglieder für den Herdecker Heimat- und Verkehrsverein.