Herdecke. . Helmut „Auge“ Jürgens spaziert regelmäßig mit Gästen durch seine Heimat Herdecke. Bei den Stadtführungen legt er viel Wert auf Dönekes.
- Für Firmen oder Familien bietet Herdecker Urgestein Touren an
- Anmeldung für rund 90 Minuten erforderlich
- Startpunkt ist immer am Zweibrücker Hof
Da weiß einer, wovon er redet. Seit einigen Jahren bietet Helmut Jürgens Stadtführungen in und durch Herdecke an. Was im Zuge der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 als Versuch begann, ruft auch heute noch Interesse bei Firmen, Familienfeiern oder anderen hervor. Gab es in der Anfangszeit bis November 2011 noch einige Touren durch das Revier (über seine Geburtsstadt Witten nach Dortmund und Essen), sorgte eine Anfrage vom Hotel Zweibrücker Hof dann für regelmäßige Spaziergänge durch die Herdecker Altstadt und darüber hinaus.
Wenn das Herdecker Urgestein die Gruppe durch seine Heimatstadt führt, kann der 72-Jährige vor allem am Bachplatz viele Geschichten auspacken. Dort wuchs Helmut Jürgens als Sohn einer Metzger-Familie auf. Sein Vater suchte in Zeiten großer Arbeitslosigkeit nach einem beruflichen Neustart, 1936 kamen die Eltern in die Ruhrstadt. „Die und meine Großeltern aus Gelsenkirchen empfanden Herdecke als grüne Lunge.“ Hier hat Jürgens, abgesehen von drei Tagen in Witten, sein gesamtes Leben verbracht. Also kann er Gästen noch von Zeiten berichten, als Autos vom Bachplatz hoch in die Hauptstraße (heutige Fußgängerzone) fahren konnten oder es Übernachtungsmöglichkeiten für 32 Groschen gab. „Ich erzähle lieber Dönekes und reihe keine Jahreszahlen aneinander. Die Leute sollen merken, dass hier einer mit Herzblut dabei ist.“
Nach einer Idee von seiner Frau Gerhild kommen in der dunklen Jahreszeit auch Fackeln bei den Stadtführungen zum Einsatz. Generell will Helmut Jürgens den Gruppen „seine Heimatstadt näher bringen und ihnen zeigen, wie der humane Umbau seit den 1960-er Jahren abgelaufen ist.“ Er erläutert den „kulturellen Blick“ des damaligen Stadtdirektors Klaus Oehm, berichtet über die Auswirkungen der Firmenschließung von Heinrich Habig oder vom elterlichen Schlachthofplatz am Herdecker Bach.
Gruppen mit bis zu 20 Teilnehmern
Bis zu 20 Leute nimmt er mit auf seine heimatkundlichen Streifzüge, wobei das langjährige Mitglied des Ruderclubs Westfalen ausnahmsweise auch mal 40 Holländer durch Herdecke führte. Interessant war zudem eine Führung für eine Gruppe Rudertrainer, die in der DDR staatlich angestellt waren und nach der Wende französische Sportler fit machten. „Eine richtig schlechte Erfahrung mit Gästen habe ich noch nicht gemacht.“
Als er mit Besuchern mal eine Tour in Wetter beginnen wollte und mit dem Schiff unter dem Viadukt herfuhr, schilderte Jürgens die Auswirkungen der Möhne-Flut 1943. Beim Bericht über den Beinahe-Absturz eines Zuges, der über die zerstörte Brücke fahren wollte, erfuhr er von einer 92-jährigen Rundgang-Teilnehmerin aus Düsseldorf, dass sie an jenem 17. Mai in einem der Waggons gesessen habe.
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Nach regelmäßigen Terminen zu Beginn sind mittlerweile Anmeldungen und individuelle Terminabsprachen notwendig. Anfangs habe er zu viel gewollt und die Touren zu lang angesetzt, seit einiger Zeit will er nicht länger als eineinhalb Stunden um die Häuser ziehen. Bachplatz und Stift dürfen nicht fehlen, Ende und das Quartier Ruhraue schon. „Auch in der Altstadt gibt es moderne Elemente, wobei Fachwerkhäuser und der Ruhrsandstein oft einen Schwerpunkt darstellen.“ Pro Jahr begleitet er durchschnittlich 20 bis 30 Gruppen durch Herdecke, wobei Touren auch mal in die Freiheit von Wetter führen.
Zur Weiterentwicklung der beiden Städte und der anvisierten Freizeitaufwertung an den Ufern hat der 72-Jährige eine klare Meinung: „Man sollte das Bewährte schätzen lernen.“ Das touristische Angebot derzeit reiche aus, das zeigten die vielen auswärtigen Gäste am Quartier Ruhraue. Und noch ein Beleg: „Allein in der Herdecker Hauptstraße gibt es elf Möglichkeiten, einen Kaffee zu trinken.“
Spitzname seit Kindheitstagen
Seinen Spitznamen „Auge“ hat Jürgens übrigens seit Kindheitstagen. Seine konservative Familie lehnte die damals immer populärer werdenden Comic-Hefte ab, umso attraktiver waren sie für den jungen Helmut. Als Klassenkameraden neue Exemplare vorzeigten, „bekam ich derart große Kulleraugen, dass mich Freunde oder auch Familie Berger vom Minihotel fortan in der verkürzten Form ansprachen.“
Das erfuhr später auch seine Ehefrau Gerhild. Kurz nach ihrem Kennenlernen wollte sie ihren damaligen Freund am Ruderclub besuchen und fragte nach Helmut. „Den kannte keiner. Nach längerem Überlegen hieß es dann: ‘Ach Auge meinst du’“, erzählt sie lachend.