Wetter. Flyer, Notfallkarten, Ansprechpartner: Die Evangelische Stiftung Volmarstein hat gelernt, wie wichtig Vorbeugung bei Gewalt und Missbrauch ist
Jeder kann Opfer werden, alle müssen wissen, was nicht geht. In leichter Sprache sagt eine Broschüre der ESV, wo sexuelle Gewalt anfängt: „Jemand fasst Sie an, aber Sie wollen das nicht. Jemand zwingt Sie zum Sex, aber Sie wollen das nicht. Jemand verbietet Ihnen, darüber zu sprechen.“ Das kleine Heftchen „Sex selbst bestimmen“ ist nur ein Steinchen in einem ganzen Baukasten vorbeugender Maßnahmen. „Für uns sind die Themen Gewaltschutz und Umgang mit sexualisierter Gewalt nicht neu“, heißt es auf Nachfrage der Redaktion bei der ESV zur frisch vorgestellten Studie über sexuellen Missbrauch in der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Grenzüberschreitungen werden beschrieben
Über 800 Seiten dick ist eine Studie. Mit welchen Erwartungen hat die Evangelische Stiftung in Volmarstein auf die Vorstellung der Forschungsergebnisse geblickt? Aus Sicht der Stiftung hilft die Studie, Zusammenhänge besser zu verstehen und Risiken zu minimieren. Sie sei ein wichtiger Schritt in einer Daueraufgabe, die sich aus dem kirchlichen und diakonischen Auftrag der ESV ergebe, „nämlich entschlossen und sorgfältig gegen sexualisierte Gewalt vorzugehen.“ Gerade beim Thema Gewaltschutz sei die Stiftung seit der Aufarbeitung der schlimmen Zustände im Johanna-Helenen-Heim der frühen Nachkriegsjahre besonders hellhörig.
Niemand soll bei der ESV allein gelassen werden mit Fragen zu seiner eigenen Sexualität, aber auch beim Aufzeigen von Grenzen. Bei der Broschüre zur sexuellen Selbstbestimmung hat die Stiftung auf ein großes Format gesetzt. Es gibt Bilder, damit die Botschaften auch für Menschen mit einer geistigen Behinderung verstanden werden können. Vertrauenspersonen bieten sich mit ihrer Telefonnummer oder unter der Mailadresse sex-nur-wenn-ich-das-will@esv.de an. Aber auch ein Leporello (nicht viel größer als eine Scheckkarte) ermutigt zur klaren Ansage: „Sex – nur wenn ich das will!“ Sogar eine Notfallkarte für sexuelle Grenzüberschreitungen ist aufgelegt worden. Sie reicht von Sofortreaktionen bis zu Verhaltensanweisungen für Menschen, die mitbekommen haben, dass es sexuelle Grenzverletzungen gegeben hat.
ESV sieht sich gut aufgestellt
Der Schutz vor Gewalt und Missbrauch ist hoch angesiedelt bei der Stiftung. Verantwortlich seien Vorstand Markus Bachmann und die frisch eingestellte Leiterin des Zentrums für Theologie, Diakonie und Ethik, so die Auskunft. „Das Thema ist ,Chefsache‘“, heißt es bei der ESV. Dazu ist seit Jahren ein Fachreferent für Gewaltschutz und sexuelle Bildung im Einsatz. Und eigentlich sollen sich alle Mitarbeitenden als zuständig sehen, dass die Betreuten nicht zu Opfern werden. Jedes Jahr helfen Fortbildungen und Schulungen, im Falle von Grenzüberschreitungen professionell zu handeln.
Dass die ESV das Thema als Gesamtstiftung ernst nimmt, zeigt sich aus ihrer Sicht auch in der Platzierung des Themas „Gewaltprävention“ auf der Homepage der Stiftung. Leitlinien sollen dabei helfen, schnell das Richtige zu tun, wenn von einer Grenzüberschreitung berichtet wird. Dazu zählt auch das Bewusstsein, dass ein Verdacht auch schon mal falsch sein kann. Insgesamt will die Stiftung erreichen, dass die ihr anvertrauten Menschen keine Gewalt und keinen Zwang erfahren. Ebenso sollen aber auch die Mitarbeitenden vor Gewalt geschützt werden. Sollte sich dennoch Gewalt ereignen, würden den Betroffenen angemessene Hilfsangebote zuteil. Die ESV selbstbewusst: „Wir sind in der Auseinandersetzung mit (sexualisierter) Gewalt gut aufgestellt. Wir engagieren uns dafür, dass das so bleibt.“