Herdecke. Wenn wenig Wind weht und die Sonne sich versteckt, zeigt sich die wahre Stärke eines Kraftwerkes am Ufer des Hengsteysees in Herdecke
Winfried Hoppmann ist ein „alter Energiewirtschaftshase“. Das sagt er über sich selbst. Bis zu seinem Ruhestand vor fünf Jahren war er beim Energieversorger AVU Prokurist und Geschäftsbereichsleiter. Seit 2019 ist er auch einer der Gästeführer durch das historische Koepchenwerk. Landesbauministerin Ina Scharrenbach war eine der ersten, die am Eröffnungstag von seinem Wissen profitieren konnte. Seitdem steht Hoppmann regelmäßig Rede und Antwort, und immer wieder beziehen sich Fragen nicht nur darauf, wie das mit der Pumpspeichertechnik einst war.
Billig einkaufen, teuer verkaufen: Kraftwerke waren „Stromveredelungsmaschinen“
In den achtziger Jahren wurde neben dem in die Jahre gekommenen Koepchenwerk ein neues Pumpspeicherkraftwerk gebaut. Der große Wandel in der Bedeutung dieser Speichertechnik kam aber nicht mit dem Wechsel vom alten Maschinenhaus zu einer neuen Turbine. Entscheidend ist die Energiewende, die in Deutschland in den letzten Jahren vollzogen worden ist und die noch nicht ihr Ende erreicht hat. Je mehr Sonne und Wind zu Energielieferanten werden, umso wichtiger wird die Pumpspeicherei.
Alt und neu nebeneinander
Von 1927 bis 1930 errichtete das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) am Hengsteysee das deutschlandweit zweite Pumpspeicher-Kraftwerk.
Benannt wurde es nach seinem Planer Professor Arthur Koepchen.
In den Jahren 1985 bis 1989 wurde direkt angrenzend an das alte Werk am Seeufer das Pumpspeicherkraftwerk Herdecke gebaut.
Seit Januar 2017 befindet sich das Denkmal Koepchenwerk im Besitz der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur.
Für das neue Werk wurden unterirdisch neue Leitungen verlegt. Das Oberbecken ist 2016 aufgestockt worden.
Drei Aufgaben seien ihr lange Zeit zugekommen, erklärt Winfried Hoppmann. Für die Kraftwerksunternehmen sei es günstiger gewesen, Kohlekraftwerke oder auch Atommeiler durchgängig laufen zu lassen statt sie immer wieder hoch und runter zu fahren. Überschüssiger Strom sei günstig eingekauft zum Hochpumpen des Wassers ins Speicherbecken über dem Hengsteysee genutzt worden und zu Spitzenzeiten bei Bedarf in die Turbinen geflossen. Eine regelrechte „Stomveredelungsmaschine“ sei so ein Pumpspeicherkraftwerk gewesen.
Technisches Mittel gegen Dunkelflauten
Aber auch als Reserve für den Notfall sei das Koepchenwerk vorgesehen. Und zum Ausgleich in einem Netz, in das immer so viel Strom einfließen muss wie aus ihm herausgenommen wird. Winfried Hoppmann bemüht dazu bei seinen Führungen gerne das Bild eines Teiches, dessen Wasserspiegel nicht sinken soll. Werden ihm an der einen Stelle ein paar Eimer Wasser entnommen, müssen sie an anderer Stelle in gleichem Maße wieder zugeführt werden. Nur ist das Nachfüllen heutzutage von Wind und Wetter abhängig geworden. Und das lässt den Wechsel von Bedarfsspitzen und Überproduktion kurzatmigeren Regeln folgen.
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An Wintertagen wird das besonders deutlich. Selbst wenn der Wind ordentlich braust, stellt die Sonne schon am Nachmittag ihre Dienste für die Stromwirtschaft ein. Dabei ist am späten Nachmittag vielerorts auch energiefressende Produktion noch in vollem Gange. Solche „Dunkelflauten“ kämen ein paar Mal im Jahr vor, sagt Winfried Hoppmann. Auch die ausgefeiltesten Wettervorhersagen über Tage im Voraus könnten nicht verhindern, dass es schwierig werde mit dem Nachkippen von Wasser, um in seinem Bild für Besucherinnen und Besucher des Koepchenwerkes zu bleiben, das von der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur zugänglich gehalten wird.
Beim Durchstehen der Dunkelflauten kommen die Pumpspeicherkraftwerke ins Spiel. Acht Stunden „lädt“ das Koepchenwerk durch das Befüllen der Beckens, bis zu vier Stunden kann daraufhin Strom geliefert werden. Die Strommengen halten sich aber vergleichsweise in Grenzen. Aktuell wird viel mit Akkus probiert. Ausgediente Energiespeicher von E-Autos bekommen ein zweites Leben. Winfried Hoppmann muss gar nicht weit gehen, um diese Versuchsanordnungen zu sehen: RWE Power, Betreiber des neuen Koepchenwerkes, sammelt auf dem Werksgelände Erfahrung mit der Technik, die in neuen Dimensionen Energie speichern und bei Bedarf schnell wieder abgeben kann. Ohne dass dafür Wasser einem See entnommen werden muss, zu dem es dann wieder zurück rauscht.
Der „Energiewirschaftshase“ beobachtet gespannt, wie aktuell die Karten neu gemischt werden – auch im Spiel mit den Großabnehmern und Endverbrauchern. Gerade weil Pumpspeicherkraftwerke oder auch Riesen-Akkuanlagen nur sehr begrenzt auffangen können, wenn Sonne und Wind nur mäßig zur Stromproduktion beitragen, werden künftig wohl noch andere Wege beschritten werden. Bei Industriebetrieben, die besonders viel Energie in der Produktion brauchen, kann er sich ein Belohnungssystem vorstellen. Wer die Maschinen abstellt, wenn der allgemeine Bedarf besonders hoch ist, bekommt eine Vergütung als Ansporn.
Anreize zum Auslassen von Spülmaschinen oder Wäschetrocknern erwartet Hoppmann ebenfalls. Und kann dabei sogar auf Erfahrungen zurück greifen. Schon vor 15 Jahren habe die AVU, Stromanbieter unter anderem in Wetter, zeitvariable Tarife angeboten. Kurzfristig sei das für die Kunden interessant gewesen, hat er in Erinnerung, aber am Ende sei das dauernde Programmieren auf weniger nachgefragte Verbrauchszeiten zu umständlich gewesen. „Das muss automatisch sein“, hat er gelernt. Mittlerweile helfen vielleicht Handy-Apps. Und auch die stark gestiegenen Strompreise könnten Motivationshilfe sein, es den Pumpspeicherkraftwerken gleich zu tun und Strom gerade dann zu nutzen, wenn andere ihn nicht so stark brauchen.