Herdecke. Mit einem Messer bewaffnet, fordert ein Herdecker sechs Gläser Bier. An die Tat kann er sich nicht mehr erinnern. Er bereut es trotzdem.

Es war die kurioseste Straftat auf der Herdecker Maiwoche im vergangenen Jahr: Die Polizei fahndete nach einem „Bierräuber mit auffällig abstehenden Segelohren“. Jetzt stand der Täter (25) in Hagen vor Gericht - und wurde verurteilt.

Dummheit seines Lebens

Wenn man den Herdecker auf der Anklagebank sitzen sieht, glaubt man ihm sofort, dass er noch nie etwas mit einem Gericht zu tun hatte und, wie er beteuert, auch nie wieder zu tun haben wird. Der junge Vermessungstechniker macht einen ausgesprochen ruhigen Eindruck und ist zutiefst beschämt über das, was er im Suff getan hat und was er als „die Dummheit seines Lebens“ bezeichnet: Am 27. Mai vergangenen Jahres drängte er sich an den Bierstand eines Sportvereins, fuchtelte mit einer sieben Zentimeter langen Klinge herum und verlangte forsch: „Sechs Gläser Bier!“

Mit Messer sechs Gläser Bier gefordert

Der ungewöhnliche Vorfall ereignete sich am 27. Mai vergangenen Jahres im Rahmen der Herdecker Maiwoche in der Fußgängerzone. Es war ein Freitagmorgen gegen 2.30 Uhr, der Bierwagen an der Hauptstraße hatte längst geschlossen. Einige späte Gäste und Vereinsmitglieder standen noch herum, unterhielten sich fröhlich, bis plötzlich der Angeklagte an die Frontklappe torkelte und ein Klapp-Taschenmesser zückte: „Ihr gebt mir jetzt sechs Gläser Bier, sonst steche ich euch alle ab“.

Kriminalbeamter reagiert besonnen

Die Situation hätte schnell eskalieren können. Doch ein Kriminalbeamter (31) reagierte sehr besonnen, drehte extra noch einmal den Bierhahn auf und reichte dem Räuber zwei frisch gezapfte Gläser: „Mehr als zwei Gläser“, so der Kriminalbeamte im Zeugenstand vor dem Schöffengericht, „hätte er gar nicht halten können.“ Dann entfernte sich der Unbekannte in blauer Hose und schwarzem Oberteil mit den beiden Biergläsern in unbekannte Richtung. „Dass keine Geldbörse erbeutet wurde, ist schon erstaunlich“, kommentierte Richter Michael Brass aus Erfahrung, „zwei Biergläser sind eher eine ungewöhnliche Beute für einen Raub.“

Falsche Richtung nach Hause

Nach der Tat war der Bierräuber zu Fuß in die falsche Richtung getorkelt, bis er zu einem Waldstück kam: „Ich hätte Richtung Hagen gehen müssen, aber das war Richtung Dortmund.“ Er stellte die beiden Gläser ab, kletterte über einen Zaun, stürzte und renkte sich das Knie aus. Kurz nach vier Uhr morgens ging sein Notruf per Handy ein. Ein Rettungswagen holte ihn aus dem Wald und brachte ihn ins Gemeinschaftskrankenhaus. Dort wurde ihm um 5.52 Uhr eine Blutprobe entnommen: 1,7 Promille.

Keine Erinnerungen mehr

Der Angeklagte kann sich an den Tathergang nicht mehr erinnern. Kein Wunder bei einem zurückgerechneten Alkoholwert von 2,5 Promille zur Tatzeit. „So einen Wert kann man eigentlich nur aushalten, wenn man regelmäßig Alkohol trinkt“, warf Richter Brass ein. Ja, regelmäßig am Wochenende, mit Freunden, so die Antwort. Am Tattag habe er ab Mittag kontinuierlich getrunken: Bier, Jägermeister, Pfefferminzschnaps. Auch abends beim Grillen, Glas um Glas. Mehr als zwanzig Gläser seien es insgesamt gewesen. „Inzwischen kenne ich aber meine Grenzen. Seit dem Vorfall habe ich viel darüber nachgedacht“, sagt der 25-Jährige.

Gericht bleibt unter Strafmaß

Doch auch so eine Dummheit eines Betrunkenen ist ein Verbrechen, eine schwere räuberische Erpressung, für die das Gesetz, weil auch eine Waffe im Spiel war, eine Mindeststrafe von fünf Jahren Haft vorsieht. „Das ist hier jedoch kein normaler Fall“, befand die Staatsanwältin und Verteidiger Frank Breimhorst (Hagen) stimmte ihr zu: „Das war eine völlig sinnlose Tat.“ Beide forderten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung. Dieses Strafmaß hielt auch das Schöffengericht in seinem Urteil für angemessen: Der Angeklagte sei zum Zeitpunkt der Tat in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen. Es handele sich um einen minderschweren Fall: „Bei der Mindeststrafe von fünf Jahren hat der Gesetzgeber eher einen Räuber vor Augen, der mit vorgehaltener Pistole eine Bank betritt“.