Herdecke. Garant für gute Stimmung: Hans-Georg Kollotzek war Herdecker Sackträger aus Überzeugung. Nun wird er 80 - und blickt zurück.

30 Jahre lang war Hans-Georg Kollotzek als „Sackträger“ in Amt und Würden. In den Maiwochen von 1980 bis 2010 hat der Herdecker, der die Traditionsfigur mit Leib und Seele verkörperte, so manches erlebt. Anlässlich seines bevorstehenden 80. Geburtstages hat die Lokalredaktion ihn besucht und ihm Erinnerungen entlockt, witzige Anekdoten und denkwürdige Begegnungen rund um sein Ehrenamt. Dabei sprechen bei Hans-Georg Kolletzek daheim sogar die Wände wahrlich Bände – denn dort hängen Fotografien, Collagen und sogar handgeknüpfte Bilder aus seiner Zeit als Sackträger. Darüber hinaus füllen unzählige Zeitungsausschnitte und Dokumente eine dicken Ordner.

Wie sind Sie überhaupt Sackträger geworden?

Also die Maiwoche gibt es ja seit 1975. In den ersten fünf Jahren war mein Onkel Alfons Köster Sackträger. Und dann stellte man fest, dass ich der Neffe bin und das Amt somit in der Familie bleiben würde. Am 16. April 1980 bekam ich die Sackträgerlizenz, unterzeichnet von Hans-Dieter Weber. Die habe ich übrigens immer noch, das wissen die alle gar nicht (lacht).

Es gibt eine nette Anekdote, die für die große Bedeutung des Sackträgers in Herdecke steht...

In der Klasse meines Enkels Dennis wussten die Kinder, dass sein Opa Sackträger ist. Als sie dann mal gefragt wurden, wer Herdecke gegründet hat, meinten einige: Das ist der Opa von Dennis gewesen.

Was war eigentlich in dem Sack?

In dem blauweiß-karierten Leinensack waren das Ersatzkopfkissen von unserem Enkel und eine Flasche Sackträger-Schnaps. Der dreifach gebrannte Wacholder wurde damals in der Stiftsbrennerei gebrannt, heute macht ihn Habbel.

Die Maiwoche wurde ja früher länger gefeiert als heute...

Genau. Und zwar von Christi Himmelfahrt bis Pfingstmontag. In der Zeit wurde ich von meiner Arbeit freigestellt. In den ersten Jahren als Sackträger war ich manchmal 60 bis 70 Stunden unterwegs, in den letzten Jahren waren es dann nur noch zehn bis zwölf. In den anderthalb Wochen habe ich manchmal zehn Flaschen Sackträger-Schnaps verteilt. Die meisten gingen beim Bürgerfrühschoppen drauf.

Hans-Georg Kollotzek mit seiner Sackträger-Figur aus Ruhrsandstein vor einem Plakat mit Sackträgerbrunnen.
Hans-Georg Kollotzek mit seiner Sackträger-Figur aus Ruhrsandstein vor einem Plakat mit Sackträgerbrunnen. © WP | Elisabeth Semme

Am Ende der Maiwochen-Tage mussten Sie sich doch wahrscheinlich erholen, oder?

Nein, ich war trinkfest (lacht).

Aber Sie waren ja als lebendes Wahrzeichen der Stadt nicht nur während der Maiwoche unterwegs?

Nein, meine Einsätze gingen weit über die Maiwoche hinaus. So bin ich zum Beispiel mal in der Weihnachtszeit mit einer faltbaren Drehorgel durch die Stadt gezogen und habe Spenden für die Familiengemeinschaft von Pater Immekus gesammelt. Oder ich habe 2000 Bus-Freikarten an Ender Bürger verteilt, damit die in der Weihnachtszeit zum Einkaufen in die Herdecker Innenstadt kamen. Auch bei der Eröffnung der Eislauf-Saison im Freibad war ich dabei und habe Stutenkerle verteilt.

Und es gab ja auch durchaus Begegnungen mit Prominenten...

Auf jeden Fall. Die Schlagersängerin Andrea Jürgens war mal hier, weil sie mit dem Ehren-Sackträger von Herdecke ausgezeichnet wurde. Landtagspräsident Ulrich Schmidt kam zur Eröffnung der Maiwoche 2000, und Bürgermeister Hugo Knauer stellte mich ihm vor. Schmidt sagte sofort: Du kannst Uli zu mir sagen.

Es hängt eine Collage von Wencke Myhre in Ihrem Flur. Was hat es damit auf sich?

Ihr bin ich als Sackträger mal zusammen mit dem Herdecker Künstlermanager Wolfgang Kaminski im Lokal Bürgerhaus begegnet. Das war 1996. Ich habe sie um ein Autogramm gebeten, auf das sie dann auch noch geschrieben hat: Ich kenne niemanden, der seinen Sack mit so viel Würde trägt, wie Hans-Georg-Kollotzek (schmunzelt).

Sie haben den Sackträger so bekannt gemacht, dass es die Figur in allen möglichen Varianten gab...

Es gibt das Motiv als Tiffany-Fensterbild im Sackträger-Restaurant im Zweibrücker Hof. Zu meinem 43. Geburtstag habe ich einen Sackträger aus Ruhrsandstein von Harry Heußner bekommen. Außerdem gab es ihn aus Holz, aus Zinn, auf Leinwand und 2006 auch aus Schokolade. Den hat Guido Behrens vom Café Wenning gemacht.

Fassanstich zur Maiwoche mit Bürgermeister Hugo Knauer (links) am 26. Mai 1984.
Fassanstich zur Maiwoche mit Bürgermeister Hugo Knauer (links) am 26. Mai 1984. © WP | Repro: Elisabeth Semme

Meist sind ja die Symbolfiguren Sackträger und Stiftsdame gemeinsam unterwegs. An ihrer Seite war Vera Schildheuer damals Stiftsdame...

Richtig. Sie kam 1982 dazu. Sie konnte toll mit Kindern umgehen, überhaupt war es sagenhaft, wie sie mit Menschen umging. Sie war fantastisch, ich hätte mir keine bessere an meiner Seite vorstellen können.

Am 4. Juli werden Sie 80 Jahre alt. Wie feiern Sie den runden Geburtstag?

Mit einer kleinen Party und ruhiger. Nicht wie früher zu meiner Glanzzeit. Meinen 50. Geburtstag habe ich mit 180 Leuten im Kanuclub gefeiert. In den Stunden von 11 bis 18.30 Uhr waren 450 Liter Bier weg – Wasser, Fanta und Schnaps kamen noch obendrauf. Jetzt wird es ruhiger, aber auf jeden Fall wird es wieder lustig. Wenn wir auch nicht die Besten waren, wir waren aber immer die Lustigsten – auch in der Schule und beim Sport. Deswegen passte das Sackträger-Amt auch zu mir. Da muss man schon offenherzig sein und auf Menschen zugehen können.

Biografisches

Hans-Georg Kollotzek, geboren am 4. Juli 1943, wuchs in Herdecke auf und besuchte die katholische Volksschule.


1958 bis 1961 machte er eine Maurerlehre bei Reiss in Hagen, wo er anschließend drei Jahre arbeitete. Danach wechselte er als Polier in eine Hagener Brückenbaufirma.


Ab 1978 war Kollotzek bei den Technischen Betrieben
Herdecke, wo er sich 2008 als Disponent in den Ruhestand verabschiedete.


Hans-Georg Kollotzek hat einen Sohn, zwei Enkel sowie vier Urenkel und lebt mit Ehefrau Elke in Herdecke.