Herdecke. Ein E-Bike von E-motion: Herdecker denken dann an den erfolgreichen Händler André Walter. Der setzt nun auch auf ein Lasten- und Dreiradzentrum.
André Walter nutzt kaum noch das Wort Radfahren. Der Inhaber des heimischen E-Bike-Geschäfts E-motion redet von Mobilität, wenn er über seinen Fuhrpark spricht. Der befindet sich in seiner Heimatstadt Herdecke mittlerweile an drei Adressen: Am Westender Weg 3b erhält die Kundschaft klassische Elektroräder. In der Innenstadt hat er mit seinen Mitarbeitenden im ehemaligen Schuhgeschäft Hillebrand nun ein Lasten- und Dreiradzentrum eingerichtet, das befindet sich direkt neben dem bekannten Ladenlokal mit der Werkstatt an der Hauptstraße 14.
Die Aufteilung des Geschäfts mit zwei Standorten (einen weiteren in der Fußgängerzone hat er jetzt aufgegeben) bezeichnet André Walter als nicht optimal, doch aktuell stehe bei ihm im Oktober ein anderes Thema im Vordergrund: In diesem Monat will der Herdecker verstärkt auf Dreiräder mit Elektroantrieb hinweisen. Und das im Zuge der Mobilitätstage 2023, die die deutschlandweit agierende Fachhandelskette E-motion angestoßen hat. Die Verantwortlichen der 95 Fahrradläden entscheiden individuell, wie sie den Aktionsschwerpunkt ausgestalten. Interessierte in Herdecke sollten sich den Donnerstag, 26. Oktober, vormerken: Dann wollen die heimischen Radexperten nicht nur zu den gewohnten Öffnungszeiten in der Stadtmitte beraten, sondern auch schräg gegenüber auf dem Kampsträter Platz von 10 bis etwa 16 oder 17 Uhr verschiedene Aktionen wie etwa Probefahrten mit einem Dreirad anbieten.
Mobil bleiben als Schlagwort
Damit zum Kern der Sache. Ein Dreirad – klingt einerseits nach einem Fahrzeug für kleine Kinder, andererseits kommen einem mit Blick auf größere Ausführungen Menschen mit grauen Haaren oder mit Beeinträchtigungen in den Sinn. Das stimmt, meint André Walter: „Unsere Zielgruppe sind in dieser Hinsicht Kunden mit Einschränkungen oder Behinderungen sowie Leute im fortgeschrittenen Alter, die mobil bleiben wollen. Viele von denen sind zuvor oder früher mit einem E-Bike gefahren, können das aus unterschiedlichen Gründen aber nicht fortsetzen und interessieren sich daher für ein Dreirad.“
Und die Nachfrage nehme zu. „Das ist bei uns der am stärksten wachsende Geschäftszweig“, berichtet Walter, der im Lasten- und Dreiradzentrum einen Fachberater an seiner Seite weiß und natürlich auch die Herausforderungen dieser besonderen Fortbewegungsmittel kennt. Die Handhabung sei komplexer, solch ein Gefährt lasse sich zudem nicht mal eben in ein höheres Stockwerk befördern und brauche einen besonderen Abstellplatz.
Das sagt der ADFC
In den Reihen des Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Clubs (ADFC) gelten mehrspurige E-Bikes ebenfalls als klimabewusst. Darunter fallen Lastenräder, Zweiräder mit Anhängern, Liegeräder, Radgespanne für Familien und Dreiräder.
Letztgenannte nutzen demnach viele aus gesundheitlichen Gründen und seien damit „gesund unterwegs“.
In Frankfurt beispielsweise bietet der dortige ADFC seit diesem Frühjahr Ausflüge mit Drei- und anderen Spezialrädern an. Grund: Es habe viele Anfragen zu Tourenaktivitäten in Bezug auf „Mobilität, Inklusion und Familienfreundlichkeit“ gegeben.
Bei solchen Fragen könne E-motion nicht wirklich helfen. Bei Vorurteilen („die sind zu breit und zu schwer zu fahren“) hingegen kann André Walter seine Expertise einbringen. „Ein Dreirad ist nicht wirklich breiter als ein normales Mountainbike. Bei denen ist der Lenker meist 80 Zentimeter breit, das entspricht der Spurweite von einem Dreirad. Auf der Straße nehmen diese also nicht mehr Platz ein als andere.“
Zugleich räumt der Herdecker ein, dass ein Dreirad mit Elekroantrieb aufgrund der anderen Fahrphysik schon schwieriger zu steuern sei. „Aber daran kann man sich schnell gewöhnen.“ Auch das Gewicht falle bei Vergleichen höher aus, was zur herausfordernden Transportfrage führt. Wer sich für ein E-Bike mit drei Reifen entscheidet und bei E-Motion dafür 4000 Euro aufwärts zahlen kann, sei oft auch bereit, noch ungefähr 400 Euro oder mehr in einen Hänger für das Auto zu investieren.
Individueller Zuschnitt
Walter erwähnt eine ganze Reihe von Hilfsmitteln wie etwa verkürzte Kurbeln, Beförderungsvorrichtungen für Gehhilfen oder gar einen Rollator. Teilweise bringen Mechaniker Bremsen nicht rechts, sondern links an. Und umgekehrt. In der Regel müssen die Händler die Modelle – egal für welche Gruppe – bestellen, oft erfolgt eine Ausstattung nach individuellen Wünschen. Zur ausführlichen Beratung kommt oft die Familie mit. E-motion bietet auf dem Bachplatz ein erstes Testgefühl an. „Und wenn dann beim Verkaufstermin jemand sagt, wie froh er oder sie ist, endlich wieder Fahrrad fahren zu können, ist das für uns sehr befriedigend.“
Die Altersspanne dieser Kundschaft? Vor allem Ältere. Manche seien aber auch unter 30 und wollen nach einem Unfall trotz körperlicher Einschränkungen weiter mobil bleiben. „Ja, es existiert das Image, dass diese Räder nur etwas für Menschen mit Behinderung sind. Das hat sich mittlerweile aber ausgeweitet. Es gibt auch Dreiräder für Kinder und Jugendliche.“
Gleichwohl bestehen Herausforderungen beispielsweise in der Frage, wo oder wie Walter und Co. für Dreiräder werben sollen. Im Aktionszeitraum für Lastenräder sei dies vor einigen Wochen einfacher gewesen, da die entsprechende Klientel meist Kinder hat und daher etwa Kitas passende Anlaufstationen für E-motion waren. Wobei Herdeckes E-Bike-Händler nach eigenen Angaben weit und breit der einzige mit einem entsprechenden Zentrum sei. „Andere Kollegen betrachten das als Nebengeschäft, wir haben uns auf motorisierte Lasten- und Dreiräder spezialisiert, das betrifft auch Aspekte wie den Hol- und Bringdienst oder die Werkstatt.“
Größere Wahrnehmung im Straßenverkehr
André Walter hat sich in diesem Sommer mehrfach auf ein Dreirad gesetzt und angesichts der bestehenden Vorurteile Probefahrten unternommen. Positives Fazit: „Man wird im Straßenverkehr mehr wahrgenommen als mit einem E-Bike oder herkömmlichen Rad. Die Autofahrer gehen rücksichtsvoller mit einem um und gucken einen besonders an – in etwa vergleichbar, als wäre man mit einem Oldtimer unterwegs.“
Seit 20 Jahren verkauft der bekennende Herdecker nun Fahrräder, 2016 stellte er alles komplett auf Elektroantriebe um. „Der Markt hat sich in dieser Zeit schon sehr verändert, die Entwicklung geht vom Freizeit- und Sportgerät hin zum individuellen Pendel- sowie Kurzstreckenfahrzeug.“ Lasten- und Dreiräder sieht er nicht als Trenderscheinung, sondern spricht von „Cargo-Compact-Bikes“. Modelle der neuen Generation seien flinker, leichter und wandelbarer als ihre mitunter klobigen Vorgänger nach klassischer Bauart. Seiner Ansicht nach gut geeignet zum Einkaufen oder als rollender Kinder-Transport.
Veränderte Perspektive
Auch diesen Fortbewegungsmitteln „gebührt ein Platz bin unserem Straßenverkehr“, meint André Walter. „Ich kann nur sagen, dass ich kein Problem hatte, mich in den Verkehr zu integrieren. Aber ich gebe zu: Es entsteht eine andere Perspektive, dafür braucht man schon eine Portion Selbstbewusstsein.“ Doch im Sinne der angestrebten Verkehrswende will er anfügen, dass daran alle mitwirken sollten und daher den Fortbewegungsmitteln mit zwei oder drei Rädern eine wichtige Rolle zukomme.
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Neben Umwelt- und Gesundheitsvorteilen sieht der Händler noch eine „Signalwirkung für Kinder: Das Fahrradfahren, in welcher Form auch immer, ist eine zukunftsorientierte Möglichkeit, sich im Kurzstrecken-Betrieb fortzubewegen. Auch und gerade in unserer Region.“
Gleichwohl handele es sich um ein Thema, das noch nicht so verbreitet ist. Walter kenne nur drei Hersteller solcher Dreiräder, einer davon in den Niederlanden. Der Fabrikant aus Waltrop wiederum hat sein Kommen für den Mobilitätstag am 26. Oktober in der Innenstadt von Herdecke zugesagt.