Wetter. Die neue Schulleiterin Ricarda Thöne möchte auch andere Wege gehen. Sie versteht sich als Mentorin statt reine Wissensvermittlerin.

Mentorin statt reine Wissensvermittlerin: Für Ricarda Thöne sollte Schule Kindern und Jugendlichen eine breite Bildung bieten - und Lerninhalte, die aufs Leben vorbereiten. Dafür möchte die neue Schulleiterin des Geschwister-Scholl-Gymnasiums (GSG) in Wetter auch neue Wege gehen. Wie das aussehen kann, erzählt sie im Interview mit unserer Zeitung.

Was ist Ihnen bei der Arbeit einer Schule wichtig?

Für mich stehen die Schülerinnen und Schüler im Zentrum jeder Schule. In meinem ganzen Lehrerdasein habe ich immer aus einer Dienstleistungsperspektive gearbeitet und mich nie als reine Wissensvermittlerin gesehen. Eher als Mentorin, als Coach. Mir ist es wichtig, Kinder zu motivieren, zu begeistern – und genau hinzusehen: Was braucht das einzelne Kind? Was kann es? Den Stempel „Für das Gymnasium nicht geeignet“ finde ich schlimm.

...und doch ist dieser Satz für viele Kinder und Eltern Realität.

Meiner Meinung nach kann dieser Satz als Stigma erlebt werden, der ein Kind stark belastet. Jedes Kind kann etwas. Und jedes Kind sollte an einer Schule erfolgreich lernen können. Ob am Ende einer Schullaufbahn wirklich das Abitur steht oder stehen muss – das ist eine andere Frage. Was Kinder und Jugendliche brauchen, ist eine breite Bildung. Ein Erfahrungsschatz, mit dem sie Entscheidungen für ihren Lebensweg treffen können. Und dabei geht es nicht darum, zu wissen, wie eine Steuererklärung funktioniert oder man einen Haushalt organisiert.

Genau diese „Lerninhalte“ werden aktuell oft gefordert, um Kinder in der Schule auf das Leben vorzubereiten...

Diese Forderungen sind viel zu einseitig. Mir ist eine breite Bildung wichtig. Da werde ich mich doch nicht in der Schule darauf fokussieren, dass Kinder lernen, einen Haushalt planen zu können - am besten noch geschlechtsstereoptyp. Die Schülerinnen und Schüler stehen am Anfang ihres Lebens und sehen 100 Türen, durch die sie gehen können. Und für eine müssen sie sich entscheiden. Das macht jungen Leuten verständlicherweise Angst. Und natürlich ist das eine Herausforderung. Und diese Herausforderung können sie nur meistern, wenn sie möglichst viel erfahren und in viele Bereiche reingeschnuppert haben. Ohne diesen Erfahrungsschatz kann ich keine Entscheidungen treffen.

Wie möchten Sie der Schülerschaft am GSG diesen Erfahrungsschatz vermitteln?

Ich war zuvor stellvertretende Schulleiterin an einer UNESCO-Projektschule. Dort wird Unterricht ganz anders gestaltet, mit außerschulischen Lernorten, mit sehr viel Partizipation. Es werden Synergien zwischen Lerninhalten und Fächern gesucht – und genutzt. Wenn im Physik Druck und Kräfte Thema waren, in Politik Recyclingkreisläufe und in Biologie Abbauprozesse, dann haben sich die Kollegen eng ausgetauscht und sind zum Abschluss mit der Klasse beispielsweise in ein Müllverbrennungskraftwerk. So bekommen Lerninhalte einen direkten Bezug zum Leben. Dafür brauchen wir Schule. Und das kann ich mir zum Beispiel auch hier am GSG vorstellen.

Sie sind auch eine Befürworterin der Montessori-Pädagogik.

Ja, ich bin eine Montessori-Fan. Und ich kann mir auch vorstellen, das GSG in diese Richtung zu entwickeln. Aber nur, weil ich mir das als Schulleiterin vorstellen kann, heißt es nicht, dass es auch so kommt. Ich muss jetzt erst einmal schauen, wo wir stehen. Die Schülerschaft, die Lehrenden, die Schule an sich. Wo möchten wir hin? Welche Punkte möchten wir weiterentwickeln? Darum kann ich auch noch nicht sagen, so oder so werde ich etwas machen. Ich muss erst einmal abwägen. Kommt Zeit, kommt Veränderung. Aber ich habe ein junges Kollegium angetroffen und bin ganz optimistisch, dass wir gemeinsam neue Wege gehen können, dass meine Lehrerinnen und Lehrer genauso dafür brennen wie ich.

Was haben Sie für einen Eindruck von „Ihrer“ neuen Schule?

Einen wirklich guten. Ich habe mich mittlerweile den Klassen vorgestellt. Die Kinder sind sehr freundlich und aufmerksam. Das finde ich toll. Bisher war jeder Tag schön. Es war viel Input, aufregend, anstrengend, aber eben auch sehr schön. Ich bin bisher jeden Tag nach Hause gefahren und habe gedacht: Diese Stelle zu übernehmen, war die richtige Entscheidung.