Wetter/Herdecke. In NRW fehlen 6700 Lehrkräfte: Auch die Schulen in Wetter und Herdecke sind „am Rande des Mangels.“ Noch können sie den Unterricht sicherstellen.

Unterrichtsausfall, fehlende Schulleitungen und Ausschreibungen, für die Bewerber fehlen: Der Lehrermangel in NRW ist akut. Auch zum neuen Schuljahr fehlen 6700 Lehrkräfte (Stand Juni 2023). Im Zuständigkeitsgebiet der Bezirksregierung Arnsberg sind ca. 1470 Stellen unbesetzt. Wie wirkt sich das auf den Unterricht in Wetter und Herdecke aus? Zum Start nach den Ferien hat die Redaktion mit Akteuren vor Ort gesprochen.

Unterricht gewährleistet

„Wir haben eine sehr frohe Botschaft für Eltern und Schüler“, sagt Andreas Joksch, Leiter des Friedrich-Harkort-Gymnasiums in Herdecke. „Wir können den Unterricht zu 100 Prozent abdecken.“ Die Personalquote an dieser Schule ist demnach zufriedenstellend – und war das auch in den Jahren zuvor. Das hört sich gut an und sieht auch beim Blick auf die Zahlen mit einer offiziellen, so genannten Personalausstattungsquote von 100 Prozent gut aus. Dennoch ist Andreas Joksch überzeugt, dass an „seiner“ Schulform aktuell die Ruhe vor dem Sturm herrscht. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Lehrermangel auch an den Gymnasien ankommt.“ Allein die Rückkehr zu G9 sei eine Herausforderung. „Ich befürchte, dass wir einer dramatischen Entwicklung entgegengehen. Die Schulform Gymnasium ist da bisher sehr günstig davongekommen.“

Offene Stellen – wenig Bewerber

Auch beim Anruf in der Sekundarschule am See ist die Antwort auf die Frage nach der Personalsituation positiv: „Wir sind so besetzt, dass wir den Unterricht gewährleisten können“, erzählt Leiter Thomas Rosenthal. „Wir haben ein durchschnittlich junges Kollegium, und unser Standort scheint so attraktiv zu sein, dass wir Stellen immer besetzen konnten.“ Dennoch werde spürbar, dass die Zahl der Bewerbungen auf Ausschreibungen deutlich zurückgeht. „Für dieses Schuljahr hatte ich eine Stelle mit attraktiver Fächerkombination ausgeschrieben – und habe drei Bewerbungen bekommen. Vor sieben, acht Jahren war das noch ganz anders.“

Diese Entwicklung nimmt auch Regina Lensing wahr. „Vor zehn Jahren hatten wir bis zu 50 Bewerber auf eine Stelle und mussten aussieben. Heute ist das nicht mehr möglich. Der Markt ist leer gefegt“, sagt die Leiterin der Grundschule Elbschebach mit den Standorten Wengern und Esborn, die auch das Schulleitungsteam der Grundschule Alt-Wetter berät. Auch diese Schulen können den vorgegebenen Unterricht abdecken, auch sie haben – gemessen an den Zahlen – genug Lehrkräfte. Eigentlich. Denn obwohl an allen Grundschulen in Wetter insgesamt „nur“ sechs Lehrstellen unbesetzt sind (so die Zahlen der Bezirksregierung Arnsberg aus Juni 2023), fehlen vor allem Klassenlehrer. Ein Grund: Immer weniger Lehrkräfte arbeiteten Vollzeit, immer öfter übernehmen Seiten- und Quereinsteiger oder Lehramtsstudenten einzelne Stunden, um den Mangel auszugleichen. Für eine Klassenleitung ist das aber oft kein ausreichender Ersatz.

Kein Puffer

„Auch wenn es um kurzfristige oder langfristige Erkrankungen von Lehrkräften geht, fehlt uns ein Puffer“, so Lensing. Eine Entwicklung, die auch Anne Deimel, Vorsitzende des Landesverbands Bildung und Erziehung (VBE) in NRW, anprangert. „Der Personalmangel ist überall spürbar. Die Stundenpläne sind bereits auf Kante genäht, und jeder zusätzliche Personalausfall oder eine weitere Abordnung lässt die Nähte reißen.“ Diese Erfahrung macht Regina Lensing an den drei Standorten in Wetter immer wieder. „Es ist ein ständiges Jonglieren. Wir sind am Rande des Mangels“, sagt sie. „Bisher konnten wir vieles auffangen. Dann hatten die Kinder Unterricht, aber nicht mit der gewohnten Klassenleitung.“

Dass Kinder schon in der Grundschule vermehrt von unterschiedlichen Lehrkräften unterrichtet werden, hat auch Brigitta Schreiber festgestellt. Ihre Tochter geht in die vierte Klasse der Grundschule Elbschebach. „Man merkt, dass die Stundenpläne angepasst werden und neben der Klassenleitung auch vermehrt andere Lehrer die Kinder unterrichten“, hat sie beobachtet. Eine Maßnahme, der die zweifache Mutter auch Positives abgewinnt: „Gerde in Bezug auf den Wechsel zur weiterführenden Schule finde ich es sinnvoll, wenn die Kinder nicht allein eine Lehrkraft als Bezugsperson hatten.“

Transparenter Umgang

Am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Wetter, das ihre ältere Tochter besucht, gibt es immer mal Situationen, die den Lehrkräftemangel vor Augen führen, auch wenn die weiterführende Schule in Oberwengern mit ihrem Personal offiziell den Stellenbedarf abdecken kann. „Im vergangenen Jahr war auch nach Schulbeginn erst nicht klar, wer den Deutschunterricht in der Klasse übernimmt. Dann gibt es mal Lehrerwechsel, wenn jemand abgeordnet wird oder Vertretungslehrer übernehmen Unterrichtsstunden“, erzählt Brigitta Schreiber, die sich freut, dass beide Schulen ihrer Ansicht nach aktuell transparent mit der Situation umgehen: „Sie bemühen sich, die Situation bestmöglich aufzufangen.“