Wetter/Herdecke/Amberg. Mit 98 Jahren noch einmal umziehen? Für Hannelore Althoff ist dieser Albtraum durch die Convivo-Pleite Realität geworden.

Am 24. April ist Hannelore Althoff nach Edelsfeld bei Amberg in der Oberpfalz gebracht worden. Sie nennt das Datum ohne Zögern. Dabei wird ihr nächster Geburtstag der 99. Noch mal umziehen? Nein, damit hatte die Wetteranerin nun gar nicht gerechnet, als sie vor zwei Jahren im Convivo-Heim in Kirchende ein Zimmer bezogen hatte. Schnee von gestern. „Plötzlich musste man verschwinden“, sagt sie und blickt zurück.

An die Pfleger denkt sie und die Mitbewohner. „Die mussten sich ja alles was Neues suchen“, sagt sie und ergänzt: „Das war ja eine große Sache.“ Sie meint damit, aus der Zeitung zu erfahren, „dass der Laden zu macht“, Suche und Unsicherheit für Menschen beginnt, denen man sich verbunden fühlt. Und deren Problem man teilt.

Jahrzehnte hatte Hannelore Althoff in ihrer Wohnung an der Harkortstraße in Wetter gewohnt. Von hier hatte sie es nicht weit bis zum Zauleckhaus, wo sie bis ins hohe Alter bei den Senioren für Stimmung sorgte. Ein Sturz in der Küche beendete ihr selbstständiges Leben, nach Krankenhaus und Reha war die Pflege in einem Heim unabwendbar. Die Wahl fiel auf Kirchende, und bis zu den Schreckensnachrichten der Convivo-Insolvenz gab es für Hannelore Althoff auch nichts zu bereuen.

Nun in der Nähe der Nichte

Sie hat sich wohl gefühlt in Kirchende und sogar ein wenig privilegiert. Schließlich war sie anfangs noch ein bisschen beweglich und konnte es den Betreuerinnen erleichtern, sie anzuziehen. Nach dem erzwungenen Wegzug sind alle Kontakte aber schnell abgebrochen. Wo all die netten Nachbarn hingekommen sind, wie soll man das wissen? Nur: Auch deren Suche dürfte nicht einfach gewesen sein.

Bärbel Nowakowsky hat es jedenfalls schnell dran gegeben, für ihre Tante Hannelore Althoff in Wetter und Umgebung nach einem Heimplatz zu suchen. Das lag aber nicht nur an der großen Konkurrenz, wenn überraschend ein ganzes Heim aufgelöst wird und andere in Teilen anders genutzt werden sollen. Bärbel Nowakowsky wohnt in Amberg, und das hat für Besuche bei ihrer Tante noch nie vor der Tür gelegen.

Als Hannelore Althoff noch ihre Wohnung hatte, kam die Nichte zwei oder drei Mal im Jahr gleich für mehrere Tage nach Wetter. Der Umzug ins Heim fiel in die Zeit der stärksten Corona-Restriktionen, an Besuche war da nicht zu denken. Zum Schluss waren Begegnungen wieder möglich, das Vorbeischauen aber blieb beschwerlich.

Eine Viertelstunde dauert der Fahrweg zur neuen Adresse von Hannelore Althoff. Zumindest das ist leichter geworden. Vieles aus ihrer alten Wohnung hat sie nicht mitnehmen können. Wichtig ist ihr aber eine Kiste mit einem halben Dutzend Musikkassetten. Hannelore Althoff, die für die Senioren im Zauleckhaus die musikalische Untermalung lieferte, hat sich selbst beim Klavierspiel aufgenommen.

Jetzt, wo für das Instrument kein Platz mehr ist und die Finger schon lange nicht mehr wollen, muss die Konserve reichen. „Oh, Donna Clara“, summt sie ins Telefon, und lacht: „Vor 60 Jahren haben meine Senioren danach getanzt.“ Kaffee und Kuchen gab’s dazu. Das ist ihr geblieben. Jeden Nachmittag steht ein Stückchen auf dem Tisch im neuen Domizil, wie vorher auch in Herdecke schon. „Ich habe mich da sehr wohl gefühlt“, sagt sie - und fügt sich in das Unvermeidliche.