Wetter. Sie waren jahrelang das Aushängeschild für die Demag in Wetter. Nun sollen hier keine Krane mehr hergestellt werden.
In der schnelllebigen Zeit bleibt kaum Luft, um sich gemütlich einzuarbeiten. Davon kann auch die neue Geschäftsführung der Demag Cranes & Components GmbH (DCC) ein Lied singen. Mara Zavagno, Klaus Hoffmann und Christian Mack stehen in dieser Konstellation erst seit Juli 2022 an der Spitze des Traditionsunternehmens. In den vergangenen Monaten musste das Trio aber bereits strukturelle Veränderungen im Werk an der Ruhrstraße moderieren, die der Mutterkonzern Konecranes bereits vor einiger Zeit angestoßen hatte.
Unruhe kam in der Belegschaft im Herbst 2022 auf, da erneut mal wieder Verhandlungen über tiefergehende Änderungen anstehen sollten. Leidgeprüfte „Demagogen“, die in der Vergangenheit viele Einschnitte und Eigentümerwechsel miterlebt haben, haut aber so schnell nichts mehr aus den Socken. Der Betriebsrat, über den die DCC-Geschäftsführung wertschätzende Worte findet, kann den längerfristigen Prozess mitgestalten.
Die wesentlichen Erkenntnisse für die 1200 Mitarbeitenden (mit externen Kräften sind es rund 1300 an der Ruhrstraße) im Frühsommer 2023: Die Demag in Wetter wird zu einem so genannten „Multi-Brand“-Werk und noch stärkerer Bestandteil des globalen Fertigungsnetzwerkes des finnischen Mutterkonzerns. Oder einfacher: An der hiesigen Ruhr fertigen Mitarbeitende nicht nur eigene Hebelösungen mit den fünf traditionsreichen Buchstaben, sondern auch Produkte anderer Marken innerhalb der Konecranes-Gruppe. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Helsinki will vor allem auf einheitliche Produktplattformen für alle Konzernmarken setzen, um von Volumeneffekten zu profitieren. Zudem will es die Teilevielfalt, die bei den Beschaffungsengpässen während der Corona-Zeit eine zusätzliche Herausforderung war, reduzieren.
Zwischen Tradition und Neuerung
Die übergeordnete Strategie: Konecranes setzt auf zwei Kanäle. Einerseits die unmittelbare Kommunikation mit den Endkunden, andererseits indirekte Wege über Vertriebspartner, mit denen die Unternehmens-Gruppe oft schon viele Jahrzehnte zusammenarbeitet. „Im Werk hier in Wetter öffnen wir die Türen für neue Produkte. Wir gehören zu einem Konzern, das hat auch seinen Nutzen. Wir versuchen einen Spagat: Unsere Identität zu bewahren und stolz mit der Vergangenheit umzugehen, zugleich soll die Abhängigkeit von einer Marke enden. Und wir wollen die Möglichkeiten, die ein Konzern bietet, für den Standort nutzen“, sagt Klaus Hoffmann und spricht in Anlehnung an Bundeskanzler Olaf Scholz von einem „Doppel-Wumms“, den die Demag in Wetter angesichts wuchtiger Veränderungen zu schultern hat.
Das bringt Veränderungen, also Vor- und Nachteile mit sich. Die Demag könne als einzige Marke im Konzern mit einer eigenen Antriebstechnik zum Verfahren schwerer Lasten (seit der Mannesmann-Zeit) sorgen. „Quasi alles aus einer Hand“, so Hoffmann. Sowohl hier als auch im kleineren Schwester-Werk in Uslar soll diese Sparte im Portfolio von DCC bleiben. Auch für das Leichtkransystem KBK soll es neue Teile geben.
Doch bei anderen Produkten gibt es eine Bereinigung. Konecranes selbst wird zum Beispiel keine Demag-Krane mehr verkaufen. Dieser Geschäftszweig hat uns „kommerziell schon länger keinen Freude bereitet“, sagt Hoffmann. Das haben Auswertungen und Analysen ergeben, also der Blick auf Kosten und Stückzahlen. Jetzt im Sommer werden die letzten Aufträge angenommen. Das bedeutet beispielsweise auch das Aus zum Jahresende für die DMR-Seilzugreihe hier in Wetter. „Wir werden unseren Partnern aber alle Komponenten für einen Kran außer den Hauptträgern anbieten, von den Komponenten inklusive Steuerung bis hin zum Vertrieb von Ersatzteilen – also gewissermaßen den Bausatz.“ In Sachen Kettenzüge soll das Werk in der Ruhrstraße von seiner Multi-Brand-Rolle im globalen Fertigungsnetzwerk profitieren, es produziert die Geräte für alle Marken im Konzern.
Kompensation und Investition
Die Geschäftsführung berichtet von weiteren Kompensationen. „Wir bekommen neue Fertigungs-Aufträge für die Demag.“ Neuen Schwung soll beispielsweise der Seilzug DH erhalten. Seit 1985 stellen „Demagogen“ dieses laut Hoffmann besondere Produkt in der Harkortstadt her, das zuletzt aber nicht die richtige Aufmerksamkeit erhalten habe. Nun folgt eine Aufwertung und Erweiterung der Produktreihe, um modern auch kleine Gewichte heben zu können. „Für diesen Prozess hat sich hier im Werk ein 30-köpfiges Team gebildet, das lief sehr erfolgreich und sorgte sowohl bei Kunden als auch bei Mitarbeitenden für Begeisterung.“
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Das Trio betont: Die Umstrukturierungen erfolgen ohne betriebsbedingte Kündigungen bis 2025 und laut Arbeitsdirektor Mack in „respektvoller Abstimmung“ mit dem Betriebsrat (sowie der Gewerkschaft IG Metall). Das beinhalte Verhandlungen über Interessenausgleiche, schließlich müssen sich einige Mitarbeitende nach Versetzungen und Rochaden neuen Aufgaben widmen. Dabei könne es auch zu altersbedingten Auflösungsverträgen kommen. Ein Eckpunkte-Papier für all das lag Ende 2022 vor, der Zukunftstarifvertrag mit Standortgarantie läuft noch bis Ende 2028.
Beim Blick auf erfreuliche Entwicklungen nennt die Geschäftsführung Investitionen von mehr als 2,5 Millionen Euro in neue Maschinen am heimischen Standort, die in 2023 bereits realisiert oder auf den Weg gebracht wurden. Konecranes habe insgesamt einen zweistelligen Millionen-Betrag für Modernisierungen an der Ruhrstraße zugesagt. Das Geld fließe unter anderem in Verbesserungen bei der Logistik. „Wir sind hier unseres eigenen Glückes Schmied“, so Klaus Hoffmann. „Die Zukunft des Werks bereitet mir keine schlaflosen Nächte.“
Betriebsrat fordert weiteren Interessenausgleich
Die massiven Änderungen inklusive Auflösung einiger Bereiche fordern auch den Demag-Betriebsrat stark. „Die Hintergründe sind sehr komplex, für die Belegschaft ist das mal wieder keine einfache Zeit“, sagt Ivonne Eisenblätter. Die Vorsitzende ist einerseits froh, dass im verhandelten Eckpunktepapier bis Ende 2024 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. Andererseits stehen noch weitere Verhandlungen zum Interessensausgleich an. „Viele fragen sich, wo und wie sie wohl demnächst arbeiten. Andere wollen oder können das Unternehmen nicht als 59-Jährige schon verlassen. Es ist quasi alles dabei: Einheiten werden auseinander gerissen; positiv ist, dass auch neue entstehen.“
Die Betriebsratsvorsitzende von DCC (und auch Mitglied in der europäischen Arbeitnehmergruppe von Konecranes) bestätigt das gute Verhältnis zur Demag-Geschäftsführung in Wetter, wobei nicht nur hier Verantwortliche Entscheidungen zum Werk an der Ruhrstraße treffen. Das ausverhandelte Eckpunktepapier habe schlimmste Befürchtungen zerstreut. Doch Herausforderungen bleiben. „Der Prozess braucht Zeit, dabei wollen Menschen ja generell eher schnell Klarheit.“ Angesichts der Produkt-Bereinigung habe die Arbeitnehmerseite Kompensationen für die „Demagogen“ gefordert, die in den Verhandlungen auch durchgesetzt werden konnten. Diese gilt es nun, auch erfolgreich umzusetzen.