Essen/Herdecke/Marianka. Herdecker haben einen Geländewagen zu einem Rettungsfahrzeug umgebaut. Dieses transportierte ein Verein in die Ukraine – direkt an die Front.

Enormer Kraftakt, erfolgreicher Ausgang: Über mehrere Wochen haben der Herdecker Nico Fischer, sein Vater und ein fleißiges Werkstatt-Team einen hochgeländegängigen Transporter zu einem Rettungswagen umgebaut. Dieses aufwändige Unterfangen gelang auch dank Spendengeldern aus der Stadt an den Ruhrseen und der Umgebung. Wie berichtet, soll dieses Fahrzeug in der Ukraine an der östlichen Kriegsfront zum Einsatz kommen.

Über den gebürtigen Ukrainer Dr. Dennis Prokofiev, der in Herdecke und in Dortmund als Urologe arbeitet, entstanden Kontakte zu „Odessa wir helfen“. Mitglieder von diesem in Essen gegründeten Verein fuhren kürzlich in einem größeren Hilfskonvoi den besagten Lkw in das osteuropäische Land, das Russland angegriffen hat. Die Gruppe aus Deutschland nahm auch Hilfsgüter für ein Kinderheim im Raum Cherson/Mykolajiw mit, für das der Verein eine Patenschaft übernommen hat und in dieser Hinsicht Unterstützung vom Herdecker Lions Club erhielt.

Auch Kinderheim besucht

Nach ihrer mittlerweile neunten Hilfstour ins ukrainische Kriegsgebiet berichten Mitglieder von „Odessa wir helfen“, wie sie die Fahrt und die Zustände vor Ort erlebt haben. Ein Duo war sogar unmittelbar an der Front – kein ungefährliches Unterfangen.

Neun Helfer starteten dieses Mal Richtung Ukraine. Von Odessa aus ging es mit vier Fahrzeugen zu dem Kinderheim, dort leben den Angaben zufolge insgesamt 200 Mädchen und Jungen, zu 90 Prozent Kriegswaisen aus Cherson. Für sie hatten die Ehrenamtlichen Freizeitartikel wie Trampoline, Roller, Fußballtore, aber auch Schulbedarf und Kleidung sowie eine komplette Großkücheneinrichtung mit allen nötigen Geräten dabei.

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Nach einem weiteren Besuch in einem Krankenhaus in Cherson folgte für Organisator Daniel Reinhardt sowie Nathanael Preuß der schwierigste und gefährlichste Teil der Hilfstour. Die zwei Mitglieder des erwähnten Vereins fuhren in Begleitung des ukrainischen Militärs von Odessa an die Frontnach Marianka/Wuhledar. „Dieser Abschnitt liegt im Bereich Donezk und hat neben Bachmut die heftigsten Kämpfe zu verzeichnen. Wir haben dort persönlich zwei Fahrzeuge übergeben“, berichtet Reinhardt.

Dabei handelte es sich um den zu einer mobilen OP-Station umgebauten Lkw und einen VW-Bus, der auch zum Bergen von Verletzten aus der Frontreihe genutzt wird, damit sie in ein Krankenhaus gebracht werden können. Den Transporter aus Herdecke habe das Duo direkt an eine Sanitätereinheit übergeben, der Bus kam ebenfalls an eine dort stationierte Einheit zusammen mit weiteren Hilfsgütern.

Militär-Eskorte

Eskortiert vom Militär – anders sei es wegen des dauerhaften Beschusses nicht möglich gewesen – hätten die Helfer die Frontzone wieder verlassen und die Rückfahrt nach Essen angetreten. „Wir fahren die Hilfsgüter nicht einfach in die Westukraine und geben sie dort ab, weil es seit der Vereinsgründung unser Anliegen ist, dort zu helfen, wo die Hilfe am meisten gebraucht wird. Und das ist nun mal in den umkämpften Gebieten der Fall“, erläutern die Vertreter der Gruppe, die sich mittlerweile auf medizinische Hilfe spezialisiert hat.

Die Helfer aus Essen lieferten Material für ein Kinderheim und ein Krankenhaus mit Säuglings- und Kinderstation in der Ukraine ab und besuchten ihre ukrainischen Freunde.
Die Helfer aus Essen lieferten Material für ein Kinderheim und ein Krankenhaus mit Säuglings- und Kinderstation in der Ukraine ab und besuchten ihre ukrainischen Freunde. © Daniel Reinhardt

Nachdem die Gäste sicher aus dem Frontgebiet hinausbegleitet wurden, konnten sie die 30-stündige Rückreise antreten. „Wir sind dankbar und glücklich über das Vertrauen, das uns unsere ukrainischen Freunde schenken. Wir möchten uns herzlich bei Dr. Dennis Prokofiev, der uns den Kranken-Lkw überlassen hat, und Dirk Schwier für den VW-Bus, welcher zur Bergung von Verwundeten genutzt wird, bedanken. Beide werden Leben retten“, schrieb der Verein auf seiner Facebook-Seite.

Die Organisation „Odessa wir helfen“ will Unterstützern stets zusichern, dass die Spenden tatsächlich dort ankämen, wo sie gebraucht würden. Angst dürfe man in solchen Situationen nicht haben, wohl aber Respekt, betont der Ehemann und Familienvater Reinhardt.