Herdecke/Dortmund. Dennis Prokofiev, in der Ukraine geboren und seit 2021 Arzt in Herdecke, organisiert dank vielfacher Unterstützung Transporte mit Medikamenten.
Das Leben sah für Dr. Dennis Prokofiev 2021 eine große Veränderung vor. Da eröffnete der Oberarzt des städtischen Klinikums Dortmund eine eigene Praxis in Herdecke, seither teilt sich der Urologe seinen beruflichen Alltag zwischen diesen zwei Städten auf. Alles lief zufriedenstellend. Dann kam der 24. Februar 2022. Kriegsbeginn in der Ukraine.
Dort wurde Prokofiev geboren, dort lebte er bis zu seinem 15. Lebensjahr. Der Angriff Russlands – ein furchtbares Kapitel der Weltgeschichte, ein tiefer Einschnitt in das Leben des Mediziners.
„Schock-gefroren“ hat der 41-Jährige nach eigenen Angaben die ersten Kriegsnachrichten verfolgt. Innerhalb kurzer Zeit verwandelte sich bei ihm Hoffnung in Angst. Es begannen Sorgen um Familie, Freunde und Bekannte in der Ukraine. Nach etwas mehr als einem Monat könne Prokofiev nun mit seinen Emotionen etwas besser umgehen, wobei er Mitmenschen nicht zuvorderst mit seinem persönlichen Schicksal konfrontieren will. „Mir geht es auch um die globalen Auswirkungen. Es handelt sich nicht allein um einen Angriff gegen die Ukraine, sondern auch gegen den Westen, das ist so ähnlich wie ein Weltkrieg. Ich sehe die Gefahr, dass auch wir hier eines Tages im Keller sitzen müssen. Keiner weiß doch, wie weit Putin gehen wird.“
Schnell war Dr. Dennis Prokofiev, der in Odessa im Süden des Landes aufwuchs, klar: Er muss helfen. Mit seinen Möglichkeiten, auch wenn er mehr Unterstützung seitens der Politik oder großer Organisationen fordert. Am letzten Februar-Wochenende startete er einen Telefon-Marathon, der bis heute anhält.
Zentrale Frage: Was braucht die Ukraine, was benötigen seine Kollegen? Medikamente. Also Geld sammeln für jene, „die auch für meine Sicherheit hier in Deutschland kämpfen“. Rückmeldungen aus der Hafenstadt Odessa, wo es vielen noch vergleichsweise gut gehe, sorgten für eine Planänderung. Er richtete seine Fokus auf die medizinische Versorgung im 130 Kilometer entfernten Mykolajiw, die Lage dort sei deutlich problematischer.
Bestellungen über Großapotheke
Der Urologe trieb privat Geld ein und freute sich über die Unterstützung des Klinikums. Über die dort angesiedelte Großapotheke könne er vergleichsweise günstig viele Medikamente kaufen. Dazu hebt Prokofiev die Hilfe aus Herdecke hervor. Beim Kennenlern-Termin mit Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster entwickelten die Beiden mit Ordnungsamtsleiter Dennis Neunzig gleich einige Ansätze, wobei der hiesige Verein zur Förderung christlicher Sozialarbeit (VCS) bis heute als wichtige Plattform fungiert.
Wie berichtet, erreichte dann ein erster Konvoi mit Hilfsgütern aus Herdecke sowie Medizin-Produkten nach einer langen Fahrt über Rumänien die ukrainische Grenze, wo ein Kontaktmann von Prokofiev die Weiterleitung organisierte. Einen Tag später erfuhr der 41-Jährige von Bombenangriffen auf Charkiw und erhielt Anfragen, Medikamente dort in die zweitgrößte Stadt der Ukraine hin zu liefern. Trotz schwieriger Transportwege klappte auch das. „Zumindest das ist ein gutes Gefühl, wenn die Sachen an der richtigen Stelle ankommen.“ Fürchterliche Videos und Fotos von toten Kindern oder anderen relativieren das aber wieder schnell.
Weitere Spenden willkommen
Prokofiev (mit einer Ukrainerin verheiratet, Vater einer Tochter) richtet derzeit sein Augenmerk auf die Unterstützung des größten Krankenhauses in Mykolajiw, damit dort auch dank der Lieferungen und Hilfe von anderen Initiativen Verletzte operiert sowie behandelt werden können.
„Es fehlen grundlegende Medikamente, weil die Apotheken derzeit nicht beliefert werden“, sagt Dr. Prokofiev, der geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Urologie am Klinikum Dortmund ist.
Gemeinsam mit seiner Ehefrau hat der 41-Jährige, dessen Praxis sich in der Herdecker Frühlingsstraße befindet, die Packungsbeilagen der einzelnen Medikamente auf Ukrainisch übersetzt.
Einen Dank möchte er allen Unterstützern aussprechen, die beispielsweise Geld spendeten. Das können sie weiter tun, die Kontoverbindung: Verein zur Förderung christlicher Sozialarbeit e.V., Bank für Sozialwirtschaft Köln, IBAN DE56 37020500 0001086300, BIC BFSWDE33XXX
Daher der Antrieb: weiter helfen, Geld sammeln, Medikamente kaufen und in ukrainische Krankenhäuser schicken. Vor allem Schmerzmittel und Antibiotika können seine Ärzte-Kollegen gebrauchen, plus Insulin oder Narkose-Mittel sowie weiteres Material für Operationen. Prokofiev organisierte auch dank Herdecker Spenden einen zweiten Transport nach Mykolajiw, eine Spedition aus der Ukraine kam nach Dortmund und lud mehrere Paletten auf. Die Rückfahrt führte durch zerbombte Städte, die komplizierte Route (auch über Schienen) erwies sich jedoch als Erfolg. Ein Chefarzt bestätigte ihm dankbar und gerührt die Ankunft der Hilfsgüter. Die kamen drei Tage später am 19. März zum Einsatz, als eine Rakete nachts eine Kaserne in Mykolajiw zerstörte. Wer das überlebte, erhielt Behandlungen mit hiesigen Produkten.
Emotional angespannt,
Diese Katastrophen motivieren den 41-jährigen, weiter zu sammeln. Vom VCS erhalte er Hinweise, wenn Geld auf dem Spendenkonto eintreffe. Von Privatleuten oder Firmen. Also stellt Prokofiev erneut und nicht zum letzten Mal Listen zusammen, um viel über die Großapotheke im Klinikum Dortmund zu bestellen. „Ich habe genug Energie, um mit meinen Möglichkeiten weiterzumachen. Obwohl ich emotional immer noch angespannt bin, treibt mich die Sorge an.“
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Der nächste Transport nach Mykolajiw geht in Kürze über die Bühne. Nun mit Mitteln zur Behandlung von Schilddrüsen-Krankheiten, Bluthochdruck oder Diabetes. „Wie schon Herdeckes Bürgermeisterin sagte: Wir müssen uns auf einen Marathon und keinen Sprint einstellen. Das gleicht einem Fass ohne Boden. Denn die russischen Besatzer bringen mit ihren Panzern leider keine Medikamente mit.“