Herdecke/Hagen. Wie Dank Hilfe aus Herdecke ein ziemlich einmaliger Rettungswagen entsteht und warum er in der Ukraine besonders gefährdet bleibt
Natürlich gibt es Krankenwagen und auch Rüstfahrzeuge mit Doppelkabine. Der Großraumgeländerettungswagen in dieser Art aber, den Nico Fischer in seiner Werkstatt nach Absprache mit Dr. Dennis Prokofiev gerade zusammenbaut, dürfte ein Unikat sein. Spätestens zum Jahreswechsel soll das Fahrzeug Verletzte in der Ukraine aufnehmen und eine erste Versorgung möglich machen.
Dennis Prokofiev ist Arzt in Herdecke, Nico Fischer sitzt für die PARTEI in Herdecke im Rat und bietet in seiner Firma Truck- und Offroad-Service an. Seit der großen Infoveranstaltung der Stadt Herdecke kurz nach dem russischen Überfall auf das Nachbarland kennen sich die Beiden. Aktuell wollen sie mit Spendenmitteln einen Magirus 130 D9 flott machen als Rettungsfahrzeug. Stellenweise ist noch das Blau des Technischen Hilfswerkes zu erkennen. Vom THW war das Fahrzeug in privaten Besitz übergegangen. Die Idee, es zum Wohnmobil umzubauen, hatte sich zerschlagen. Es stand wieder zum Verkauf. Die Herdecker Ukraine-Helfer schlugen zu, und wie es sich traf, hatte Nico Fischer auch noch die passenden Aufbauten.
Während der Kleinlaster mit der markanten Doppelkabine auf dem Hof von HA KA WE steht, der Firma von Nico Fischer und seinem Vater Klaus in Vorhalle, befindet sich die Kabine seines früheren Wohnmobils noch unter dem schützenden Hallendach. „Von innen sieht sie gerade selbst aus wie im Kriegsgebiet“, sagt Fischer. Er und seine Mitarbeiter reißen momentan alles raus und machen Platz etwa für die drei gebrauchten Tragen mit ihren Lafetten, die gerade in Vorhalle eingetroffen sind.
Es war nicht ganz leicht, an die Tragen heran zu kommen. Am Ende wurde das Geschäft über Ebay gemacht, berichtet der Urologe Prokofiev aus Herdecke, „zu einem fairen Preis.“ Fast überall, wo etwas für den Ausbau oder die Umrüstung gebraucht wird, treffen er und Nico Fischer auf eine große Bereitschaft zur Unterstützung. Die Firma HAG Bodenbeläge gleich nebenan in Vorhalle hat den desinfizierbaren Fußboden gestiftet, Zulieferer Tigerexped spendierte die Heizungsanlage. Und auch Nico Fischer und seine Mitarbeiter haben bereits manche Stunde nach Feierabend an dem Großraumrettungswagen rumgeschraubt, alles gratis für das Hilfsprojekt. „Wenn man zusammen arbeitet, kann man zusammen Gutes schaffen“, sagt Fischer.
Bewusst eine zivile Anmutung
Nico Fischer hat Erfahrung mit Hilfstransporten. Vor gut zehn Jahren hat er Güter nach Mazedonien gefahren, auch das damals ein Pulverfass. Auch deshalb weiß er: „Wenn wir Pech haben, geben wir uns jetzt die größte Mühe - und nach drei Monaten ist alles für die Katz.“ Damit dies nicht herausgefordert wird, behält das Fahrzeug zunächst seine zivile Anmutung. Rot-Kreuz-Fahnen hätten die russischen Streitkräfte eher zu Angriffen animiert als davon abgehalten, berichtet Fischer. Dennis Prokofiev weiß noch nicht genau, wer nachher mit dem Magirus raus fahren soll zu Bedrohten und Verwundeten. Der Stadtverwaltung von Mykolajiv nahe Odessa könnte das Fahrzeug übergeben werden, aber vielleicht auch zivilen Katastrophenschützern - oder gar dem Militär.
Fest steht allerdings: Bis zu zehn Menschen sollen in der Doppelkabine und in dem Wohnmobilaufbau Platz finden können, drei auf den Liegen und der Rest auf den Doppelbänken und neben dem Fahrer im Fond. Noch sind nicht alle Schränke eingebaut. Am Ende aber soll genügend Stellfläche sein für Hilfsmittel zur Wundversorgung oder Blutstillung. Auch hierfür steht Geld zur Verfügung, das Menschen aus Herdecke gespendet haben.
Hilfsbereitschaft weiter groß
Nicht allein vor russischen Treffern ist das einzigartige Fahrzeug zu schützen. Weder veruntreut noch verkauft noch geklaut werden soll der Magirus, sondern bereit stehen für Verletzte und Verzweifelte. „Da ist so viel Not und Elend“, weiß der Arzt mit Wurzeln in der Ukraine. Er freut sich, dass die Hilfe auch aus Deutschland weiter geht, selbst wenn die Bereitschaft nach Kriegsausbruch deutlich höher gewesen sei. So etwas wie diese Welle der Hilfsbereitschaft habe er noch nie erlebt, sagt er. So emotional wie im März gehe es mittlerweile nicht mehr zu, sagt er, sieht aber weiterhin viel Schwung beim Einsatz für die Menschen, die im Kriegsgebiet geblieben sind wie auch für die, die geflüchtet sind.
Wenn der Großraumgeländerettungswagen Richtung Ukraine rollt, könnten ihm viele Ukrainer entgegen kommen. Angesichts der bewusst von den russischen Soldaten zerstörten Infrastruktur im Land rechnet Dennis Prokofiev damit, dass viele seiner Landsleute dem Hunger und der Kälte entfliehen werden.