Herdecke. Welche Lehren lassen sich aus der Flut 2021 ziehen? Die Stadt hat einen Wiederaufbauplan mit neuen Schutzkonzepten am Herdecker Bach erstellt.

Ein Wiederaufbauplan – das klingt dramatisch und erinnert manche an die Jahre nach 1945. Unter diesem Titel haben die Technischen Betriebe Herdecke (TBH) eine aktuelle Übersicht veröffentlicht, um bis heute spürbare Nachwirkungen des Hochwassers vom 14. und 15. Juli 2021 darzustellen. 25 Maßnahmen stehen in einer Beschlussvorlage für die Ratssitzung am 2. März und auf einer Liste, über die die hiesige Kommune an Fördergeld des zuständigen NRW-Ministeriums kommen will.

Der historische Vergleich zu den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs hinkt zwar gewaltig, aber allein die Bezeichnung Wiederaufbau verdeutlicht die doch gewaltige Dimension der Flutschäden an jenen zwei Tagen im Sommer 2021. Um die Parallelen zu früheren Zeiten abzurunden, sei an das damalige Konzept des US-Außenministers George C. Marshall erinnert.

Eine Art Herdecker Marshall-Plan

Den Marshall-Plan für die Herdecker Infrastruktur hat gewissermaßen Maren Hessam erarbeitet. Die TBH-Angestellte kümmert sich weitgehend allein um die städtischen Aufgaben hinsichtlich Hochwasserschäden, die vor rund eineinhalb Jahren hier entstanden und die die Kommune erst teilweise abgearbeitet hat. Im Ausschuss für Umwelt, Klima und Sicherheit bezifferte sie die Gesamtkosten für diese Aufgaben auf 2,89 Millionen Euro. Einstimmig votierten alle Fraktionen für die Fortsetzung des beschriebenen Wiederaufbaus, in dem es zu großen Teilen um die Wiederherstellung von Ufermauern geht.

„Manches wie zum Beispiel weggespülten Asphalt haben wir recht zügig wieder hergestellt“, berichtete Maren Hessam beim Blick auf die vom zuständigen Ministerium vorgegebene Matrix. Über diese bestehe eine berechtigte Hoffnung, dass die Stadt fast alle darin aufgeführten Kosten (auch für Planungsleistungen und Konzeptentwürfe) zu 100 Prozent über Fördergeld abrechnen kann. „Zwei Millionen sollten es mindestens sein“, sagte Fachbereichsleiter Lars Heismann. Auch deshalb scheine die Bezirksregierung Arnsberg als Zwischeninstanz recht ausführliche Darstellungen angefordert zu haben. In der Auflistung verraten Cent-Beträge, dass die Kommune von den 25 Maßnahmen hier erst knapp ein Drittel der Schadensfälle abgearbeitet habe.

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Es geht konkreter. Mit 515.000 Euro sticht die erfolgte Gewölbe-Reparatur neben den Adressen Herdecker Bach 10-14 als teuerstes Einzelprojekt hervor. Direkt an der B54 standen – wie berichtet – bis Herbst 2022 aufgeständerte Rohrleitungen, damit Bergbau-Fachleute die überbaute Strecke beräumen konnten. Dort galt laut TBH wie an einigen anderen Stellen auch: Eine Sanierung war trotz umfänglicher Schäden günstiger als Neubau.

Von großem Interesse dürften Maßnahmen für das Bachviertel mit den vielen Fachwerkhäusern sein. Drei Maßnahmen gehören zu dieser Örtlichkeit. Etwa die Wiederherstellung einer Ufermauer an der Bachstraße 11 für 140.000 Euro. Zudem steht ein präventiver Hochwasserschutz für 125.000 Euro im Fokus: Als zentraler Baustein dafür gilt die Erhöhung von Ufermauern (derzeit nicht einheitlich, mancherorts Aussparungen und somit konkrete Flutungsgefahr). Die Gewässerparzelle befindet sich im Eigentum der Anlieger, die Stadt Herdecke sei aber unterhaltungspflichtig.

Für 150.000 Euro sollen externe Fachleute ein Konzept für den Herdecker Bach und vor allem für stark bebaute Orte etwa in der Altstadt erstellen. Dazu gehören auch Hochwasserrückhaltebecken und die Drosselung der Fließgeschwindigkeit. Ziel: So viel Wasser wie möglich in Oberläufen und Zuläufen zurückhalten sowie den vorhandenen Schutz optimieren. An einigen Stellen sei der Bach extrem eingeengt und teils überbaut, so dass sich dort nur über Veränderungen ein Hochwasserschutz ergeben könne.

In diesem  Hochwasserrückhaltebecken 1 am Herdecker Bach (zwischen Feuerwehrwache und Spaeter-Kurve) stehen Baumfällungen an.
In diesem  Hochwasserrückhaltebecken 1 am Herdecker Bach (zwischen Feuerwehrwache und Spaeter-Kurve) stehen Baumfällungen an. © Steffen Gerber

Gleich 60 Bäume sollen im so genannten Hochwasserrückhaltebecken 1 fallen. Im Herdecker Bach befinde sich im Abschnitt zwischen Feuerwehrwache und Spaeter-Kurve ölhaltiger Schlamm, da im Juli 2021 etwas oberhalb rund 5000 Liter Heizöl ausliefen. Im besagten Becken und dortigen Gewölbe gebe es zudem Mauerreste oder Geröllansammlungen. Durch zwei Maßnahmen für insgesamt 550.000 Euro wollen die Verantwortlichen das Volumen dieser Einrichtung vergrößern. Die Bäume dort, laut TBH-Leiter Andreas Schliepkorte handelt es sich um viele wild gewachsene Erlen, fallen nicht unter die entsprechende Schutzsatzung.

Hintergrund

Durch ergiebige Regenfälle im Juli 2021 entstanden auch in Herdecke Schäden an Gebäuden, Straßen, Wegen, Gewässern und Hochwasserschutzeinrichtungen. Um Bürgerschaft, Unternehmen und Kommunen bei der Beseitigung zu unterstützen, beschlossen Bund und Länder Hilfspakete von bis zu 30 Milliarden Euro. Diese stehen bereit, in Nordrhein-Westfalen können Städte nun Förderanträge stellen und Gelder nach Kostenschätzungen abrufen.

Als Frist hat das NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung den 30. Juni 2023 gesetzt, in dem Zusammenhang tauchen aber keine Privatangelegenheiten auf.

Im nächsten Schritt erstellt die Stadt Herdecke konkret Projektdaten für jede Einzelmaßnahme.

Als weiteren Schwerpunkt nennt die Liste die Schmale und Hauptstraße. Zwei problematische Ufermauern für 280.000 Euro stehen ebenso im Blickfeld wie eine externe Beauftragung für 100.000 zur Erstellung eines Hochwasserschutzkonzeptes (Verlegung des Gewässers, Bypass-Einbau oder ähnliches). Weitere Maßnahmen: An der Walkmühle und Attenbergstraße, am Rückhaltebecken Kallenberger Weg, auf Waldwegen sowie nach Schäden im Jugendzentrum, in der Feuerwache und Archivräumen der Friedrich-Harkort-Schule.