Herdecke. Von der ersten Panik bis zur Zuversicht: So denken Bewohner der Convivo-Heime in Herdecke
Für die Jahre, die ihm noch bleiben, hat Günter Lehn nach einem Ort gesucht, wo mögliche Betreuung mit seinen Bedarf wächst. Vorigen Februar ist der Wetteraner bei Convivo Parks in Herdecke eingezogen. Wer hätte da gedacht, dass der Ruhesitz fürs Alter aus ganz anderen Gründen die falsche Wahl gewesen sein könnte?
Im November war Lehn das erste Mal stutzig geworden. Da sollte er seine Miete auf ein anderes Konto überweisen. Im Januar machten dann Gerüchte im Haus die Runde über eine Insolvenz von Convivo. Die Bewohnerin einer anderen Convivo-Einrichtung in Herdecke hatte übers Fernsehen mitbekommen, dass der Pflegeheim-Konzern mit Sitz in Bremen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sei. Das war zunächst die einzige Information, die beim Essen oder auf den Fluren die Runde machten.
Gerüchten gegenüber ist Günter Lehn quasi berufsmäßig vorsichtig. Vor der Pensionierung war er Polizist. Und doch hat auch er den Kern der Nachricht zur Kenntnis genommen: Dem Betreiber der Einrichtung, zu der auch sein Appartement zählt, geht es wirtschaftlich schlecht. Wie das bei den Anderen im Haus aufgenommen worden ist? „Hier haben einige Leute Panik bekommen“, sagt Günter Lehn. Bis zur kurzfristigen Räumung reichte die Phantasie seiner Hausgenossen. „Die schieben uns am Ende im Bett einfach vors Haus“, habe die schlimmste Befürchtung gelautet. Das kann man mit alten Menschen nicht einfach so machen, hat Günter Lehn auch aus den Berichten zur Insolvenz in der Lokalausgabe geschlossen und gegen gehalten.
Späte und spärliche Infos
Immer wieder gab es neue Gerüchte. Gleich zwei Investoren sollten für Convivo Parks bereit stehen, würde Convivo im Insolvenzverfahren nicht zu retten sein. Den Mietern und Betreuten im Haus könne nichts geschehen, weil Convivo ja nur der Betreiber sei und das Haus einem Hagener gehöre und nicht dem Konzern in Bremen. Gleichzeitig konnte Günter Lehn beobachten, wie in der großen Briefkastenanlage plötzlich Namensschilder fehlten. Er ist überzeugt: Einige der Bewohner sind gleich nach den ersten Nachrichten über die drohende Zahlungsunfähigkeit ausgezogen. Was aber zunehmend am Tisch zum Gesprächsthema wurde: die Informationspolitik von Convivo.
Aufklärung am Schwarzen Brett? Fehlanzeige, sagt Günter Lehn über die ersten Tage. Mit einer Woche Verspätung habe es Infos vom Haus gegeben. Mittlerweile liegen zwei Schreiben auf seinem Schreibtisch. Das Datum vom 1. Februar trägt ein Brief des vorläufigen Insolvenzverwalters in Hamburg mit der Aufforderung, die Mietüberweisung auf ein bestimmtes Konto zu lenken. Eine Woche später kam noch einmal gemeinsame Post der Insolvenzverwalter und vom Convivo-Geschäftsführer Torsten Gehle. Erneut war die verbindliche Kontonummer angegeben, Betreff war die „Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die Gesellschaft Convivo Parks Herdecke GmbH & Co. KG und die dadurch betroffene Convivo Park Herdecke“. Ziel des Verfahrens: die Sanierung der Unternehmensgruppe. Weitere Infos: Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter sind drei Monate gesichert, „am Versorgungsangebot von Convivo ändert sich bis auf Weiteres nichts.“
Die Wogen der ersten Tage hätten sich bei seinen Mitbewohnern geglättet, berichtet Günter Lehn. Auf 46 Quadratmetern hat er sich für die nächsten Jahre schön eingerichtet: Gleich neben der Eingangstür ist seine kleine Küchenzeile. „Die brauche ich nur für Kaffee“, sagt er. Die Tür daneben führt ins behindertengerechte WC. Eine Kombination aus Waschmaschine und Trockner hat hier Platz gefunden. Vom Schreibtisch aus macht Günter Lehn weiter die wöchentlichen Programmübersichten für den Kulturverein Lichtburg, vor der Schlafecke erinnert ihn ein Heimtrainer an seinen eigenen Beitrag zum Erhalt der Gesundheit. Und vom Balkon aus geht der Blick auf die Baustelle fürs zusätzliche Seniorenhaus, das ein Investor aus Hilden gerade für Convivo errichten lässt.
Wo sieht sich Günter Lehn in einem Jahr? „Nach wie vor hoffe ich, meinen Lebensabend hier verbringen zu können“, sagt er. Investoren wollten Geld verdienen. Das sollte Betreibern auch künftig in Herdecke weiter möglich sein. Lehn jedenfalls schläft weiter ruhig.