Herdecke. Die Convivo-Gruppe hat Insolvenz angemeldet. Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen befürchtet den Anfang einer verhängnisvollen Entwicklung.
Als Notarzt war er einst im Seniorenhaus Ruhraue. Jetzt wurde Janosch Dahmen eher als politischer Nothelfer erwartet. Betriebsräte von drei Convivo-Einrichtungen berichteten dem grünen Gesundheitspolitiker, wie nach der Eröffnung von Insolvenzverfahren die Stimmung ist – bei den rund 300 Beschäftigten und auch bei den rund 300 Pflegebedürftigen, die plötzlich um sicher geglaubte Plätze in den Heimen bangen müssen.
Die Beschäftigten
Über eine Bewohnerin hatten die Beschäftigten der Convivo-Einrichtungen in Herdecke erfahren, dass ihre Arbeitsplätze gefährdet sind. Die Dame hatte TV geschaut und auf N3 gesehen, dass Convivo mit Sitz in Bremen in wirtschaftlicher Schieflage ist. Von einer „Atomisierung der Betriebsteile“ spricht Betriebsrat Jochen Ruscheweyh, die Mitbestimmung schwieriger machen soll, und von den zusätzlichen Standorten in der Stadt: „Das Ende vom Lied: Wir haben nirgendwo ausreichend Personal“. Über die pflegebedürftigen Bewohner sagt Jill Berghaus, ebenfalls Betriebsrätin: „Die haben natürlich Panik!“ Und: „Erste Bewohner haben bereits gekündigt, bevor ganz viele eine neue Bleibe suchen.“
Den Worst Case denken
Im laufenden Insolvenzverfahren sind die Gehälter für drei Monate gesichert. Jochen Ruscheweyh fürchtet, dass diese Zeit für eine Lösung mit Perspektive nicht ausreicht. Die Übernahme der Häuser etwa durch einen Konzern „wäre mutig“, sagt Ruscheweyh unter Bezug auf Geschäftszahlen, die frei zugänglich sind. Für die Bewohner bedeutet das im schlimmsten Fall: Die Convivo-Häuser in Herdecke machen alle dicht, die Bewohner müssen auf Heime in Nachbarstädten verteilt werden. Aber wo finden sich ausreichend Kapazitäten, fragen sich die Betriebsräte, und vor allem: Was ist in der Übergangszeit, wenn weitere Beschäftigte fehlen, die noch verbliebenen Senioren ausreichend zu betreuen?
Die Bedeutung für Herdecke
In Herdecke gibt es einzig Senioreneinrichtungen von Convivo. Kommen sie alle wirtschaftlich nicht mehr auf die Füße, „wäre das für Herdecke eine Vollkatastrophe“, sagt Andreas Disselnkötter, Vorsitzender der grünen Fraktion im Rat. Janosch Dahmen, Grünen-Abgeordneter für Hagen und den EN-Kreis in Berlin, hat zugehört und stellt fest: „Im Katastrophenfall bedeutet das die Evakuierung von 300 alten Menschen.“ Die Zeit für einen Katastrophenplan drängt, findet Kirsten Deggim, Co-Vorsitzende der Herdecker Grünen. Sie sagt: „Da sind zwölf Wochen eigentlich schon übermorgen.“
Die Hilfe von der Politik
Weil die grüne Landtagsabgeordnete Verena Schäffer verkehrsbedingt etwas später kommt, fasst Janosch Dahmen zusammen: Extrem verwirrend sei allein schon die Struktur des Convivo-Unternehmensgeflechts. Vom Krisenfall eines Unternehmens spricht er, von der Versorgungskrise der Bewohner und der Jobkrise für die Beschäftigten. Seine Befürchtung: „In wenigen Wochen könnte eine Evakuierung zu organisieren sein.“ Ist der Kreis mit seiner Heimaufsicht ausreichend darauf vorbereitet? Wo kann das Gesundheitsministerium helfen? Im Kreishaus in Schwelm wie in der Landeshauptstadt wollen Schäffer und Dahmen diese Fragen stellen.
Ein Bedrohung auch für andere
Ein Konkurs in dieser Dimension ist für ihn neu, sagt Janosch Dahmen. Aber er könnte sich vorstellen, dass Convivo insgesamt und Herdecke in der besonderen Betroffenheit nur den Anfang macht. Für Dahmen zeigen sich zwei Dinge, sagt er, kurz bevor das Kino Onikon für einen anderen Zweck geräumt werden muss: Die gesetzliche Verpflichtung zu Mindestlohn macht Geschäftsmodelle, die auf Niedriglohn und Ausbeutung beruht haben, weniger lukrativ oder bringt sie gar in Gefahr. Und: „Hier wird der Fachkräftemangel sichtbar zur wirtschaftlichen Bedrohung.“ Er meint damit nicht nur Convivo mit immer neuen Häusern wie in Herdecke, auch für Krankenhäuser sei das existenzgefährdend.