Herdecke. Kleiner Abstecher in die Heimatstadt Herdecke: Für diesen „Tatort“ schrieb Jörg Hartmann erstmals auch das Drehbuch.

Welch ein spektakulärer Beginn – noch dazu aus heimischer Sicht – des Dortmund-Tatorts, den am Sonntag Millionen Fernsehzuschauer in der ARD sehen konnten: Kommissar Faber, gespielt vom Herdecker Schauspieler Jörg Hartmann, steht zu Beginn der Folge „Du bleibst hier“ in seinem Selbstfindungsprozess nackt auf der Mauer des hiesigen Speicherbeckens.

Und dann springt er, während die Kamera aufzieht und Ortsteile von Ende zu sehen sind, in die riesige Schüssel des RWE-Pumpspeicherkraftwerks. Scheinbar. Tatsächlich ist der Hauptdarsteller in der Szene aber trocken geblieben, wie Hartmann im Gespräch mit der Lokalredaktion verrät. „Ich wurde in dieser Szene gedoubelt und bin nicht wie ein Tom Cruise selbst ins Wasser gehüpft“, erklärt der Herdecker, der für diese Tatort-Folge mit viel Lokalkolorit erstmals das Drehbuch geschrieben hat. Dabei zu berücksichtigen: Sicherheitsaspekte. Im Speicherbecken habe während der Aufnahmen ein DLRG-Boot bereit gestanden. Denn der Sprung hätte sich bei sehr kalten Temperaturen als gefährliche Aktion für den Stuntman entpuppen können.

„Tatort“ in Herdecke: Wetterwechsel und Wiederkehr

Seine Heimatstadt hat der 53-Jährige erstmals über die RWE-Anlage optisch wie inhaltlich in die erfolgreiche Krimi-Serie eingebaut. Wer genau hingeschaut hat, dem dürften zwei verschiedene Witterungsverhältnisse bei den Speicherbecken-Szenen aufgefallen sein. Im Film ist von „scheiß Wetter“ an einem „krassen Ort“ die Rede. Erklärung: „Als wir beim ersten Mal am 1. April dort gedreht haben, wurden wir von einem Wintereinbruch überrascht. Auf einmal war dort alles weiß, als hätte jemand einen April-Scherz gemacht“, erinnert sich Jörg Hartmann. Da die TV-Tatort-Truppe wegen dichten Schneegestöbers so gut wie nichts sehen konnte, verschoben die Produktionsverantwortlichen diese Szene um eine Woche. Eigentlich sollten alle Herdecker Sequenzen an einem Tag im Kasten sein. Ein zweiter Anlauf kostete zusätzliches Geld, erst nach einigen Diskussionen fiel die Entscheidung zur Rückkehr und Fortsetzung der Dreharbeiten im Ardeygebirge. „Darum haben wir sehr gekämpft. Umso dankbarer bin ich, dass sich alle bereit erklärten und wir erneut an diesem beeindruckenden Ort filmen konnten“, so der Schauspieler.

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Dreharbeiten seien mitunter eine hochkomplexe Angelegenheit, in dem Fall musste sich das Tatort-Team den äußeren Gegebenheiten anpassen. Hartmann nutzte die Gelegenheit und fuhr mit seinen Schauspiel-Kollegen bei der gemeinsamen Rückkehr nach Herdecke durch die hiesige Altstadt. „Ich wollte denen mal meine Heimat zeigen. Die sagten danach, dass sie gar nicht wussten, wie schön es hier ist.“ Insgesamt handele es sich wegen der zweimaligen Ansetzung bei den Aufnahmen auf dem RWE-Gelände um die teuersten Sequenzen dieser Tatort-Folge. Umso zufriedener blickt er auf das Ergebnis. „Ich mag zum Beispiel, wie nach Fabers Sprung ins Wasser die Drohnen-Kamera über das beeindruckende Speicherbecken fliegt und dann der Schnitt erfolgt“, sagt der Darsteller, der im Frühjahr 2022 wegen des selbst verfassten Skripts und dieser Premiere besonders gefordert war. Die Doppelrolle habe sich für ihn als spezielle Herausforderung erwiesen, „den Autor beim Spielen zu vergessen. Meine Nervosität und Anspannung beim Dreh waren auf jeden Fall höher als sonst.“

Hartmann hatte frühzeitig Bilder vor Augen, die die labile Psyche der Hauptfigur unterstreichen sollten. Also ein Wechselspiel aus Licht und Dunkelheit. Wobei der Untertitel dieser Tatort-Folge angesichts vieler Kameraeinstellungen lauten könnte: Fabers ausführliche Autofahrt durch Dortmund. Begeistert äußert sich der Schauspieler über die Aufnahmen in Dortmunds Unterwelt, in der gigantischen Luftschutzanlage konnten sich im Zweiten Weltkrieg bis zu 150.000 Menschen aufhalten. „Den Tipp zu dieser Örtlichkeit bekam ich von meinem Herdecker Freund Boris Koch.“

Faber auf Sinnsuche in der Folge „Du bleibst hier“: Der Herdecker Schauspieler Jörg Hartmann stellt seit mehr als zehn Jahren den Dortmunder Tatort-Kommissar dar.
Faber auf Sinnsuche in der Folge „Du bleibst hier“: Der Herdecker Schauspieler Jörg Hartmann stellt seit mehr als zehn Jahren den Dortmunder Tatort-Kommissar dar. © Unbekannt | WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas

Das Thema Abgrund ließ sich auch bestens am riesigen Speicherbecken mit der hohen Mauer und dem Sprung in die Tiefe darstellen. Die Waldszenen davor und danach entstanden übrigens an einem anderen Ort. Auch der Bartwuchs gehörte nach Hartmanns Vorstellungen zum verlotterten Zustand seines TV-Kommissars. Die langen Haare im Gesicht kamen erst während der Dreharbeiten ab. Geschah das wirklich in der Friseur-Szene beim Mörder mit dem Rasiermesser? „Nein, für so etwas gibt es in der Filmbranche ein paar Tricks.“

Wie geht es nun weiter? Bereits 2022 hat das Dortmunder Tatort-Team die Folge „Love is pain“ gedreht. Wann die ARD diese 2023 ausstrahlt, ist offen. „Wir erzählen die Reihe horizontal weiter“, sagt der Hauptdarsteller. Er kündigt an, dass sich wieder ein Bogen über mehrere Episoden spanne. „Das braucht die Figur Faber auch.“ In Hartmanns Kalender stehen 2023 neben einigen Aufträgen als Sprecher (etwa bei Arte-Dokumentationen) zwei weitere Tatort-Drehphasen mit unbekannten Sendeterminen.

Herdecker macht weiter

Das bedeutet: Der Herdecker will dem Dortmunder Tatort, der seit dem Startschuss 2012 drei seiner vier Hauptdarsteller verloren hat, noch einige Zeit erhalten bleiben. „Weitere zehn Jahre als ermittelnder Kommissar kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Das konnte ich aber 2012 auch nicht.“ Gleichwohl wolle er darauf achten, dass diese Reihe sein Berufsleben nicht zu sehr dominiere und er sich auch anderweitig kreativ ausleben könne. „Ich will nicht jammern, warte aber auf neue Herausforderungen. Mal gucken, welche Projekte ich anschieben kann, dafür braucht es mitunter einen langen Atem.“

Diese Geduld könne sich aber – siehe „Du bleibst hier“ – lohnen, daher will er auch weiter schreiben. „Ich merke, dass ich nicht nur ein Interpret sein will, sondern auch Geschichten erzählen möchte.“

Ihre Meinung zum Dortmunder „Tatort“ in Herdecke ist gefragt

Im Vorfeld bekam die Dortmund-Folge „Du bleibst hier“ überwiegend gute Kritiken in den Medien, etwa im Spiegel, in der Süddeutschen und Bild-Zeitung oder auch in der Hörzu („geniale Story“). Ein Autor der Frankfurter Rundschau sah hingegen „einen wenig mitreißenden Tatort“.

Die Lokalredaktion fragt angesichts der heimischen Aspekte in diesem Dortmunder Tatort die Leserschaft nach ihrer Meinung: Wie hat Ihnen die Folge „Du bleibst hier“ gefallen? Wie fanden Sie die Bilder vom Speicherbecken? Gab es genügend Bezüge zu Herdecke oder hätten Sie sich noch mehr gewünscht? Mögen Sie Hartmanns Faber-Rolle? Wie könnte es aus Ihrer Sicht in diesem Tatort nun weitergehen?

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