Herdecke/Wetter. Zu viel gezahlt - und doch bekommen in Wetter und Herdecke nur wenige Abwassergebührenzahler ihr Geld zurück

Die Masse der Zahler von Abwassergebühren in Herdecke kann nicht mit einer Rückerstattung von eventuell zu viel gezahlten Abwassergebühren rechnen. Das machte im Hauptausschuss Dennis Osberg, Beigeordneter der Stadt, deutlich. Karin Striepen von der SPD sieht darin „eine massive Erschütterung des Glaubens an die Verwaltung und die Politik.“ Sie hätten sich auf die Richtigkeit der Abrechnung verlassen.

Korrekt abgerechnet worden sei das Abwasser, betonte Osberg mehrfach. Bis zum Mai diesen Jahres habe die bisherige Praxis über beinahe drei Jahrzehnte Bestand gehabt. Dann jedoch habe das Oberverwaltungsgericht (OVG) in einem Musterverfahren gegen Oer-Erkenschwick festgestellt, dass die Stadt wie viele andere Gemeinden auch die Abwassergebühren zu hoch kalkuliert hatte.

Wichtig aus Sicht der Stadt Herdecke: Das OVG-Urteil hat sicherlich Einfluss auf nahezu alle Städte, aber es ist noch nicht rechtskräftig. Wohl erst zum Jahreswechsel sei mit einer Entscheidung zu rechnen, so Dennis Osberg. Für die Stadt Herdecke stellen sich daher gleich mehrere Fragen. Eine Antwort steht aber jetzt schon fest: Nur die 52 Grundeigentümer, die vorsorglich einen Widerspruch unter Hinweis auf das gegen Oer-Erkenschwick laufende Verfahren eingelegt hatten, bekämen einen korrigierten Bescheid. Dennis Osberg: „Alle anderen Bescheide sind bestandskräftig und werden nicht mehr geändert.“

Karin Striepen fand es von den Bürgerinnen und Bürgern „viel verlangt, vorsorglich Widerspruch einzulegen“. Im Kreis der Ausschussmitglieder hätten das sicherlich auch nur ganz wenige getan, wenn überhaupt. Bestätigung kam vom Beigeordneten selbst: Auch er habe keinen Widerspruch eingelegt gegen den Bescheid. Dennoch: Die Stadt habe nach dem bis dato geltenden Recht nichts falsch gemacht. Nur die meisten Bürger haben wohl nicht alles richtig gemacht, um ihren Anspruch auf Rückerstattung zu sichern.

Aktuell wird bei der Stadt geprüft, ob sie für das nächste Jahr noch einmal kalkuliere wie bisher und die Bescheide für 2023 unter einen Vorbehalt stelle oder im Vorgriff auf eine Bestätigung der OVG-Entscheidung bereits neu berechne.

Bei allem Verständnis für die vielen Herdecker, die nun unabhängig vom Ausgang der laufenden Rechtsfindung mit keiner Erstattung für zu viel gezahlte Abwassergebühren rechnen können, bekannte Karin Striepen, dass zwei Herzen schlagen würden in ihrer Brust – das eine für die Bürger, das andere für die auf Einnahmen dringend angewiesene Stadt Herdecke. Zuvor hatte Dennis Osberg als Kämmerer darauf hingewiesen, dass niedrigere Einnahmen bei den Technischen Betrieben den Überschuss schmälerten, mit dem der städtische Etat möglicherweise gestützt werden könne.

Einige Städte haben bereits erklärt, dass sie nur bei vorliegenden Widersprüchen zu viel gezahlte Abwassergebühren erstatten wollen. Im politischen Raum beispielsweise in Wetter gab es aber die weitergehende Forderung, „diese Ungerechtigkeit zu korrigieren. Wir haben beantragt, die Abwassergebühren für 2022 umgehend neu zu berechnen und allen Bürgern die Differenz zu erstatten“, so Jürgen Uebelgünn von den Grünen im Juni. Mehrheiten gab es für diesen Kulanz-Vorstoß nicht. Für 161 Widerspruchsführer bleibt der Anspruch gesichert.

Patrick Wicker von der CDU-Fraktion im Herdecker Rat wollte jetzt zunächst einmal die Rechtskräftigkeit des Urteils abwarten und befand: „Wir sind ein bisschen früh dran“ mit dem Nachhaken.

OVG: Gebühren überschreiten die Kosten

Die Abwassergebühren-Kalkulation der Stadt Oer-Erkenschwick für das Jahr 2017 ist rechtswidrig, weil die konkrete Berechnung von kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen zu einem Gebührenaufkommen führt, das die Kosten der Anlagen über­schreitet. Das hat das Oberverwaltungsgericht in einem Musterverfahren ent­schieden und damit seine langjährige Rechtsprechung zur Kalkulation von Abwas­sergebühren geändert. So die OVG-Presseerklärung vom 17. Mai 2022.

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