Wetter/Herdecke/Ennepe-Ruhr. Wetter bereitet Turnhalle vor, kaum noch Kapazitäten in Herdecke: Der EN-Kreis und seine Städte fordern wegen steigender Flüchtlingszahlen Hilfe.

Seit Corona befinden sich die hiesigen Stadtverwaltungen dauerhaft im Krisenmodus. Als sich die Abläufe während der Pandemie eingespielt hatten, begann im Februar 2022 der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Dieser sorgte für neue Herausforderungen in den Kommunen. Die wiederum haben sich nun hier untereinander mit dem Ennepe-Ruhr-Kreis abgestimmt und einen Appell veröffentlicht. Dieser richtet sich an übergeordneten Stellen und trägt die Überschrift „Kapazitäten erschöpft, Städte erwarten Hilfe“.

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der neun kreisangehörigen Städte nutzten kürzlich ihren regelmäßigen Austausch mit EN-Landrat Olaf Schade für eine klare Botschaft an die Landes- und Bundesregierung sowie die Europäische Union: „Auch für die Städte im Ennepe-Ruhr-Kreis ist es in den letzten Wochen zunehmend schwieriger geworden, Flüchtlinge angemessen und adäquat unterzubringen. Die Zahl der uns von der Bezirksregierung Arnsberg zugewiesenen Geflüchteten ist einfach zu hoch. Um dies zu ändern und damit den Flüchtlingen und uns zu helfen, sind Europa, Bund und Land gefordert.“

Ausgeglichener verteilen

Bundesweit weisen die Kommunen seit einiger Zeit auf die maximale Auslastung ihrer Flüchtlingsunterkünfte hin, auch in den neun Städten des Ennepe-Ruhr-Kreises sind die Verantwortlichen längst gezwungen, nach zusätzlichen Unterkünften Ausschau zu halten oder wieder auf Turnhallen zurückzugreifen. Dies ist in den Augen der hiesigen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister eine Lage, die dringend geändert werden muss.

Hierfür sehen sie insbesondere zwei Ansätze. Die nach Europa Fliehenden müssen innerhalb der europäischen Union besser und ausgeglichener verteilt werden. Zurzeit nehme Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten mehr Flüchtlinge auf, hier müsse sich die Bundesregierung für eine ausgewogenere Verteilung einsetzen.

Erstaufnahme anders regeln

Der Appell in Richtung Düsseldorf lautet: Das Land Nordrhein-Westfalen muss sowohl die Kapazitäten als auch die Aufenthaltsdauer in seinen Erstaufnahmeeinrichtungen unverzüglich drastisch erhöhen. Die hiesigen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie EN-Landrat Olaf Schade sind sich sicher: „Dies würde die Städte entlasten und die Integration vor Ort erleichtern.“

Unterkunft und Perspektiven bieten

Sorgen bereiten den Verwaltungsleitungen neben den fehlenden Kapazitäten der Unterbringung zwei weitere Aspekte des derzeit hohen Zustroms.

Zum einen seien die Beschäftigten in den hiesigen Rathäusern seit 2015 quasi ununterbrochen im Dauereinsatz, um den Neuzugewanderten ein würdiges Leben zu ermöglichen. Auf diesen Umstand gelte es, Rücksicht zu nehmen.

Zudem komme es für ein Leben mit Perspektiven auf mehr an als nur eine gute Unterbringung. Als Stichwort nennen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Kita- und Schulplätze. Diese könnten nur mit Hilfe von Bund und Land in ausreichender Anzahl angeboten werden.

Gleichzeitig betonen sie: „Die vom Land kommunizierte geplante Erhöhung von 26.000 auf 33.000 Plätze bis März 2023 ist eher ein Tropfen auf den heißen Stein und nicht ansatzweise ausreichend.“ In diesem Zusammenhang weisen sie auf die rund 70.000 Plätze hin, die das Land in der Flüchtlingskrise 2015/2016 in seinen Einrichtungen vorgehalten hatte.

In Herdecke hat das städtische Sozialamt derzeit (Stand 4. November) 147 Asylbewerber/Geduldete registriert, hinzu kommen den Angaben zufolge 74 Kontingentflüchtlinge/afghanische Ortskräfte und als weitere Gruppe 236 Ukrainer. „Tendenz steigend“, heißt es aus dem Rathaus, was die Anzahl und nahe Zukunft betrifft.

Zuweisungen für Schulen

Die Unterbringung der Zugewanderten erfolge sowohl in Privatwohnungen als auch in städtischen Unterkünften. Kapazitäten gebe es noch in der neuen Containeranlage auf dem Parkplatz am Kalkheck in Ende, „die anderen Unterkünfte haben nur noch vereinzelt Restplätze.“ Das Kommunale Integrationszentrum (KI) des EN-Kreises teilte der Stadtverwaltung Ende letzter Woche mit, dass das KI als zuständige Stelle in diesem Jahr bisher 88 ukrainische Kinder und Jugendliche als so genannte Seiteneinsteiger in Herdecke vermittelt habe. 40 davon besuchen Grundschulen, 33 gehen in die Sekundarstufe I sowie 15 zum Berufskolleg.

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Auch in Wetter bestehe in den Unterkünften bereits eine hohe Auslastung. Noch stehen dort Plätze zur Verfügung. „Wir befürchten aber angesichts der weiteren Entwicklung in der Winterzeit erhöhte Zuweisungen“, heißt es aus dem Rathaus. Daher habe die Stadtverwaltung Vorbereitungen getroffen, auf eine Turnhalle zurückgreifen zu können. „Natürlich versuchen wir weiter, Wohnraum zu akquirieren, allerdings ist der Wohnungsmarkt mittlerweile äußerst begrenzt und wird daher nicht die Notwendigkeit zur Schaffung größerer Unterbringungskapazitäten ersetzen können.“ Bürgermeister Frank Hasenberg sagt: „Wir unterstützen die Forderungen an Bund und Land, denn es braucht auch aus Sicht der Stadt Wetter noch weitere und größere Anstrengungen von Seiten des Landes NRW, um angemessen auf diese Situation reagieren zu können.“