Herdecke. Viele Probleme, schwierige Lösungen für Flüchtlings-Kinder: Verantwortliche Lehrer berichten von herzzerreißenden Szenen an Schulen in Herdecke.

Aus der Tagesordnung des Ausschusses für Schulen, Kultur und Sport ließ sich nicht erkennen, wie groß derzeit die Not an manchen Herdecker Schulen ist. Doch dann erfuhren Politiker in der Sitzung von Verantwortlichen, mit welch massiven Schwierigkeiten die heimischen Bildungseinrichtungen momentan und seit einiger Zeit zu kämpfen haben. Das liege vor allem an den Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und den daraus resultierenden Flüchtlingsbewegungen.

Die SPD wollte von der Stadtverwaltung wissen, wie sich der Verteilungsprozess von zugewanderten Schülerinnen und Schülern in Herdecke entwickelt habe. „Aus den Medien haben wir ja erfahren, dass viele Kommunen diesbezüglich an Grenzen gestoßen sind“, sagte Gustav Müller zur Antrags-Begründung seiner Fraktion. Schulamtsleiterin Jessica Rausch antwortete, dass das zuständige Kommunale Integrationszentrum (KI) des Ennepe-Ruhr-Kreises bis zum Start der Sommerferien Ende Juni 87 Kinder oder Jugendliche in Herdecker Schulen vermittelt habe. „Nach dem Ende der Sommerferien wurden uns weitere sieben Kinder gemeldet.“

Klassen 2 und 5 quasi ausgebucht

Hinter den Zahlen steckt aber eine tiefergreifende Nachricht. Rausch: „Die Herdecker Schulen sind bald am Ende ihrer Aufnahme-Kapazitäten.“ Die Lage sei zwar noch nicht so dramatisch wie in manch anderen Kommunen, doch auch hier steigen die Sorgen. Ein Beleg: In der Stadt an den Ruhrseen gebe es in allen zweiten und fünften Klassen keinen Spielraum mehr für Neuzugänge. Das führe auch zu personellen Problemen auf Lehrer-Seite.

In Wetter leben 341 Flüchtlinge aus der Ukraine

In Wetter sind aktuell 341 Ukraine-Vertriebene untergebracht.

Das hat jetzt Sören Noll vom Fachdienst Soziales der Stadt Wetter im Fachausschuss erklärt.

170 dieser Ukraine-Vertriebenen erhielten Leistungen vom JobCenter.

In städtischen Unterkünften untergebracht seine 123 Menschen aus der Ukraine.

Aus dem Sozialausschuss gab es auch Fragen zur Situation von Flüchtlingskindern im schulpflichtigen Alter.

Die Verwaltung verwies darauf, dass sie gerade entsprechende Zahlen für die nächste Schulausschusssitzung zusammen stelle.

Wie emotional und dramatisch die Lage im Einzelfall sein kann, erklärten dann Schulleitungs-Vertreter. Realschul-Rektorin Anke Lohscheidt berichtete, dass erst wenige Stunden vor der Ausschusssitzung eine weinende Flüchtlings-Mutter mit ihrer Tochter vor ihr stand und auf deren Unterrichts-Teilnahme hoffte. „Ich konnte sie nur an das KI verweisen. Wir sind randvoll und erhalten daher kaum noch Zuweisungen.“ Für Betroffene oder auch andere Beteiligte sei das mitunter schwer zu verstehen, „aber so ist nun mal der Stand der Dinge.“ Lohscheidt fügte an, dass auch interne Umstrukturierungen nicht immer fruchten. Die Herdecker Realschule bemühe sich etwa, mehr Kapazitäten für ihre Deutsch-Lehrer freizuschaufeln. Aber auch in dieser Hinsicht stoße sie an Grenzen.

Daraufhin verwies Bettina Bothe als Beigeordnete der Stadt Herdecke auf einen gescheiterten Antrag im Frühjahr, als die Bezirksregierung Arnsberg eine weitere Eingangsklasse an der Realschule am Bleichstein abgelehnt habe. „Damals gab es zwar dafür nicht genügend Kinder, die sind nun aber da. Das holt uns jetzt ein. Die Lage ist angesichts der Not der Menschen und Schulen schwierig, wir von der Verwaltung sind da gewissermaßen das letzte Glied in der Kette. Wir sollten aber den Druck in Richtung Land erhöhen, dass bei diesem Thema etwas passiert.“ Lohscheidt ergänzte, dass der Landesrechnungshof nur Geld für die Bildung von Klassen mit 23 Kindern genehmige.

Jens Büscher-Weil als „Vize“ des Friedrich-Harkort-Gymnasiums begrüßte Bothes Aussagen und schilderte die Lage an der FHS. Dort gebe es (über alle Jahrgangsstufen verteilt) aktuell 27 Seiteneinsteiger aus sechs Nationen, alleine 18 aus der Ukraine. „Auch nach den Sommerferien standen wieder Kinder vor der Tür, ehe bei uns fast zeitgleich dazu entsprechende Informationen vom Kommunalen Integrationszentrum eintrafen.“

Negative Folgen für die Zukunft

Der stellvertretende Schulleiter sprach von schwierigen Verhältnissen, die auch Herdeckes Gymnasium herausfordern. Vor allem dann, wenn junge Menschen „mit großen Augen“ vor der Schule an der Hengsteyseestraße stehen und einige von ihnen in Tränen ausbrechen. Büscher-Weil erwähnte auch das Raumproblem, zumal 27 Seiteneinsteiger eine volle Klassenstärke darstellen. „Wir laufen voll, mehr geht eigentlich nicht. Es ist bald das Ende der Fahnenstange erreicht.“ Die FHS könne derzeit zehn zusätzliche Stunden für Flüchtlings-Schüler freischaufeln. Angesichts von sechs verschiedenen Nationen und der nötigen Ausdifferenzierung seien aber eher 25 Stunden oder noch mehr nötig, was wiederum bürokratische Herausforderungen mit sich bringe. „Wir müssen die Lage ins öffentliche Bewusstsein rufen, denn die Probleme können ja auch langfristige Folgen haben. Wenn zum Beispiel die Integration über die Schule nicht klappt, erzeugen wir Frust und beeinflussen Bildungsbiografien. Und das sehenden Auges.“

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Zuvor hatte bereits Matthias Wittler als Leiter der Werner-Richard-Grundschule auf ähnliche Schwierigkeiten wegen der Flüchtlingslage oder auch durch Corona hingewiesen. „Zahlreiche Schüler haben einen Förderbedarf. Wir sind, und da kann ich für die Robert-Bonnermann-Schule mitsprechen, an der Kapazitätsgrenze angekommen.“