Herdecke. Kinderbetreuung als Integrationsprojekt: Die Stadt Herdecke und die Firma Funtime nutzen Spendengeld, um Flüchtlings-Familien zu unterstützen.

Da wäre zunächst einmal eine bemerkenswerte Summe. 87.490 Euro befinden sich auf einem Spendenkonto, das die Stadt Herdecke nach einem Informationsabend im März zur Ukraine-Hilfe eingerichtet hat. Mit dem Geld aus der Bürgerschaft und von Firmen sollen Flüchtlinge aus dem Kriegsland verschiedentlich Unterstützung erhalten. Ziel: ein angst- und sorgenfreies Leben hier an den Ruhrseen ermöglichen, aber auch die Integration vorantreiben.

Dankbar loben Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster und Beigeordnete Bettina Bothe diese Bereitschaft sowie oft eintreffende Hilfsangebote, einige heimische Schulen hätten mit Spendenläufen ebenfalls viel für den guten Zweck erreicht.

Angebot für Familien

Die Stadtverwaltung will wiederum zielgerichtet das gespendete Geld ausgeben. Aus einigen Maßnahmen sticht ein neues Integrationsprojekt an der Werner-Richard-Grundschule hervor. Das läuft seit dem 17. Oktober und richtet sich an Flüchtlings-Familien. Die erhalten täglich von 11.30 bis 15 Uhr ein Angebot zur Kinderbetreuung, damit die Eltern in dieser Zeit etwa Sprachkurse besuchen oder wichtige Angelegenheiten erledigen können. Bothe: „Die Versorgung der Mädchen und Jungen auch am Nachmittag ist umso wichtiger, da wegen der bekannten Rahmenbedingungen nicht alle zügig einen Schulplatz erhalten.“

Zum Pressetermin am Bleichstein finden sich immer mehr Beteiligte ein. Etwa Dustin Mahmoodian und Jonathan Ludwig von der Bochumer Firma Funtime. Die Erlebnispädagogen organisieren normalerweise Kinder- und Ferienfreizeitangebote, haben nun aber für Herdecke ein passgenaues Projekt zur alltäglichen Betreuung erstellt. „Der Bedarf bei Flüchtlings-Familien ist ohne Zweifel vorhanden. Wir freuen uns, dass wir das mitgestalten können und sehen bereits, dass den Kindern unser Angebot Spaß macht. Sie kommen jedenfalls freudestrahlend in den Raum an der Grundschule“, sagt Ludwig.

Kamen zunächst 17, sind es mittlerweile 23 überwiegend ukrainische und arabische Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren, die Maximalzahl von 25 sei in Kürze erreicht. Sie alle erhalten auch ein Mittagessen, das sie gemeinsam mit den Mädchen und Jungen des Offenen Ganztags der Werner-Richard-Schule einnehmen. Vorteil: Somit kommen sie auch in Kontakt mit dem Nachwuchs aus Herdecke. Da funktioniere die Verständigung auch schon mal mit Händen und Füßen, wobei der sprachliche Fortschritt in der neuen Flüchtlings-Gruppe schon hörbar sei.

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Das Integrationsprojekt habe bewusst noch keinen griffigen Titel, da es zunächst einmal bis Sommer 2023 laufen soll. Mit dem Beisammensein lasse sich die Gemeinschaft stärken, in der wiederum sich besser Deutsch lernen lasse. „Und die Eltern wissen ihren Nachwuchs gut versorgt“, meint Bettina Bothe. Die Örtlichkeit sei gut gewählt, weil sie sich nahe der Innenstadt mit entsprechenden Unterkünften befindet und auch für Flüchtlings-Kinder der Robert-Bonnermann-Grundschule gut erreichbar sei. „Der Bedarf ist in beiden Einrichtungen vorhanden“, sagt Jugendamtsleiterin Daniela Leogrande. Zudem gebe für diese Mädchen und Jungen Anschlussmöglichkeiten an Projekte der Werner-Richard-Schule, die laut Leiter Matthias Wittler bereits einige Seiteneinsteiger integriere.

Aurora Russo als städtische Schulsozialarbeiterin hebt unterdessen hervor, wie dankbar Eltern mit Fluchterfahrung sind, zumal die Verwaltung recht zügig dieses Betreuungsangebot organisieren konnte. „Als manche davon erfuhren, haben sie mich umarmt oder mir – der landestypischen Kultur entsprechend – die Hände geküsst.“ Für die Kinder sei besonders wichtig, dass sie mit zwei festen Begleitern verlässliche Ansprechpartner vorfinden. „Das gibt ihnen Sicherheit. Strukturen und Rituale sind sehr wichtig. Wir wollen sie ja fördern und fordern“, sagt Russo mit Blick auf Betreuer Khaled Alamah und dessen Kollegin, die jeweils verschiedene Sprachen beherrschen.

Geld vom Spendenkonto für laufende Kosten

Vom Spendengeld deckt die Stadt auch laufende Kosten wie etwa Benzin für den Convivo-Transporter und das Möbellager des Vereins zur Förderung christlicher Sozialarbeit ab, wobei der VCS um Barbara Degenhardt-Schumacher eine Liste von Unterstützungsbedürftigen für das Integrationsprojekt am Bleichstein zusammenstellte.

Zur Unterstützung stehen auch Svetlana Sargsyan und Mehdi Kassem als Flüchtlingscoach bereit, um Organisatorisches für die Eltern zu übersetzen.

Das Duo hat im Wesentlichen drei Aufgaben: bei Hausaufgaben helfen, Deutsch-Kenntnisse trainieren und eine freie Spielzeit anbieten. „Wir wollen hier ja keinen Zwang ausüben. Mit Gesellschaftsspielen oder bald mit neuen Projekten wie zum Beispiel Schnitzeljagd und einer Detektivwoche soll es auch mal lockerer zugehen“, sagt Jonathan Ludwig zum Reporter, der sich so wieder an den Firmennamen Funtime erinnert.