Herdecke. Die Stadt Herdecke kann bei der Hilfe für Ukraine-Flüchtlinge auf ihre Bürger zählen. Warum das so wichtig ist
Die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine sind da. Wie viele es genau werden, ist kaum absehbar. Über 100? Gewiss, sagt Bürgermeisterin Dr. Katja Strauss-Köster. 1000? Vielleicht. Das wären doppelt so viele Menschen wie Herdecke vor einem halben Jahrzehnt aufgenommen hat. Die Hilfsbereitschaft war groß damals und ist es jetzt wieder: Wenige Stühle blieben unbesetzt im Ruhrfestsaal bei der städtischen Infoveranstaltung zur Ukraine-Hilfe
Auf den Sitzplätzen liegen Kontaktformulare der Stadt zum Ausfüllen. Name, Handynummer, und dann bitte ankreuzen, wo Hilfe vorstellbar ist für die Menschen auf der Flucht vor Kämpfen, Hunger und Kälte: Unterstützung bei Behördengängen, Anpacken beim Möbeltransport, Wohnraum bieten. Um praktische Hilfe soll es gehen im Kleinen an diesem Abend und im Großen um ein Aufbruchsgefühl in der Stadt. Für die Bürgermeisterin ist klar: „Das wird ein Marathon werden, kein Sprint.“
Betroffenheit macht sprachlos
Mit einer Schweigeminute hat die Veranstaltung begonnen. Jeder hat die TV-Bilder von den Zerstörungen der Städte und den Menschen in ihrem Leid vor Augen. Die Kraft der Gefühle ist groß. Nicht nur der Bürgermeisterin treibt es Tränen in die Augen. Dennis Prokofiev, Urologe in Herdecke mit Wurzeln in der Ukraine, ist auf die Bühne gekommen – und ringt minutenlang um Fassung, bevor er immer noch stockend von einer Medikamentenaktion berichten kann, die er für die Heimat angekurbelt hat.
Gleich nach dem Überfall war dem Arzt klar, „dass wir irgendetwas machen müssen.“ Bei der Spendenaktion für medizinische Hilfsgüter hat er Unterstützung bei Firmen gefunden und Organisationen, bei Privatleuten und dem Herdecker Krankenhaus. Gemacht werden muss aber nicht nur etwas mit Blick auf das Kriegsgebiet. Herdecke steht vor einer Herkulesaufgabe für die Geflüchteten: Wohnraum muss her, dazu Kita-Platz oder Gesundheitsvorsorge in einem bislang nicht gekannten Ausmaß.
Dennis Osberg, Beigeordneter der Stadt, spricht von einem Zweistufenplan bei der Unterbringung. Aktuell ist noch Platz für 90 Menschen. „Eine phänomenale Zahl für Herdecke“, sagt Osberg, und doch bei weitem nicht genug für die erwarteten Zuweisungen. Wenn der private Wohnungsmarkt endgültig abgegrast ist, müssen Container als Quartier dienen. Leicht wird auch das nicht sein: Herdecke bestellt gerade nicht allein Notfall-Wohnraum. Wunsch von Osberg ist es, „dass wir es schaffen, nicht auf Sporthallen angewiesen zu sein.“
Erst die Flüchtlinge aus dem Kosovo, dann der Krieg in Syrien, jetzt die Bomben auf die Ukraine – zum dritten Mal muss sich Kerstin Jakobs vom Sozialamt um Menschen kümmern, die mit wenig Habe nach Herdecke kommen. „Wir sind die Praktiker und ganz nah dran“, sagt sie. Und deswegen sei es auch so wichtig, dass alle Angebote über die Stadt koordiniert würden. Das gilt auch für die privaten Unterbringungsangebote, von denen Besucher im Ruhrfestsaal berichten.
Während draußen im Foyer schon Tische für einzelne Organisationen als Hilfsanbieter vorbereitet sind, gibt es drinnen Beispiele für die unterschiedlichsten Formen der Unterstützung. Die Bürgermeisterin berichtet von einem Mädchen, das spontan auf ihr Eis verzichtet und das Geld für die Ukraine-Hilfe gegeben hat. Eine andere Hausnummer ist das Engagement von Sabine Fröhlich-Mörmel, die auf der Suche ist nach Lagerräumen für Wohnungsausrüstungen. Ein Besteck oder Decken habe doch bestimmt jeder über, sagt sie: „Es ist so einfach, zu helfen.“
>>> Der Kommentar von Klaus Görzel: Woge der Hilfsbereitschaft
Es gibt seltsame Diskussionen zur Zeit. Werden die Flüchtlinge aus der Ukraine besser behandelt als die Opfer der Bomben von Assad? Muss man verhindern, dass deutsche Nachbarn neidisch sind auf das, was für die Ankömmlinge als Unterkunft eingerichtet wird?
Hier stehen Menschen, die Hilfe brauchen. Punkt.
Die kleine Stadt Herdecke steht vor gewaltigen Aufgaben. Aber wie schon vor einem halben Jahrzehnt lassen sich Bürgerinnen und Bürger nicht zwei Mal bitten. An Hilfsangeboten ist kein Mangel, die Bündelung durch die Stadt sinnvoll.
Aus der spontanen Hilfe für die Flüchtlinge damals aus dem nahen Osten sind Netzwerke entstanden, die bis heute funktionieren. Das ist beruhigend: Herdecke wird sie brauchen, wenn sich das ganze Ausmaß der Belastung durch die Kriegstreiberei zeigt.
Zentrale Nummer für alle Fragen zur Hilfe
Die Stadt Herdecke hat ein zentrales Bürgertelefon eingerichtet, um die Hilfsangebote und Fragen zu koordinieren.
Unter 02330 - 611 444 können Fragen zu Spendenmöglichkeiten gestellt und privater Wohnraum für die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine gemeldet werden.
Die Stadt Herdecke hat zudem ein Spendenkonto eingerichtet.
Wer die Ukraine-Hilfe der Stadt Herdecke unterstützen möchte, kann dies durch eine finanzielle Spende tun auf das Konto mit der IBAN DE84 4505 0001 1000 3441 31 bei Sparkasse HagenHerdecke.