Herdecke. Was passiert, wenn ein Stromausfall die Infrastruktur über Tage lahm legt? Die Stadt Herdecke bereitet sich vor, um dann handlungsfähig zu sein.
Ein Jahrzehnt der Krisen. Corona, Hochwasser, der Krieg in der Ukraine, Energienot. In Herdecke hat die Stadtverwaltung zur Bearbeitung von großen Problemlagen vor Ort den Stab für außergewöhnliche Ereignisse eingerichtet. „Der tagt regelmäßig, neben dem Verwaltungsvorstand kommen oft auch themenspezifische Fachleute hinzu“, sagt Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster. Aktuelles Anliegen: Wie lässt sich Herdecke auf einen Blackout vorbereiten?
Zur Definition: Das bekannteste Online-Lexikon übersetzt das Wort Blackout mit Verdunkelung, temporär fallen verschiedene Funktionen aus. Die Stadt Herdecke konkretisiert: Die Verwaltung spielt Szenarien durch, wonach es hier sechs oder acht Tage lang flächendeckend keinen Strom, kein Fest- und Mobilfunknetz sowie kein funktionierendes Internet gebe. Für solch einen Fall laufen in hiesigen Amtsstuben Gespräche und Planungen.
Zustimmung und vereinzelt Kritik
Dieses Vorgehen löse zweigeteilte Reaktionen aus. „Ich erhalte mittlerweile viel Zustimmung, wenn ich Vorsorge-Tipps gebe. Es ändert ja nichts daran, dass wir weiter auf eine aufgeklärte und verantwortliche Bürgerschaft setzen“, sagt Strauss-Köster. Die Bürgermeisterin berichtet aber auch, dass manche ihr und anderen „Panikmache“ vorwerfen. Ihre Antwort auf diese Kritik: „Sollten wir eines Tages, was ich selbstverständlich keinesfalls hoffe, einen Blackout erleben, möchte ich mir und uns Vorwürfe ersparen, dass wir das trotz der bekannten Lage im Vorfeld nicht ernst genommen haben.“
Bleichsteinhalle als Not-Quartier
Die AfD hatte kürzlich zur Ratssitzung nach Blackout-Vorbereitungen der Verwaltung gefragt und von Fachbereichsleiter Lars Heismann erfahren, dass die Stadt die Bleichsteinhalle als Unterbringungsstelle für Menschen in Not vorsehe und daher stromunabhängig mache. Entsprechende Notstromaggregate werden demnach mit Dieseltreibstoff betrieben und können je nach Verbrauch mehrere Tage oder sogar Wochen laufen.
Bei einem Blackout komme es sehr auf die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung an. Auskünfte zum Verhalten bei einem Stromausfall gibt es im Internet unter anderem auf www.bbk.bund.de (und www.besserbereit.ruhr).
Herdeckes erste Bürgerin vergleicht diese Vorkehrungen mit einer Versicherung. Natürlich wünsche sich niemand einen Unfall. Sollte dieser leider doch geschehen, „ist man dann doch froh, etwas abgeschlossen zu haben.“ Also sehe sie die Verwaltung aufgefordert, vorausschauend tätig zu werden, um im Fall der Fälle handlungsfähig zu sein und nicht kopflos agieren zu müssen. Im Zuge der Beratungen habe sie festgestellt, „wie schlecht wir und die Bevölkerung eigentlich auf solch ein Szenario vorbereitet sind.“ Denn trotz vieler Überlegungen in der städtischen Verwaltung komme es am Tag x auf das möglichst verantwortungsbewusste Verhalten der Menschen an. Die wiederum sollten nun auch überlegen, ob und wie sie sich beispielsweise mit Wasser oder Konservendosen bevorraten.
Die Stadtverwaltung habe bereits Gespräche mit hiesigen Ärzten, Pflegedienstleistern oder Altenheim-Betreibern geführt, wie sich etwa kranke Menschen, die eine Beatmung benötigen, bei einem Blackout versorgen lassen. Derzeitiges Ziel: Die Leute auch im privaten Umfeld sensibilisieren und informieren, damit Beteiligte rechtzeitig vorsorgen können und zum Beispiel an Akkus für sehr wichtige Geräte denken. Wobei das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke eine besondere Rolle einnehme. „Das wäre dann die wichtigste Anlaufstation für akute und medizinische Behandlungen, es gibt da bereits Notstromaggregate.“ Passendes Stichwort. Die Stadtverwaltung wollte im Zuge der laufenden Sanierung ein solches für das Rathaus anschaffen. „Wir lassen dort nun eine größere Variante einbauen“, so Strauss-Köster. Während auch die Feuerwehr an ihrer Wache am Herdecker Bach über ein Notstromaggregat verfügt, leiht sich die Stadt ein solches ab diesem Herbst für zwei Jahre zum Betrieb der Bleichsteinhalle.
Kommunikationswege klären
Zudem stimmen sich die hiesigen Kommunal-Verantwortlichen mit dem Ennepe-Ruhr-Kreis (Katastrophenschutzbehörde) sowie Nachbarstädten ab. Diese Runde vereinbarte kürzlich, dass der Austausch im dunklen Ernstfall wohl über Satelliten-Telefone erfolgen soll. „Gerade in Sachen Kommunikation gibt es generell noch einiges zu klären, wir denken auch über die Anschaffung handelsüblicher CB-Funkgeräte nach“, erzählt Strauss-Köster, die auch Kontakt zum heimischen Technischen Hilfswerk (THW) hält.
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Hilfreich sei bezüglich der Sensibilisierung auch die aktuelle Werbekampagne „#besserbereit“ des Regionalverbands Ruhr, der unter anderem auf Plakaten einen möglichen Gasmangel und Energieengpässe thematisiert. Während die Stadt Herdecke auch Empfehlungen vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe aufnimmt, erstellt sie derzeit eine eigene Broschüre zum Verhalten während eines Blackouts. Auf diesem Handzettel, der als Postwurfsendung in den nächsten Wochen in allen Haushalten ankommen soll, stehen dann Hinweise zum Verhalten (zuhause bleiben, Nachbarn oder kranken Menschen helfen) und Angaben zu sogenannten Leuchttürmen. „Die würden wir als Ansprechpartner für ganz dringende Angelegenheiten in den Ortsteilen einrichten, an der genauen Positionierung und Besetzung arbeiten wir noch“, erklärt Stadtsprecherin Anna Gemünd. „Dort sollen sich aber keine Menschenmengen einfinden. Gleiches gilt für die Bleichsteinhalle, wo es nur wichtige Hilfestellungen geben kann.“ Informationen etwa zu Notruf-Möglichkeiten sollen bei einem Blackout auch aus Lautsprechern von Fahrzeugen kommen, die dann durch Herdecker Straßen rollen würden.
Im Zusammenhang mit analoger Technik helfe auch ein so genanntes Kurbelradio (ersatzweise mit Solar oder Batterien betrieben). Bürgerinnen und Bürger sollten über all das mindestens mal nachdenken sowie in den nächsten Tagen oder Wochen Vorkehrungen umsetzen. „So ganz weit weg ist ein Blackout-Szenario ja nicht“, meint Strauss-Köster, „niemand sollte blauäugig mit der Situation umgehen.“