Herdecke. Aus für das Café Kornspeicher in Herdecke: Die Probleme (Corona, Personal) in dem markanten Fachwerkhaus an der Hauptstraße 1 kennen Gastronomen.

Wenn Einheimische an die schönsten Häuser Herdeckes denken, kommt ihnen zügig die Fachwerkimmobile an der Hauptstraße 1 in den Sinn – nachweislich das älteste erhaltene Gebäude in der Stadt an den Ruhrseen. Hier lässt sich Geschichte erzählen. Und hier müssen die derzeitigen Eigentümer vom Café Kornspeicher nun eine traurige Geschichte erzählen.

Ende 2005 kauften die Eheleute Nuriye und Coskun Aynur das Fachwerkhaus an der markanten Adresse Hauptstraße 1. Zustand damals: ziemlich heruntergekommen. Mit einem Architekten begann die Neugestaltung des Denkmals. 2011 eröffneten der Herdecker und seine Frau Nuriye dann den Café-Betrieb. „Im Dezember wären es jetzt elf Jahre gewesen“, sagt Coskun Aynur und spricht im Konjunktiv. Denn in dieser Woche haben die Beiden die Abmeldung ihres Gewerbes eingereicht. Das Café Kornspeicher ist und bleibt geschlossen.

Hauptgrund: Personalprobleme

„Meiner Frau und mir fällt es schwer, loszulassen. Das ist bei uns ja in Fleisch und Blut übergegangen“, sagt der 51-Jährige, der als studierter Betriebswirt nach einer Umschulung in der Pandemie mittlerweile beruflich in der Steuerberatung tätig ist. „Die Fortführung unserer Gastronomie ergibt aber keinen Sinn mehr.“

Als Begründung nennt der Herdecker viele Aspekte, die stellvertretend für die Schwierigkeiten in der Branche stehen. Neuartige Herausforderungen begannen mit Corona. „Da mussten wir gleich zu Beginn der Pandemie eine Vollzeitkraft, eine wichtige Stütze unseres Betriebs, ersetzen“, so Coskun Aynur. Die Personalprobleme setzten sich dann fort. „Das Drama der letzten zwei Jahre war, dass immer wieder Mitarbeitende kamen und dann meist schon nach kurzer Zeit absprangen.“ Schlussendlich mussten er, seine Frau und ihre gemeinsame Tochter das Café weitgehend alleine betreiben, gelegentlich half eine 450-Euro-Kraft aus. Kein Dauerzustand, zumal das jüngste Familienmitglied andere Pläne hat. „Wir hatten früher auch gelegentlich mal Personalprobleme, die konnten wir aber immer lösen.“

Energiekosten als neue Hürde

Auch die Begleitumstände sorgten für Verdruss. „Der Krieg in der Ukraine und die Energiekosten haben auch uns stark getroffen“, sagt der Herdecker. „Wir haben hier im Café Kornspeicher ja quasi Luxus angeboten. Das hat sich zuletzt aber wirtschaftlich nicht mehr gelohnt, die Minus-Beträge türmten sich immer mehr auf.“

Kornmarkt vor Tür

Das denkmalgeschützte Haus an der Hauptstraße 1 wurde Ende des 16. Jahrhunderts errichtet (ursprünglicher Verwendungszweck unklar). Vor der Tür fand von 1630 bis in die 1870-er Jahre hinein der Kornmarkt statt.

Im Café konnten Künstler im vergangenen Jahrzehnt Werke ausstellen. Dort bot auch die Lokalredaktion lange eine Leser-Sprechstunde an.

So fiel eine Entscheidung, die den Eheleuten „weh tut. Wir haben hier sehr viel Herzblut ‘reingesteckt, allein wenn ich an die aufwendige Sanierung denke. Aber es gab für uns keine Alternative, wir haben gekämpft und mussten dann doch die Reißleine ziehen.“

In den vergangenen Wochen hatte der Kornspeicher nur gelegentlich geöffnet. Die Personallage im Gastro-Sektor sei weiter verrückt, also schlecht. „Für die wenigen Gäste lohnt es sich jetzt aber gar nicht mehr. Außerdem haben wir zuletzt leider immer wieder einiges wegschmeißen müssen, was wir gekocht und vorbereitet haben. Das hat die Situation eher noch verschlimmert.“ Hinweise im Schaukasten richten sich an Inhaber von Gutscheinen, die ihr Geld ausgezahlt bekommen können.

Und die Zukunft? Beide Ehepartner haben neue Berufs-Perspektiven. Sie wollen auch in der Etage über dem Café wohnen bleiben. Dort wollten sie eigentlich einen Hotel-Betrieb einrichten, doch diesen ursprünglichen Plan mussten sie verwerfen. Für das Erdgeschoss suchen sie ab sofort neue Mieter. „Wir wollen jetzt mal gucken, wer sich für diese Räume interessiert und das alte Gemäuer mit all den Vor- und Nachteilen zu schätzen weiß.“ Klar sei: Eine Gastronomie soll dort nicht einziehen („Die erlebt dann womöglich das Gleiche wie wir“), denkbar seien ein Büro beziehungsweise Dienstleistungsbetriebe. „Wir sind da flexibel.“

Die Zeit als selbstständige Gastronomen scheint aber vorbei zu seien. Auch zum Bedauern vieler Stammkunden, deren Zahl durch die Corona-Pandemie und wegen der gesundheitlichen Unsicherheiten für Ältere aber abnahm. „Viele von ihnen und vor allem der harte Kern, der immer wieder kam, sind traurig. Auch bei uns flossen Tränen“, berichtet Coskun Aynur. Persönliche Bindungen seien über fast elf Jahre entstanden, manchmal reichte ein kurzes Gespräch zur Abschätzung des Befindens und als Zeichen des Miteinanders. „Selbstständig zu sein, das hatte auch seine schönen Seiten. Aber es muss zu stemmen sein. Und wir haben jetzt womöglich die richtige Entscheidung getroffen, ehe uns die explodierenden Energiekosten zum Aufgeben bewegt hätten.“

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Als bekennende Herdecker wissen sie um die Bedeutung des besonderen Hauses. „Wir haben von dieser besonderen Immobilie aber nichts, wenn es zu einer nicht tragbaren Belastung wird. Mit dem Café Kornspeicher wäre es nicht gut weitergegangen.“