Wengern.

Bis zu den Knien stand Wilfried Brüggestraat als Neunjähriger im Wasser. Damals, 1954. Da war er neun Jahre alt und erlebte die erste Überflutung seines Heimatdorfes Wengern. Seitdem lässt ihn das Thema Hochwasser nicht mehr los. Viele weitere Male seien im Lauf der Jahrzehnte gehörige Wassermassen durchs Dorf geschwappt, erinnert er sich. Drastische Folgen für viele Wengeraner hatten die letzten beiden Hochwasser 2013 und 2021. Wilfried Brüggestraat hat indes bei Durchsicht seines privaten Archivs vermeintliche Versäumnisse und Fehlentscheidungen in der Vergangenheit ausgemacht. Im Nachgang eines Ortstermins, der kürzlich mit Vertretern der beteiligten Behörden stattfand und bei dem er seine historischen Fotos und heimatkundlichen Kenntnisse zur Verfügung stellte, setzt er nun seine Hoffnung auf die kommenden Maßnahmen.

„Fehlentscheidung Elbschebebauung“

„Vieles ist falsch gelaufen“, meint der Wengerner und nennt etwa die Bachbett-Renaturierung zwischen „Leimkasten“ und der Brücke „Alte Schule“. Mitte der 1990er Jahre sei das ganze Dorf davon überzeugt gewesen, dass ohne diese Renaturierung nicht solche Hochwassersituationen eingetreten wären, wie sie damals immer wieder vorkamen. Neuralgischer Punkt sei zu der Zeit bereits die Brücke unter dem Leimkasten gewesen, dort, wo Schmalenbecke und Opfersiepen in die Elbsche münden. Auch die Elbschebebauung am Viadukt mitsamt des Vorfluters auf der Schafwiese vor dem Viadukt gegen Ende der 1990er Jahre sei eine Fehlentscheidung gewesen. Dadurch seien der Elbsche ein Teil der Auen weggenommen worden. Mit dieser Meinung sei er seinerzeit nicht allein gewesen, so Wilfried Brüggestraat. „Im Laufe der Jahre ist die Situation also zunehmend verschlimmert als verbessert worden“, ist er überzeugt.

Gutachten in der 90er Jahren

„Wir haben damals versucht, etwas gegen die Bebauung zu unternehmen, weil wir der Meinung waren, dass auch sie zu Hochwasser führe. Die Anlieger, die inzwischen alle tot sind, haben viel Stunk gemacht.“ Auf Initiative der Grünen sei schließlich der Beschluss gefasst worden, ein Gutachten zu erstellen. „Es dauerte etwa zwei Jahre, bis das fertig war. Demnach müssten etwa 460.000 Kubikmeter Wasser zurückgehalten werden, um das Dorf bei Hochwasser zu schützen. Das ist ungefähr die Wassermenge des Harkortsees“, so Brüggestraat. „Und nun wird versucht zu erklären, dass irgendwo Flächen geschaffen werden sollen, die das Wasser zurückhalten sollen. Das ist aber bei der Menge unmöglich“, meint der Wengeraner. Sinnvoll sei es seiner Meinung nach vor allem, das vorhandene Elbsche-Abwassersystem, das mit Steinen zugeschüttet sei, in Ordnung zu bringen. Und dann gelte es, alles, was den Wasserfluss behindere, zu beseitigen.

Wasser in alten Stollen

Wilfried Brüggestraat sieht noch weitere Probleme bei den Bemühungen, künftige Hochwasser im Dorf zu verhindern: „Das ganze Elbschetal ist im Privatbesitz. So gut wie nichts gehört der Stadt. Wenn also irgendwo dort Maßnahmen ergriffen werden sollen, müsste die Stadt die Flächen zuvor kaufen.“ Und: Vor dem Hintergrund, dass die Schmalenbecke nur drei Kilometer lang sei, frage er sich, wo das ganze Wasser herkomme, das sie führt. Und liefert auch gleich die Antwort: „Wir sind ein Bergbaugebiet. Und alle Hügel hier sind ausgehöhlt wie Schweizer Käse. Die Stollen und Schächte sind ja noch vorhanden, und die laufen voll Wasser“, so der Wengeraner. „Wenn das Wasser dort steigt, erhöht sich der Druck auch aufs Grundwasser, das wiederum die Bäche anschwellen lässt.“ Er erinnert daran, dass beim letzten Hochwasser im Juni 2021 am Albringhauser Bahnhof die halbe Straße weggerissen gewesen sei. „Das Wasser kommt oben von Silschede. Und die Wassermengen sind so stark, da müsste man eine Talsperrenmauer bauen, um Wengern zu schützen.“

Hochwasserschutzkonzept im Fachausschuss

In der nächsten Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Klima und Verkehr steht das Hochwasserschutzkonzept Elbsche auf der Tagesordnung. Das federführende Ingenieurbüro Osterhammel gibt dann einen Sachstandsbericht.Die Sitzung findet am Mittwoch, 30. März, um 17 Uhr im Veranstaltungszentrum im Rathaus II statt.Derweil wird die ökologische Umgestaltung der Schmalenbecke in einem zweiten Bauabschnitt fortgesetzt. Der Bereich zwischen Im Bremmen und Schmiedestraße wird umgestaltet, die Verrohrung zurückgebaut und das Gewässer offengelegt.An der Schmalenbecke wird bereits seit 2013 gearbeitet. Dagmar Schumacher-Herold vom Stadtbetrieb ist Projektleiterin für die Umgestaltungsmaßnahme „zweiter Bauabschnitt Schmalenbecke“, und hat mehrfach klargestellt, dass das Problem, dass mit Elbsche, Schmalenbecke und Opfersiepen drei Bachläufe unterhalb des Leimkastens zusammenkommen, durch eine Maßnahme alleine nicht zu lösen sei.