Herdecke. Viel los bei RWE in Herdecke: Während der Revision im Pumpspeicherkraftwerk hat der Energiekonzern einen zweiten Batteriespeicher installiert.
Hier das Pumpspeicherkraftwerk, dort zwei Batteriespeicher: Der Energiekonzern RWE setzt an seinem Standort Herdecke auf technische Möglichkeiten, um Strom je nach Bedarf schnell ins Netz einspeisen zu können. Während in der großen Anlage seit Jahrzehnten Wasser die zentrale Rolle zur zügigen Erzeugung spielt, befinden sich im hinteren Teil des Geländes am Hengsteysee Container zur elektrischen Zwischenlagerung.
Was 2018 mit der ersten Batterie-Lösung auf dem Koepchenwerk-Areal begann, hat nun seine Fortsetzung gefunden. Nach sechs Millionen Euro Investitionskosten existiert bereits seit drei Jahren die Möglichkeit, bis zu sieben Megawatt Speicherleistung abzurufen. Ein paar Meter weiter steht nun eine weitere kleine Halle, in der bald ebenfalls Batterien von Elektro-Autos – wie berichtet – zum Einsatz kommen. Der Unterschied: Bisher hat RWE nur neue Akkus verwendet. Nun übernehmen gebrauchte Module von Audi, und zwar jene aus der Fahrzeugreihe E-tron, die gleiche Aufgabe.
In Kürze soll der Betriebsstart für diese sogenannten „Second-Life-Batterien“ erfolgen, dieses Mal nennt der Energiekonzern keinen Euro-Betrag zur Installation. „Wir hatten einige Verzögerungen, das lag sowohl an verspäteten Lieferungen von Komponenten als auch an Corona“, berichtet RWE-Projektleiter Jan Bernholz. In der neuen Halle befinden sich Regale, in die 60 Batterien passen. Ein ausrangiertes Modul eines Audi E-tron biete mit einer Energiemenge von rund 95 Kilowattstunden weiterhin viel Potenzial, in der 24 x 6 Meter großen Behausung kann der Konzern insgesamt rund 4,6 Megawattstunden zwischenspeichern. Zum Vergleich: Ein dreiköpfiger Haushalt verbraucht im Jahr durchschnittlich 3500 Kilowattstunden.
„RWE betreibt über seine Tochterfirma Battery Solutions bereits gemeinsam mit Audi ein recht kleines Speicher-Projekt in Berlin. Die Autobauer haben dann vor einiger Zeit gefragt, ob sich daraus nicht auch zusammen etwas Größeres entwickeln lasse“, erklärt Jan Bernholz die Hintergründe, wie es zur Kooperation in Herdecke kam.
Erfahrungen am Standort nutzen
Dieser Standort bot sich wegen der bestehenden Möglichkeiten seit 2018 und der Erfahrung der Pumpspeicherkraftwerk-Mannschaft an, die übernimmt übrigens in einigen Monaten die Verantwortung für das „Second-Life-Pilotprojekt“.
Die RWE-Grundidee: Immer mehr Elektro-Fahrzeuge rollen über deutsche Straßen, damit schauen viele auf Nachnutzungsfragen von Batterien aus E-Fahrzeugen, also scheint sich die Materialfrage mittel- bis langfristig nicht zu stellen. „Hier am Hengsteysee wollen wir viel über Batteriespeicher lernen und wirtschaftliche Chancen für unsere Dienstleistung zugunsten des Stromnetzes ausloten“, so RWE-Sprecher Olaf Winter. Zu dem Lernprozess gehöre aber nicht, dass hier in Kürze Akkus anderer Autobauer zum Einsatz kommen könnten. Das würde verschiedene Umbauten nach sich ziehen, derzeit passe beispielsweise der Stecker nur zu besagten Audi-Modulen.
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Dem Autobauer aus Ingolstadt gehören auch die Batterien, die RWE in Herdecke nutzen darf. „Der Kilometerstand aus den dazugehörigen E-tron-Fahrzeugen war ebenso unterschiedlich wie das Alter der ausrangierten Module. Wir nutzen künstliche Intelligenz, um all dies zusammenzuschalten. Dabei geht es etwa um Spannungsfragen oder Kabellösungen“, erläutert Projektleiter Bernholz. Über eine Software lasse sich zudem auch einsehen, wie viel für die Einspeisung ins Stromnetz bereit stehe und wo in welchen Regalen neue Aufladungen erfolgen sollten. Hinzu kommen Vorrichtungen wie das Löschsystem mit Kühlwasser aus dem Hengsteysee oder Klimaanlagen, die eine konstante Raumtemperatur gewährleisten sollen.
„Wir wollen den neuen Batteriespeicher noch jetzt im Winter in Betrieb nehmen und dann hoffentlich ab Februar mit der Vermarktung beginnen“, sagen die beiden RWE-Mitarbeiter, die auch von unvorhersehbaren Herausforderungen berichten können und daher zeitliche Angaben mit Vorsicht versehen. Übrigens: Nach zehn Jahren, so lange lassen sich die ausrangierten Akkus ungefähr nutzen, holt Audi ein Modul wieder ab. Aber erst dann taucht die Frage auf, wie sich dieser vermeintliche Elektroschrott fachgerecht ins Kreislaufwirtschaftssystem überführen lässt. Bis dahin „genießen“ sie in Herdecke ein zweites Leben.
Rückkehr des Riesen-Rotors
Unterdessen wird ein paar Meter weiter an jeder Ecke geschraubt, gehämmert und gebohrt, überall herrscht geschäftiges Treiben. Die Revision im Pumpspeicherkraftwerk Herdecke ist in vollem Gange, schreibt RWE. Kürzlich sah das an einem Tag anders aus. Fast alle Kolleginnen und Kollegen mussten ihre Arbeit stoppen, weil der sechs Meter lange und 300 Tonnen schwere Generator-Rotor zurück an seinen Platz kam. Revisionsleiter Paul Golus erklärt die Unterbrechung: „Aus Sicherheitsgründen haben wir den kompletten Schacht des Pumpspeicherkraftwerks evakuiert. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, wollten wir auf Nummer sicher gehen. Schließlich mag sich niemand ausmalen, was passieren könnte, wenn der 300 Tonnen schwere Rotor den Schacht unkontrolliert hinabrast. Da können auch Zwischendecken aus Beton wenig entgegensetzen.“
Zentimeter für Zentimeter hoben Fachleute das Bauteil in den tiefen Schacht. „Als das Zeichen kam, dass der Rotor sicher unten angekommen ist, haben wir alle aufgeatmet“, so Golus. Zurück am Platz, begannen die Feinjustierung und der Anschluss. Wer vermutet, dass es bei solch einem großen Element nicht auf Feinheiten ankommt, dem erläutert der Revisionsleiter: „Wir müssen Maßtoleranzen von unter einem Millimeter einhalten, um sicherzustellen, dass nachher bei der Stromerzeugung auch alles problemlos läuft.“
Zum Ende des zweiten Quartals will RWE am Hengsteysee wieder Strom produzieren