Herdecke. Am Friedrich-Harkort-Gymnasium Herdecke fällt nachmittags viel aus: Corona wirkt über die Schule hinaus, wie Jugendliche und Lehrer berichten.

Corona und kein Ende: In den heimischen Schulen blickt manch einer mit Sorgen auf den Winter 2021/22. Wobei sich beim Gespräch mit Jugendlichen und Lehrern des Friedrich-Harkort-Gymnasiums auch zeigt, dass sich im Zuge der Pandemie vielfach ein Gewöhnungseffekt eingestellt hat. Drei Schüler und zwei Pädagogen berichten, was ihnen wegen der Veränderungen durch das Virus am meisten auf die Nerven geht und wie sie die Lage an der FHS grundsätzlich einschätzen.

Bemerkenswert: Gelassen blicken die Beteiligten auf die nächsten Tage und Wochen, wenn Herdecker Gymnasiasten wegen des notwendigen Lüftens wieder mit Jacke und Decken im Unterricht sitzen. In allen Klassenzimmern weise eine CO2-Ampel darauf hin, wenn im Raum zu wenig Sauerstoff sei. Es gebe an der FHS keine Luftfilter, weil sich im gesamten Gebäude an der Hengsteyseestraße alle Fenster problemlos öffnen lassen. „Andere Schulen sind da schlechter dran.“

Das treffe auch auf die technische Ausstattung zu. Dem Gymnasium stehen viele I-Pads zur Verfügung, der Umgang mit digitalen Angeboten bessere sich von Woche zu Woche. Während davon vor allem die Klassen 8 und 9 profitieren, sitzen angehende Abiturienten in Sachen Internet gewissermaßen auf dem Trockenen: Die Oberstufe muss ohne W-Lan auskommen und kann derzeit nicht online arbeiten. Die Kritik an diesem Zustand („Es könnte besser sein“) fällt aber überraschenderweise moderat aus. Das lasse sich schon auffangen, heißt es auch im Hinblick darauf, dass die Schulleitung dieses Thema auf der Agenda habe.

Die Sicht einer Neuntklässlerin

„Die Jugendzeit gilt gemeinhin als schön und wichtig. Ich habe das Gefühl, dass uns wegen Corona und den Kontaktbeschränkungen etwas weggenommen wird, was einen in der Regel für den Rest des Lebens prägt“, sagt Leni Topp. Die gleichen Altersstufen vor ihr konnten sich normal treffen und ausgehen, ihre Generation müsse seit Monaten mit Einschränkungen leben. Auch die Masken führen zu Nachteilen, gerade bei jüngeren Schülern. „Für die ist das Kennenlernen untereinander schwieriger, wenn ich an die Einführungsphase denke. Generell leidet die Kommunikation, da die Gestik oder Mimik für Lehrer kaum zu erkennen sind“, so die 14-jährige Herdeckerin.

Das sagen die Schülersprecher

„Das Schulleben fokussiert sich durch Corona auf das reine Lernen, vom Drumherum fällt nach wie vor vieles weg“, meint Jona Nordmann aus der Oberstufe und denkt an außerschulische Aktivitäten seitens der FHS. Das wirke sich schon mal negativ auf Freundschaften aus. Auch ein Grund, weshalb sich der 17-jährige Herdecker wieder „normale Zeiten“ wünscht. Zudem benachteilige Corona lernschwächere Schüler: Durch das Distanzlernen fehlten Bezugspersonen, für manche sei es schwierig, den Anschluss zu halten. „Beim Präsenzunterricht sitzen alle quasi in einem Boot, durch das Homeschooling hat sich die Schere geöffnet.“ Trotz der vorhandenen Technik fehle beispielsweise bei Videokonferenzen ein feineres Gespür für Schwierigkeiten. „In der Oberstufe macht sich das weniger bemerkbar als bei den jüngeren Jahrgängen. Bei uns in der Q2 geht es ja vermehrt um Inhalte und weniger um die Methodik.“

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Sein Schulsprecher-Kollege Max Schneevoigt hält die Ausstattung an der FHS und die Corona-Schutzmaßnahmen vor allem im Vergleich zu anderen Schulen für ausreichend. Ihn stört: „Die Einschränkungen in der Freizeit führten bei mir beispielsweise dazu, dass ich nicht als Basketball-Schiedsrichter aktiv sein konnte und mir dadurch auch eine Geldeinnahme fehlte“, berichtet der Oberstufen-Schüler. Die größten Sorgen des 17-Jährigen? „Dass wieder ein Lockdown kommt und die Kontakte untereinander noch mehr leiden.“

Die Lehrer-Perspektive

„Ich bin genervt und enttäuscht, dass uns die vierte Welle mit solch einer Wucht trifft und dass sich das natürlich auch auf den Schulalltag überträgt. Dabei hat sich hier vieles normalisiert“, meint Vertrauens-Lehrer Martin Schneider und relativiert, dass die FHS insgesamt ganz gut durch die Pandemie komme. Infektionen seien zuletzt nur vereinzelt aufgetreten, das geht aus Mitteilungen des Ennepe-Ruhr-Kreises (Gesundheitsamt) hervor. „Die Schutzmaßvorkehrungen greifen im Wesentlichen. Wobei auch ich mir wünsche, eines Tages wieder ohne Einschränkung unterrichten zu können“, sagt der Lehrer für Geschichte und Sozialwissenschaften.

Das „nervige“ Thema Maske

Trotz der Aufhebung der Maskenpflicht am Sitzplatz tragen viele Herdecker Gymnasiasten weiter einen Mund-Nasen-Schutz. Es seien eher die Jüngeren, die sie nicht aufsetzen. „Ich habe kürzlich einen Schüler ohne Maske nicht erkannt, obwohl ich ihn schon seit einem Jahr unterrichte“, erzählt Melanie Tritthart. „Es nervt auch, wenn man des Öfteren nachfragen muss, weil die Maske einfach die Kommunikation und Verständlichkeit erschwert.“

Die FHS-Lehrerin berichtet, dass sich wegen der Maske ehemalige Grundschüler nicht so gut im neuen Klassenverbund kennenlernen konnten wie frühere Jahrgänge. „Das dauerte schon länger als bei anderen“, so Tritthart.

Seine Kollegin Melanie Tritthart bestätigt das. Sie bedauert wiederum, dass nach wie vor klassenübergreifende Aktivitäten und viele Arbeitsgemeinschaften ausfallen. Dieses Manko wirke sich vor allem auf jüngere Schüler aus. „Viele fragen nach den AGs“, so die Vertrauenslehrerin, die evangelische Religion und Deutsch unterrichtet.

Die FHS will diesen Entwicklungen mit Zusatzunterricht begegnen. Zwei Lehrer (eigens eingestellt) sollen in Hauptfächern wie Englisch oder Mathe Fünftklässler zwei Stunden pro Woche fördern. Für dieses sogenannte „Team-Teaching“ hat das Gymnasium auch eine interne Lösung gefunden, um Deutsch-Defizite bei ehemaligen Grundschüler aufzufangen.