Wetter. Viel Zeit hat Tobias Sommer oft nicht für seine wichtigen Weichenstellungen als Sozialarbeiter in der Jugendarrestanstalt in Wetter.
„Die Chemie muss stimmen.“ – Seit drei Jahren ist Tobias Sommer als Sozialarbeiter in der Mädchen-Arrestanstalt in der Gustav-Vorsteher-Straße tätig. Im Gespräch mit unserer Zeitung beschreibt er die Aufgaben und Herausforderungen seines Jobs. Und er offenbart, warum ihm die Arbeit mit seinen Schützlingen so am Herzen liegt, welche Hoffnungen er damit verknüpft.
Ein Wochenende oder bis zu vier Wochen Arrest – die Zeit dürfte sich für die jungen Frauen bei Antritt unendlich anfühlen. Auf Sozialarbeiter Tobias Sommer trifft das Gegenteil zu. Ihm rinnt die Zeit, etwas zu bewirken, fast durch die Finger. Es geht eben nicht nur darum, die Mädchen wegzusperren. Vielmehr geht es darum, zu verhindern, dass erneute Straftaten stattfinden, es geht darum, Impulse zu schaffen und Perspektiven aufzuzeigen.
Die Aufgaben der Sozialarbeiter in der Arrestanstalt sind vielfältig. „Im Prinzip sind wir für die sozialen Belange der Arrestantinnen zuständig, und die sind natürlich individuell.“ So werden unter anderem Besuche koordiniert – beispielsweise von Vertretern der Bewährungshilfe, des Jugendamts oder der Jugendgerichtshilfe. Es gibt Gespräche mit den Mädchen, warum sie straffällig geworden sind. Eltern und Ämter werden miteinbezogen. Hinzu kommt Gruppenarbeit, konkret Förder- und Erziehungsmaßnahmen, wie Schuldnerberatung, Drogen-Prävention, Sexualpädagogik speziell für junge Frauen und Mädchen, Anti-Gewalt-Training, Bewerbungstraining und natürlich Unterricht. Die Konzeption, Organisation und teils auch die Gruppenarbeit selbst übernehmen die Sozialarbeiter. Darüber hinaus gibt es sinnvolle Freizeitangebote – wie Sport oder Spaziergänge.
Wichtige Erfahrung
Voraussetzung, etwas bewirken zu können, ist es, einen Zugang zu den jungen Frauen zu finden, ihr Vertrauen zu gewinnen. Der Umstand, dass es sich bei Tobias Sommer um den einzigen männlichen Sozialarbeiter in einem ansonsten weiblichen Team in der Arrestanstalt handelt, sei, so erklärt er selbst, in einzelnen Fällen ein Zugewinn. „Manche Mädchen haben vielleicht Schwierigkeiten im Umgang mit Frauen und andere natürlich auch mit Männern.“ So könnten sie im Team schauen, wer so schnell wie möglich einen Zugang finde. Denn, wie gesagt, die Uhr tickt. Und, darauf weist Tobias Sommer auch hin: „Die sind natürlich voreingenommen. Die kommen ja nicht freiwillig. Das ist eine Herausforderung. Die Chemie muss stimmen.“ Das gelinge, indem sie den Arrestantinnen offen und erst nicht moralisierend entgegenträten, auch wenn die Straftat eine Auseinandersetzung erfordere. Zunächst müsse aber eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut werden, damit sie es annehmen könnten. Auf die Frage, ob es ihnen gelinge, zu den jungen Frauen durchzudringen, betont er: „Das kann ich sehr selbstbewusst bejahen. Die Mädchen sind oft sehr dankbar, Aufmerksamkeit, Unterstützung und auch Wertschätzung zu erfahren.“
Zum Ende des Gesprächs dreht Tobias Sommer den Spieß rum, stellt seinerseits Fragen, und sein Interesse an den Antworten ist genau so echt, wie das Lachen, das an der ein oder andere Stelle des Interviews aufkam. Dieser Mann kann und will zuhören – und das ist entscheidend für die jungen Frauen im Arrest. Umso besser, dass es ihm in Wetter gefällt. „Ich bin sehr zufrieden, hier zu arbeiten“, betont er und fügt hinzu, dass er die Aufgabe für sehr wichtig halte. „Unsere Arbeit kann die Zukunft vieler Mädchen, die sich im Arrest befinden, positiv beeinflussen. Es ist halt auch immer wieder spürbar, wie veränderungsbereit viele der Arrestantinnen sind, da sie eine Verbesserung ihrer Leben anstreben.“ Über die Frage, ob er bleiben möchte, muss er nicht lange nachdenken. „Ich möchte hier weiterarbeiten.“